Pakistan: Warum die Börse dort einen Blick wert ist
Der voraussichtliche neue Premierminister Imran Khan ist eine schillernde Persönlichkeit. Pakistan hat zwar viel wirtschaftliches Potenzial - um es zu heben, muss er aber fast unlösbare Probleme bewältigen.
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von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Der frühere Playboy und Kricket-Star Imran Khan hat die Parlamentswahlen in Pakistan gewonnen. Seine Partei PTI hat zwar die absolute Mehrheit verpasst, kann aber wohl mit kleineren Parteien regieren. Erstmals seit Dekaden wird das Land damit weder von einem Militärherrscher noch von den Familiendynastien Bhutto oder Sharif beherrscht, die sich an der Macht stets abwechselten.
Khan hat in seiner Wahlkampagne viel versprochen: vor allem die Bekämpfung der grassierenden Korruption, die Verbesserung des Gesundheits- und Bildungssystems sowie den Aufbau eines islamischen Wohlfahrtsstaats. Es dürfte schwer werden, die Versprechungen umzusetzen, steckt das Land doch in einer Zahlungskrise. Die Devisenreserven der Zentralbank betragen lediglich noch neun Milliarden Euro und reichen nur mehr, um die Importe von zwei Monaten zu decken.
Die Regierung dürfte nicht darum herumkommen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Kredite in Höhe von zehn bis zwölf Milliarden Dollar zu bitten. Die sind in der Regel mit harten Sparauflagen verbunden, was Khans Wahlprogramm entgegenstehen würde.
Die Zahlungsprobleme resultieren nicht aus einer schwachen Wirtschaft oder hoher Verschuldung. Das BIP legt seit Jahren mit rund fünf Prozent jährlich zu. 2018 werden sogar plus 5,6 Prozent erwartet. Die Staatsverschuldung ist mit 67 Prozent vom BIP auch noch akzeptabel.
Doch es gibt auch Schwachpunkte. Das Haushaltsdefizit dürfte dieses Jahr 5,3 Prozent vom BIP betragen, das Leistungsbilanzdefizit ist mit minus 4,8 Prozent hoch. Besonders problematisch ist, dass die Steuereinnahmen zu gering sind. Viele Großgrundbesitzer und Industriebetriebe lobbyieren erfolgreich und zahlen kaum Steuern. Zudem stellen die Militärausgaben mit 4,2 Prozent vom BIP eine enorme Belastung für die öffentlichen Haushalte dar.
Die Macht des Militärs
Die Ursache dafür ist, dass die Armee ein Staat im Staat ist. Außen- und sicherheitspolitisch läuft ohne die Generäle nichts. Zudem haben sie in wichtigen Bereichen der Wirtschaft ihre Finger im Spiel - ähnlich wie in Ägypten. Die Armee ist der größte Grundbesitzer in Pakistan. Mit staatlichem Geld erwirbt sie Land weit unter dem tatsächlichen Wert und verteilt es an Militärs, die darauf Hotels, Restaurants oder andere Immobilien bauen und sich bereichern, kritisieren Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Nach Schätzungen gehören etwa 20 Prozent des Bodens in Pakistan Offizieren. "Die Armee bestiehlt das Land", sagt der Reiseautor und ausgewiesene Pakistan-Kenner Gilbert Kolonko.
Um seine Privilegien zu rechtfertigen, hält das Militär den Kaschmir-Konflikt mit Indien am Laufen und unternimmt zu wenig gegen den sich ausbreitenden islamistischen Terrorismus. Das führt zu einer sehr fragilen Sicherheitslage, die Investoren abschreckt. Außerdem fehlt dadurch Geld, um Pakistan zu entwickeln. 30 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die Analphabetenrate und die Jugendarbeitslosigkeit sind sehr hoch, was es den religiösen Fanatikern leicht macht, Nachwuchs zu finden.
Ob Khan daran etwas ändern kann, bezweifeln Pakistan-Kenner. Er gilt nicht nur bei seinen Gegnern als Ziehsohn der Armee, obwohl er das vehement bestreitet. Fakt ist aber, dass diese ihn im Wahlkampf unterstützt hat. Andere halten ihn dagegen für einen Islamisten, da er Kontakte zu den Taliban pflegt. Auch, weil sich der frühere Lebemann und Gigolo seit einiger Zeit tiefgläubig gibt und statt Jeans nur noch traditionelle Kleidung trägt. Vor Kurzem hat er seine Sufi-Lehrerin geheiratet, die in der Öffentlichkeit stets voll verschleiert auftritt.
Er habe zu seinen religiösen Wurzeln gefunden, betont der 65-Jährige. Manche Kritiker bezweifeln das und halten es für Taktik, um Wählerstimmen zu gewinnen. Die Sorge im Westen, Khan könnte einen islamistischen Staat aufbauen, ist aber wohl unbegründet. Dafür hat Pakistans bester Kricketspieler aller Zeiten zu lange einen westlichen Lebensstil gepflegt.
Berechtigter sind dagegen die Sorgen, dass er die Reformen für ein besseres Bildungs- und Justizsystem sowie mehr Sozialleistungen nicht bezahlen kann. "Falls Khan es schafft, Pakistan so zu verändern, wie er es versprochen hat, wäre das ein größeres Wunder als diejenigen, die er beim Kricket vollbracht hat", zweifelt US-Pakistan-Experte Steve Coll an Khans Erfolg.
Dabei würde es bereits reichen, wenn Khan an die Erfolgsgeschichte der Wirtschaft von 2012 bis 2016 anknüpft. Trotz prekärer Sicherheitslage war Pakistan ein Anlegerliebling. Die Börse in Karatschi stieg jahrelang, bevor sie seit Anfang 2017 massiv einbrach.
Zum Aufschwung trug vor allem bei, dass China im Zuge des Seidenstraßenprojekts viel Geld in die Infrastruktur pumpte. Da es großes Interesse daran hat, dass die Investitionen sich rechnen, wird es Pakistan wohl treu bleiben. "Die enormen chinesischen Milliardeninvestitionen werden sich mittelfristig weiter positiv auf Pakistans Ökonomie auswirken", ist sich Gerhard Heinrich, Schwellenländerprofi beim Researchhaus Emerging Markets Trader, sicher. Wegen der geopolitischen Relevanz werden auch die USA, wichtigster Verbündeter Pakistans, im Ernstfall die stark gekürzten Geldspritzen wieder anheben.
Wahrscheinlicher ist, dass es Kredite vom IWF gibt. Die harten Auflagen könnten Börse und Wirtschaft kurzfristig belasten. Greifen die Maßnahmen dann aber, wie etwa ein professionellerer Steuereinzug und weniger Stromausfälle, dürften Aktien wieder steigen. Risikobereite Anleger mit mittelfristigem Horizont können sich mit kleinen Summen engagieren. Sie sollten Volatilität aushalten können.
Investor-Info
XTrackers MSCI Pakistan
Nichts für Weicheier
Nach 15 Monaten Baisse mit 39 Prozent Verlust hat die Börse in Karatschi nach dem Wahlsieg von Imran Khan eine Hoffnungsrally gestartet und ist zuletzt um elf Prozent geklettert. Ob diese kurzfristig noch anhält, ist wegen der Zahlungsprobleme fraglich. Die Bewertung des MSCI-Pakistan-Index ist nach dem Kursverfall günstig. Das KGV der aktuell enthaltenen 27 Titel für 2019 liegt bei gut neun, die Dividendenrendite bei 6,5 Prozent. Finanz- und Energiewerte sowie Werkstoff-, Rohstoff- und Baufirmen dominieren mit 80 Prozent Anteil. Mit dem ETF von XTrackers setzen spekulativ eingestellte Anleger mit mittelfristigem Anlagehorizont auf den Index.
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