Portugal: Sorge um den Musterschüler
18.11.15 17:30 Uhr
Die linke Opposition hat die wirtschaftsfreundliche Regierung gestürzt. Das treibt die Renditen von Staatsanleihen des Landes nach oben.
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von Alexander Sturm, Euro am Sonntag
Der Musterschüler wankt: Bisher galt Portugal als vorbildliches Eurokrisenland, dem dank Reformen und eisernem Sparen die Wende gelingt. Die Arbeitslosigkeit sank jüngst, die Wirtschaft wuchs. Den Eurorettungsschirm verließ Portugal im vergangenen Jahr.
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Doch der Musterschüler erlitt einen Rückschlag. Ein Bündnis aus Sozialisten und Kommunisten hat die Regierung von Ministerpräsident Pedro Coelho gestürzt. Im Parlament lehnte es dessen Regierungsprogramm ab. Coelho hatte die Wahlen im Oktober gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt. Er war auf Stimmen der linken Opposition angewiesen, nun stellte sie sich quer. Aktien in Lissabon fielen, die Renditen portugiesischer Staatsanleihen stiegen.
Präsident Aníbal Cavaco Silva hat nun folgende Optionen: Er kann die Sozialisten mit einer Regierung beauftragen. Sie könnte von den Kommunisten toleriert werden. Die streben eine Zusammenarbeit, aber keine Koalition an. "Das Linksbündnis muss Silva überzeugen, dass die neue Regierung ebenso stabil wie politisch verlässlich ist", schreibt die DZ Bank. Oder Silva könnte Coelho zum Chef einer - wohl wenig handlungsfähigen - Übergangsregierung berufen, bis frühestens im April Neuwahlen stattfinden könnten.
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Der Umsturz weckt Sorgen um einen Abschied vom Reformkurs. So will die Opposition den Mindestlohn anheben, Privatisierungen stoppen und Rentenkürzungen rückgängig machen. Einige vergleichen Portugal mit Griechenland. Auch dort kamen Linke an die Macht und drehten Reformen zurück.
Doch Portugal ist in weit besserer Verfassung. So gelang es, die Neuverschuldung zu drücken. Das Haushaltsdefizit wird 2015 mit gut drei Prozent die EU-Vorgabe nur knapp verfehlen. Während die Arbeitslosigkeit in Portugal jüngst auf zwölf Prozent fiel, liegt sie in Hellas bei 25 Prozent. Bei der Sanierung ist Portugal viel weiter, auch wenn die Staatsverschuldung mit 130 Prozent des BIP hoch ist.
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Zudem ist eine Abkehr von Coelhos Sanierungskurs längst nicht ausgemacht. So bekennen sich die Sozialisten zu Europa und zur Haushaltskonsolidierung. Eine Reichensteuer soll Einnahmeausfälle ausgleichen. Analysten der Citigroup rechnen eher mit einer "maßvollen Lockerung" des Sparkurses.
Auch die Märkte differenzieren. Während die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen beim Regierungswechsel im Januar hochschossen, hält sich der Aufschlag für Portugal-Bonds in Grenzen. So ist das Risiko einer Pleite überschaubar. Mutige Anleger können zu einer Staatsanleihe bis 2022 greifen, sollten aber auf die Bonitätsnote Portugals achten. Das Land wird von allen großen US-Agenturen bewertet, die kanadische Agentur DBRS ist aber die einzige, die Portugal als solide Anlage einstuft. Diese Bewertung ist Bedingung für die Europäische Zentralbank, Portugal-Bonds zu kaufen. Sollte DBRS in diesen Tagen Portugal auf "Ramsch" abstufen, würden die Finanzierungskosten für das Land stark steigen. Eine Abstufung ist aber unwahrscheinlich. Bei Redaktionsschluss lag keine Entscheidung von DBRS vor.
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