Euro am Sonntag-ETF-Tipps

Börsen mit ­Nachholbedarf: Wo Aufholpotenzial lauert

24.06.17 11:00 Uhr

Börsen mit ­Nachholbedarf: Wo Aufholpotenzial lauert | finanzen.net

Globale Aktienmärkte: In einigen Ländern ­entwickeln sich die Börsen seit Jahresanfang schlecht. ­Woher die Schwäche kommt - und welche Chancen sie birgt.

Werte in diesem Artikel
ETFs

0,01 USD 0,00 USD 0,00%

Indizes

129.005,0 PKT 5,0 PKT 0,00%

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Breit aufgestellt in deutsche Aktien investiert zu sein - das ist zurzeit ein Genuss. Um zehn Prozent ging es seit Jahresbeginn mit dem DAX nach oben, auf Sicht von zwölf Monaten kletterte der deutsche Leitindex sogar um 33 Prozent. In vielen anderen Ländern können Aktionäre, die sich auf ihren Heimatmarkt konzentrieren, von solchen Zuwächsen nur träumen. Einige Börsen entwickeln sich derzeit nur schwach.

Wer­bung


So manche Krise birgt allerdings auch Chancen. €uro am Sonntag hat sich deshalb die schwächsten Aktienmärkte im laufenden Jahr angesehen und fünf ­besonders bedeutende Länder herausgegriffen: Die Börsen von Russland, Saudi-Arabien, Brasilien und Kanada notieren 2017 auf Eurobasis bislang im Minus, Australiens Börse stagniert.

Einer der Gründe für die niedrige Rendite aus Sicht deutscher Anleger ist die schwache Währung. Die lokalen ­Devisen der fünf ausgewählten Länder haben seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro nachgegeben. Die schwache Performance ist also zum Teil Wechselkursschwankungen geschuldet.
Wer­bung


Wirtschaftlich verbindet die Länder, dass sie Rohstoffexporteure sind - was in den vergangenen Monaten, aber auch längerfristig keine gute Voraussetzung für ökonomischen Erfolg war. "Die Länder haben zwar eine unterschiedliche Ausrichtung, doch in der Breite sind die Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren gesunken", sagt Stefan Hofrichter, Chefvolkswirt von Allianz Global Investors (AGI). Das übt Druck auf die Rohstoffunternehmen und so auf die Leitindizes der Länder aus. Besonders einseitig ist die Ausrichtung in Russland und Saudi-Arabien: Beide Länder sind stark vom Ölpreis abhängig.

Neben Rohstoff- und Währungsschwäche gibt es weitere Gründe für die klägliche Performance. In Russland hemmen die wirtschaftlichen Sanktionen infolge der Ukraine-Krise das Wachstum, das nach langer Rezession 2017 immerhin möglich erscheint. Aktien aus Saudi-Arabien leiden wie Papiere der meisten Nachbarstaaten unter der unsicheren politischen Lage im Nahen Osten. Zuletzt kam die Auseinandersetzung mit Katar hinzu.
Wer­bung


Bei Kanada gibt es Sorgen, dass Donald Trumps Protektionismus das Land belasten könnte. "Drei Viertel des Exports gehen in die Vereinigten Staaten", berichtet Ingbert Faust, Chef der Aktienanalyse bei Union Investment. "Von einer Aufkündigung des Freihandels­abkommens Nafta und der Einführung einer Grenzsteuer wäre Kanada am stärksten betroffen."

In Brasilien sorgte die Korruptions­affäre um Präsident Michel Temer für einen Dämpfer, nachdem die Börse in São Paulo 2016 eine Mega-Hausse erlebt hatte. Die Erwartungen an den Staatschef sind hoch, seit seine Vorgängerin Dilma Rousseff vor knapp zehn Monaten des Amtes enthoben wurde. Neue politische Schwierigkeiten könnten nun allerdings den angestoßenen Reformprozess aufhalten.

Für Australien gibt es gleich mehrere zusätzliche Gründe für die Schwäche des Aktienmarkts. "Die Rückkehr einer höheren Inflation und höherer Zinsen ist für das Land relativ negativ", sagt Faust. Denn der australische Aktienmarkt habe die höchste Dividenden­rendite weltweit und sei deshalb als Zinsersatz sehr beliebt. Steigen die Zinsen wie zuletzt in den USA, wird diese Funktion weniger wichtig, und die Anleger ziehen Geld ab. Hinzu kommt der relativ hohe Anteil an Finanzwerten im Leitindex. Diese leiden unter einer ab Oktober geltenden Steuer auf Einlagen institutioneller Kunden. Zudem wird regelmäßig über eine Immobilienblase in Australien gemutmaßt, was die Kurse der Immobilienunternehmen belastet.

Durchwachsener Ausblick

Die Chancen, dass die schwache Börsenentwicklung der vergangenen Monate bald endet und die Kurse wieder steigen, sind durchwachsen. "Auf Sicht der nächsten ein bis zwei Jahre fällt es mir schwer, Argumente für einen Einstieg in die fünf Märkte zu finden", sagt AGI-Fachmann Hofrichter. Er erwartet keinen Anstieg der Rohstoffpreise auf breiter Front - ein Szenario, das diesen Ländern helfen würde. Er rechnet jedoch damit, dass der Ölpreis leicht steigt, was insbesondere den russischen und den saudischen Aktienmarkt antreiben könnte.

Der Experte verweist zudem auf eine Entwicklung, die als Indiz dafür gilt, dass das Wirtschaftswachstum künftig schwach ausfallen wird. "Besonders in Australien, Kanada und Brasilien gab es seit der Finanzkrise ein starkes Kreditwachstum im Privatsektor und gleichzeitig deutlich anziehende Preise bei Immobilien, die mittlerweile überbewertet sind", sagt Hofrichter. Dies sei keine gesunde Basis für Wachstum und berge zudem Risiken.

Politisch gesehen ist die Situation in den drei Schwellenländern naturgemäß unklarer als in Kanada und Australien. "Vor allem in Brasilien ist es schwierig abzusehen, wie es nun weitergeht", sagt Union-Investment-Spezialist Faust. Falls Präsident Temer die Reformen aufschiebt, dürften die Anleger das nicht goutieren. Auf der anderen Seite könnte das Wiedererstarken der Hoffnung auf strukturelle Änderungen brasilianischen Aktien neuen Schub verleihen.

Unter Bewertungsaspekten sind Aktien vom Zuckerhut durchaus interessant, Gleiches gilt für russische Titel. Die Börse in Moskau ist extrem günstig bewertet, und auch Brasiliens Börse liegt deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt. Hinzu kommt, dass die Währungen als unterbewertet gelten. Beides spricht zumindest langfristig für diese Länder. Von den fünf Nachzüglermärkten erscheinen sie auch deshalb am aussichtsreichsten.

Investor-Info

dbX MSCI Russia Capped
Wette auf den Ölpreis

Russische Aktien haben kurz- und langfristig Potenzial. Festigt sich der Ölpreis in den nächsten Wochen, würde das die Börse in Moskau antreiben. Auf lange Sicht sind die extrem niedrigen Bewertungen eine gute ­Basis für steigende Kurse. Ein preiswerter Einstieg gelingt mit dem ETF db X-trackers MSCI Russia Capped, in dem der Energie­sektor einen sehr hohen Anteil hat.

Lyxor Brazil (Ibovespa)
Hoffnung auf Reformen

Trotz der jüngsten Korruptionsaffäre besteht Hoffnung, dass Präsident Temer seine Reformen vorantreibt. In diesem Fall könnte die Börse in São Paulo ihre Hausse aus 2016 bald fortsetzen. Hoch bewertet ist sie noch längst nicht, und auch die Landeswährung hat Potenzial. Mit dem ETF Lyxor Brazil (Ibovespa) steigen Anleger breit gestreut in Brasilien ein.

Bildquellen: conrado / Shutterstock.com, Who is Danny / Shutterstock.com