Hier stimmt was nicht! MS Deutschland in Seenot
Der Anleiheschuldner MS Deutschland fordert von den Gläubigern Entgegenkommen. Zinsen stunden und Kündigungsrechte aufheben - das ist der Plan.
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von Jörg Lang, Euro am Sonntag
Und das sind auch die nächsten Schritte, die die Gläubigerversammlung im November beschließen soll. Bevor wir auf den Fall eingehen, vielleicht vorab einige grundlegende Gedanken. Wer eine Immobilie nicht mehr finanzieren kann, geht zu seiner Bank und versucht, neu zu verhandeln. Sind in einen Kredit sehr viele Banken involviert, kann selbst die kleinste eine Umschuldung verhindern. Wird diese Bank dann nicht von anderen Instituten herausgekauft, fallen die Sicherheiten den Gläubigern zu. Diese werden von ihnen dann verwertet.
Bleibt nach der Tilgung etwas übrig, geht das an den Schuldner. Dieses Muster gilt für jedes Schuldverhältnis in unserem Land. Mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz von 2009 sind Anleihen, die nach deutschem Recht begeben wurden, jedoch ausgenommen. Hier können die Bedingungen recht einfach geändert werden. Was es dazu braucht, ist die Gläubigerversammlung. Die ist im ersten Anlauf beschlussfähig, wenn 50 Prozent des Anleihekapitals vertreten ist und mehr als 75 Prozent davon den Änderungen zustimmen. Ist diese Versammlung nicht beschlussfähig, sinkt die Mindestpräsenz im zweiten Anlauf auf 25 Prozent. Nun reichen 18,75 Prozent des Kapitals (75 Prozent von 25) für Änderungen. Da sind Tricksereien Tür und Tor geöffnet.
Für Inhaber von Mittelstandsanleihen heißt das: Sie sind, ohne es zu wissen und zu wollen, Eigenkapitalgeber- ohne das Recht, die Geschäftsführung zu bestimmen. Wer das nicht will, sollte die Papiere verkaufen. Das gilt letztlich auch für alle, die noch in der Gewinnzone notieren.
Zurück zur MS Deutschland. Weil die erste Gläubigerversammlung im Oktober nicht beschlussfähig war, erfolgt am 11. November der zweite Anlauf mit der oben beschriebenen reduzierten Mindestpräsenz für die Beschlussfähigkeit. Es soll ein gesetzlicher Vertreter gewählt werden. Ein gesetzlicher Vertreter spricht im Namen aller Gläubiger, obwohl er nur von einem Bruchteil von ihnen gewählt wurde. Er kann die Anleihebedingungen neu aushandeln. Sicher wird es zu einer Zinsstundung kommen. Für wie lange? Davon ist nichts zu lesen.
Und warum werden die Zinsen für 2014 nicht aus dem Darlehen bedient, das der ehemalige Eigentümer Aurelius der Gesellschaft einzig zu diesem Zweck gewährt hat? Auch das Kündigungsrecht, das im Prospekt der Anleihe enthalten ist, soll aufgehoben werden. Das liegt wohl daran, dass der Wert des Schiffs die im Prospekt geforderte Mindestgröße unterschritten hat. Die Gläubiger müssen nun befürchten, dass später auch die Grundbesicherung der Anleihe durch das Schiff selbst aufgeweicht wird. Laut Prospekt ist das sehr wohl möglich. So gesehen wäre eigentlich der Verkauf des Schiffs für die Gläubiger die beste Variante, um einen Teil der Verluste in Höhe von mehr als 70 Prozent der Zeichnungssumme auszugleichen.
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