Comeback: Schwellenländer zeigen wieder Flagge
Emerging Markets: Investoren kehren vorsichtig in die Schwellenländerwährungen und -bonds zurück. Warum trotz aller Risiken jetzt wieder die Chancen überwiegen.
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von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Alle Brasilianer werden bei der Fußball-WM ihrem Team die Daumen drücken. Eine aber ganz besonders - Dilma Rousseff, die Präsidentin des Landes. Ihre Wiederwahl im September würde es erleichtern, gewänne die Seleção den Titel. Denn bekanntermaßen strahlt der Erfolg einer Nationalmannschaft positiv auf den amtierenden Regierungschef aus.
Andernfalls könnte es knapp werden für Rousseff. Umfragen sagen ihr nur noch einen dünnen Vorsprung vor der Konkurrenz voraus. Viele Brasilianer sind unzufrieden mit ihrer Amtsführung. Das zeigten auch die Proteste im Vorjahr. Nach jahrelangem Boom ist der Wirtschaftsmotor ins Stocken geraten.
Mit dieser Gemengelage ist das Land am Zuckerhut aber nicht allein. Auch andere Emerging Markets wie Indien oder die Türkei, die vor Kurzem noch als neue Wirtschaftswunderländer gefeiert wurden, haben mit Problemen zu kämpfen. Dazu zählen abflauendes Wachstum, hohe Inflation, Aufruhr in der Bevölkerung, hohe Leistungsbilanzdefizite und Verfall der Währungen.
Zum Vorschein brachte diese Probleme die Flucht ausländischer Anleger, die durch die Fed ausgelöst wurde. Schon im Mai 2013 machte diese erste Andeutungen, dass sie ihr Anleihekaufprogramm, im Fachjargon Tapering genannt, zurückfahren werde. Das sorgte für ansteigende Zinsen in den USA und machte US-Anleihen wieder attraktiver.
Erster Schock im Sommer
Das löste den ersten Schock in den Emerging Markets aus. Im Sommer 2013 stürzten Aktien und Währungen vieler Schwellenländer ab. Im letzten Quartal 2014 erholten sie sich zwar wieder, doch die erneute Tapering-Diskussion Anfang 2014 zusammen mit Wachstumssorgen in China und hohen Leistungsbilanzdefiziten in einigen Schwellenländern sowie der Krise in der Ukraine stürzten Aktien und Devisen der Emerging Markets erneut in Turbulenzen. Anleger brachten ihr Geld lieber zurück ins sichere Amerika und Europa.
Der Kapitalschwund 2014 ist enorm. 50 Milliarden US-Dollar wurden bereits aus Aktien und Anleihen der Schwellenländer abgezogen, 2013 waren es auch schon 27 Milliarden gewesen. Das zeigen Zahlen von EPFR Global, die Geldströme von Publikumsfonds und ETFs in Emerging Markets messen. Aus Schwellenländerbonds floss von Oktober bis März 22 Wochen hintereinander Kapital ab. Selbst in der Finanzkrise 2008 geschah das nur 14 Wochen in Folge. Die Abflüsse waren mit fast 40 Milliarden Dollar fast doppelt so hoch wie 2008.
In einer Langzeitstudie stellte die Société Générale fest, dass ein massiver Abfluss aus Schwellenländerbonds immer einen guten Einstiegszeitpunkt in diese markierte, da sich deren Kurse in den zwölf Monaten danach wieder kräftig erholten.
Unterschiede zu früheren Krisen
Das könnte auch jetzt der Fall sein. Trotz aller Risiken ist die Lage besser, als sie scheint. Die Devisenreserven sind hoch, die Staatsverschuldung niedrig. Die Währungen der meisten Schwellenländer sind flexibel und nicht mehr an den Dollar gekoppelt wie in früheren Krisen, etwa bei der Asienkrise 1997.
Zudem bekämpfen viele Staaten mit Erfolg die hohen Leistungsbilanzdefizite. Allen voran Indien, wo das Defizit auf ein Vierjahrestief von 0,9 Prozent gesenkt wurde. Das gelang durch die Eindämmung von Goldimporten, die einen hohen Anteil der Einfuhren ausmachen. Zudem unterstützt die schwache Landesdevise Rupie die Exporte. "Der Rückgang des Leistungsbilanzdefizits in einer Zeit, in der die außenwirtschaftliche Verwundbarkeit eine der Hauptsorgen der Schwellenländer ist, zeigt die externe Beständigkeit Indiens", lobt Ajay Argal, Manager des Baring India Fonds.
Auch die Inflation konnte auf das Zweijahrestief von 8,1 Prozent gesenkt werden. Hoffnung verbreitet, dass bei den Wahlen der wirtschaftsfreundliche Narendra Modi Favorit ist. Ausländische Anleger vertrauen darauf, dass er für Reformen steht. Die Rupie hat seit dem Tief im August schon wieder kräftig zugelegt.
Erholt hat sich auch die Türkische Lira. Der Wahlsieg von Ministerpräsident Recep Erdoğan sorgte vorerst für politische Klarheit. In türkische Bonds floss daher wieder ausländisches Geld. Für 2015 wird nach einem Dämpfer 2014 mit 3,5 Prozent Wachstum gerechnet. Es bleiben aber hohe Risiken. Das Land ist politisch gespalten. Dennoch hat es wegen seiner Stellung zwischen Europa und Asien sowie der jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung gute Perspektiven. Da die Lira sehr volatil ist, sollten sich nur risikobereite Anleger, die den Markt genau beobachten, in Lira-Anleihen engagieren. "Das Timing ist bei Türkische-Lira-Bonds sehr wichtig", sagt Torsten Hähn, Schwellenländerprofi bei der WGZ Bank. Als Puffer gegen Währungsschwankungen wirken hohe Zinsen.
Das ist bei brasilianischen Real-Anleihen ähnlich. Mehrere Zinsanhebungen trieben den Leitzins auf elf Prozent. Jedoch scheint der Erhöhungszyklus nun abgeschlossen.
Auch wegen der hohen Zinsen, die über mehrere Jahre angesammelt als Risikopuffer vor einer weiteren Real-Abwertung schützen, sollten Bondanleger in Brasilien eher einen langfristigen Ansatz verfolgen. Denn ob nun Rousseff oder ein Konkurrent die Wahl gewinnt, es müssen Reformen angepackt werden.
Bei Infrastruktur, Bildung und der geringen Investitionsquote (nur 18 Prozent des BIP) besteht Handlungsbedarf. Das dürfte mittelfristig den Real stärken, der seit August 2013 stark unter Druck war, sich zuletzt aber wieder erholte.
Trotz schwacher Wirtschaft, hoher Inflation und wachsendem Haushaltsdefizit von derzeit 3,3 Prozent weist Brasilien für Anleihekäufer viel Sicherheit auf. Die Auslandsverschuldung ist gering, die Devisenreserven sind mit 377 Milliarden Dollar hoch. Auch das Leistungsbilanzdefizit von drei Prozent des BIP ist durch ausländische Direktinvestitionen gedeckt. Zudem hat das Land viele Rohstoffe. Die Ratingagentur Moody’s kommt zum Fazit: "Brasilien besitzt eine starke Widerstandsfähigkeit bezüglich externer Schocks." Dass Rousseff auch diese Resistenz zeigt, falls die Seleção früh ausscheidet, ist aber fraglich.
Investor-Info
ISI Emerging M. Loc. Currency
Auf viele Währungen streuen
Mit dem globalen Lokalwährungsanleihefonds der dänischen Schwellenländerprofis von Sydinvest International streuen Anleger auf Emerging-Markets-Devisen. Zu 88 Prozent setzt der Fonds auf Staatsbonds. Den Schwerpunkt bilden Real, Mexikanischer Peso, Indonesische Rupiah und Türkische Lira. Die Durchschnittsverzinsung ist derzeit 7,6 Prozent.
Indische-Rupie-Zinszertifikat
Auf das Comeback setzen
Seit dem Tief im September 2013 hat die Indische Rupie um gut fünf Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet. Vom Niveau vom Mai 2013 ist sie aber noch fast 15 Prozent entfernt. Das eröffnet Anlegern mit dem Indische-Rupie-Zinszertifikat der Commerzbank Kurschancen. Käufer erhalten zudem den indischen Einmonatszins von derzeit 7,85 Prozent.
Brasilianische-Real-Anleihe
Wieder im Kommen
Hohe Zinsen offeriert der bis Ende 2017 laufende Real-Bonds der Europäischen Investmentbank mit einem Kupon von 10,50 Prozent. Der Brasilianische Real hat seit dem 14. März 2014 von 3,27 auf 3,03 je Euro aufgewertet. Im Mai 2013 stand er noch bei 2,60 Euro. Der hohe Kupon ist ein Schutz, falls die Währung erneut einen Schwächeanfall erleiden sollte. Mindestanlagesumme sind 5.000 Real.
Türkische-Lira-Anleihe
Nur für hartgesottene Anleger
Die Türkische-Lira-Anleihe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) läuft bis Mai 2017. Der Kupon ist 9,25 Prozent. Die KfW ist von S & P mit der Bestnote "AAA" bewertet. Trotz der beim Kurs von 98,39 Prozent hohen Rendite von 9,91 Prozent ist das Währungsrisiko hoch. Die Lira ist sehr volatil. Anleger sollten die Lira-Entwicklung genau beobachten.