Starker Schweizer Franken: SNB denkt wohl über neuen Mindestkurs nach
Der Euro verliert gegenüber dem Schweizer Franken immer mehr an Wert. Für eidgenössische Firmen ist das ein großes Problem. Nun gibt es Gerüchte, die Schweizerische Nationalbank (SNB) denke wieder über eine Kopplung des Franken an den Euro nach.
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Ein "geheimes" Papier aus Schweizer Regierungskreisen soll diese Gedankenspiele belegen. Es war vor einigen Tagen der Nachrichtenagentur Reuters zugespielt worden. Darin heißt es, dass die Mitglieder des Bundesrats - so wird die Bundesregierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft genannt - einen neuen Mindestkurs anregten. Hat die SNB die Turbulenzen unterschätzt, die durch die Franken-Freigabe, also die Entkopplung der Schweizer Währung vom Euro, an den Finanzmärkten ausgelöst wurden?
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Euro-Franken-Entkopplung löst Börsenlawine aus
Ein Blick zurück: Mit einem Paukenschlag hob die Schweizerische Nationalbank Mitte Januar die Kopplung des Franken an die europäische Gemeinschaftswährung auf. Die Maßnahme kam völlig überraschend, traf die Märkte tief ins Mark und löste einige Turbulenzen aus - der Schweizer Franken legte kräftig an Wert zu und die Indizes an den europäischen Börsen brachen teilweise drastisch ein: Unter anderem verlor der deutsche Leitindex DAX auf einen Schlag drei Prozent, das österreichische Börsenbarometer ATX knickte ähnlich deutlich ein und in der Schweiz rutschte der Leitindex SMI zeitweise gar um über zwölf Prozent ab. Der Schweizer Franken wertete innerhalb weniger Minuten heftig auf - gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung zeitweilig um über 30 Prozent.
Was genau war passiert? Warum hatten die Eidgenossen die Kopplung des Schweizer Franken an den Euro aufgehoben? Alles nahm seinen Anfang im Jahr 2011: Damals hatte die Schweizerische Notenbank beschlossen, dass das Kursverhältnis von Euro und Franken immer in einer gewissen Bandbreite bleiben soll. Für einen Euro sollte es immer mindestens 1,20 Schweizer Franken geben. Die Notenbank wollte so die Schweizer Exportwirtschaft vor einem allzu starken Franken schützen. Über verschiedene geldpolitische Maßnahmen hielt die SNB seitdem den Wert des Franken im Verhältnis zum Euro stabil.
Doch das ist nun Geschichte. Die SNB hob Mitte Januar die Kopplung auf, weil die Maßnahmen, mit denen der Mindestkurs aufrecht erhalten worden war, für die SNB immer teurer wurden - schließlich sorgt die Europäische Zentralbank mit ihrer Billiggeldpolitik derzeit dafür, dass der Euro immer weiter abgewertet wird. Für die SNB war der Mindestkurs zu einem Fass ohne Boden und zum unkalkulierbaren Risiko geworden.
SNB-Maßnahme schadet Schweizer Industrie
Der exportorientierten Schweizer Wirtschaft schadet die Franken-Freigabe der SNB erheblich. Durch den starken Franken werden Schweizer Produkte außerhalb der Schweiz deutlich teurer. Nach Schätzungen der Großbank UBS könnten die negativen Folgen für die Exportwirtschaft annähernd fünf Milliarden Franken betragen. Die Geschäftslage im Februar hat sich inzwischen in allen Wirtschaftsbereichen der Schweiz deutlich verschlechtert. Das geht aus Umfragen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich hervor.
Da der Euro derzeit weiter an Wert verliert - er rutschte vergangene Woche auf ein Zwölfjahrestief -, soll die SNB jetzt angeblich einen neuen Mindestkurs einführen. Das zumindest fordern Spitzenpolitiker der Schweizer Regierung. "Bundesräte regen neuen Mindestkurs an", hatte die Schweizer "Handelszeitung" Mitte der vergangenen Woche in einer Vorabmeldung geschrieben. In einem internen Regierungspapier würden unter anderem Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann laut über die Einführung eines neuen Mindestkurses nachdenken. Er sei die beste Möglichkeit, der Schweizer Wirtschaft zu helfen.
Laut "NZZ" heißt es in dem "geheimen" Papier weiter, dass sich die Schweizer Regierung mit möglichen Antworten auf die Franken-Stärke beschäftige. Niemand in der Regierung glaube allerdings ernsthaft, dass die Notenbank eine erneute Franken-Anbindung vollziehen werde. Schließlich würde die Glaubwürdigkeit der Schweizerischen Nationalbank weiter leiden, wenn sie nun den Rückzug vom Rückzug macht. Außerdem obliegt die Entscheidung über eine erneute Kopplung des Schweizer Franken an den Euro gemäß Artikel 99 der Schweizer Verfassung sowieso ausschließlich der Notenbank.
Schweizerische Notenbank will wohl Negativzins erhöhen
Die Forderungen in diesem internen Papier sollten ursprünglich nicht den Weg in die Öffentlichkeit finden. Bekannt ist allerdings, dass das Schweizer Wirtschafts- und Finanzministerium einen "intensiveren Informationsaustausch mit der SNB" wünscht. Schließlich wurden auch die Spitzen des Schweizer Staates von der abrupten Franken-Freigabe der Notenbank unangenehm überrascht.
Konkret scheint ebenfalls, dass die SNB angesichts der Franken-Stärke höhere Negativzinsen in Betracht zieht. "Schweiz am Sonntag" berichtete unter Berufung auf das Umfeld der Notenbank, dass der Negativ-Zinssatz auf minus 1,5 Prozent verdoppelt werden soll. Im Januar war dieser bereits auf ein Minus von 0,75 Prozent gesteigert worden. Diesen Zins müssen Banken für hohe Einlagen bei der SNB zahlen.
Euro-Beitritt als Alternative?
Noch weiter geht ein Schweizer Ex-Banker: Marco Curti, der unter anderem viele Jahre Anlagechef der Züricher Kantonalbank (ZKB) war, will den Franken abschaffen. Er fordert, die Eidgenossen sollten der Europäischen Union beitreten und in Zukunft auch den Euro einführen. So könne die Wirtschaft des Landes weiter angekurbelt werden. "Es wäre an der Zeit, bei der Suche nach einer zukunftsgerichteten Strategie auch das 'Undenkbare' zu denken, den EU- und den Euro-Beitritt", schreibt er in seinem Positionspapier "Der wirtschaftliche Alleingang der Schweiz in der Sackgasse".
Dass die Schweizerische Nationalbank den Franken abschaffen wird, liegt derzeit wohl nicht im Bereich des Möglichen. Ob sie aber darüber nachdenkt, die Schweizer Landeswährung erneut an den Euro zu koppeln, könnte am kommenden Donnerstag Thema sein. Dann gibt die SNB ihre erste geldpolitische Lagebeurteilung des Jahres ab.
Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.net
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