USA und China: Junkie und Dealer
Die gegenseitige Abhängigkeit von China und den USA stützt den Dollar. So erhöhte China in den vergangenen Jahren massiv seine Devisenreserven.
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von Jörg Billina, €uro am Sonntag
Reggae-Sänger Peter Tosh veröffentlichte 1979 den Song „The Day the Dollar Die“. Ohne Greenback, sang Tosh, werde alles besser. Es gebe weder Korruption noch Inflation, und alle Menschen würden sich respektieren.
Bislang ist der von Tosh herbeigesehnte Tod des Dollars aber nicht eingetreten. Er ist immer noch Leitwährung der Welt. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
Das Vertrauen in die Stabilität des Dollars und in die Zahlungsfähigkeit der USA schwinden. Nach der Herabstufung der US-Bonität durch die Ratingagentur S & P sind die Gläubiger nervös, allen voran das Reich der Mitte. China habe jedes Recht zu verlangen, dass die USA ihre strukturellen Defizitprobleme endlich lösten, merkte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua vor Kurzem bissig an. Die Tage, an denen sich die US-Regierung einfach mehr Geld leihen könne, seien vorbei. Das Land, so Xinhua, müsse sich selbst von seiner „Schuldensucht“ heilen.
In Washington musste man dies als Drohung verstehen. China hat bislang den US-Konsum auf Pump finanziert. Das Land hält US-Staatsanleihen in Höhe von umgerechnet 1,7 Billionen Euro, das sind in etwa acht Prozent der Gesamtschulden der USA. Bricht die Unterstützung Chinas weg, müssten sich die schuldensüchtigen USA neue Geldgeber suchen. Mit einem sich weiter verschlechternden Rating wird dies aber schwieriger.
Andere Gläubiger dürften höhere Konditionen fordern. Die Alternative heißt: Entzug, also Sparen. Das aber würde die US-Arbeitslosenrate, die schon neun Prozent erreicht hat, weiter in die Höhe treiben. US-Vizepräsident Joe Biden versuchte daher vergangene Woche, die Machthaber in Peking zu beruhigen. „Sie müssen sich keine Sorgen machen“, versicherte er bei seinem jüngsten Staatsbesuch. Die USA seien immer noch der weltbeste Investitionsstandort. Und man wolle alles tun, dass dies so bleibe. Offiziell gaben sich Chinas Regenten mit der Zusicherung Bidens zufrieden. Tatsächlich aber traut man Washington nicht zu, den Schuldenberg – 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nachhaltig abzubauen.
Peking weiß: Die Schuldenquote der USA wird weiter steigen. Auch wenn sich Demokraten und Republikaner im Zuge der jüngsten Anhebung der Schuldenobergrenze gleichzeitig auf Haushaltskürzungen in Höhe von mehr als 2,4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren geeinigt haben. Allenfalls das Tempo des Verschuldungsanstiegs dürfte sinken. Denn die zur echten Etatsanierung notwendigen Steuererhöhungen und Ausgabenreduzierungen sind bislang nicht in Sicht.
Doch ebenso wie die USA von China abhängen, braucht das Reich der Mitte auch die Staaten. Sie sind der Haupthandelspartner Chinas, 21 Prozent der Exporte gehen in die USA. Die Nachfrage darf nicht abreißen, denn dann bekommt auch China Probleme. Deshalb hat Peking ja so viele US-Staatsanleihen in der Vergangenheit gekauft und alles getan, um den Wechselkurs zwischen Yuan und Dollar stabil zu halten.
Nun aber steht Peking vor einem Problem: Der Dollar droht bei weiteren Ratingherabstufungen an Wert zu verlieren. Chinesische Waren für US-Bürger würden sich dann aber verteuern. Um den Greenback dennoch stabil zu halten, müsste die chinesische Nationalbank noch mehr Staatsanleihen kaufen. Sie riskiert damit aber einen Anstieg der Inflation im Inland. Die Abhängigkeit von den USA wird in Peking zunehmend kritisch gesehen. Doch die Umschichtung der Devisenreserven weg vom Dollar hin zum Euro ist angesichts der Schuldenkrise in der Währungszone aktuell keine überzeugende Alternative. Das Junkie-Dealer-Verhältnis zwischen den USA und China bleibt daher bis auf Weiteres bestehen. Der „Tag, an dem der Dollar stirbt“, wird so schnell nicht kommen.