Großbritannien: Feuern aus allen Rohren
10.08.16 17:30 Uhr
Zinssenkung und Anleihekäufe - die Bank of England stemmt sich mit aller Macht gegen einen drohenden Konjunktureinbruch.
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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Geliefert wie erwartet - und doch noch eine Überraschung in petto. Die britische Notenbank hat am Donnerstag erstmals seit 2009 ihren Leitzins gesenkt. Der Schlüsselsatz fiel auf das Rekordtief von 0,25 Prozent von zuvor 0,5 Prozent. Damit reagierten die Währungshüter auf die deutlich verschlechterten wirtschaftlichen Aussichten als Folge des Brexit-Entscheids.
Mit einer Zinssenkung um einen Viertel Prozentpunkt war allgemein gerechnet worden (siehe auch €uro am Sonntag 31/16). Doch was Notenbankchef Mark Carney zusätzlich aus dem Hut zauberte, übertraf die Erwartungen der Märkte. Denn die Bank of England kündigte an, auch ihr Wertpapieraufkaufprogramm um 60 Milliarden Pfund aufzustocken. Das bisherige Volumen von 375 Milliarden Pfund hatte sie bereits ausgeschöpft. Zusätzlich will sie in den kommenden 18 Monaten nun auch für zehn Milliarden Pfund Unternehmensanleihen kaufen. Eine Maßnahme, zu der auch schon die Europäische Zentralbank (EZB) gegriffen hat.
Die Reaktion der Finanzmärkte ließ nicht lange auf sich warten: Nach Bekanntwerden der Entscheidung verlor das Britische Pfund gegenüber dem US-Dollar 1,5 Prozent und gegenüber dem Euro ein Prozent. Zugleich machten die Aktienmärkte einen Sprung nach oben: Sowohl der britische Leitindex FTSE 100 als auch der Deutsche Aktienindex weiteten ihre Gewinne aus. Eine Zinssenkung allein hätte dies wohl kaum vermocht. "Der Markt hatte diesen Schritt bereits zu 100 Prozent eingepreist", sagt Anthony Doyle, Anleihespezialist bei der britischen Fondsgesellschaft M & G.
Notenbank sieht weiter Wachstum
Dass die Bank of England nun aus allen Rohren feuert und weitere mögliche Schritte andeutet, hängt mit den zuletzt stark eingebrochenen Frühindikatoren zur Unternehmens- und Verbraucherstimmung zusammen. Gleichwohl gehen die Notenbanker nicht davon aus, dass die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht. Sie rechnen nach einem starken ersten Halbjahr auch für die zweite Jahreshälfte mit einem leichten Wachstum.Ob die eingeleiteten Schritte dafür ausreichen werden, bleibt ungewiss. "Zinssenkungen und Anleihekäufe gleichen in Großbritannien dem Spiel mit dem Feuer", sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Denn die Inselökonomie sehe sich mit einem hohen Leistungsbilanzdefizit von fünf Prozent des BIP konfrontiert. Großbritannien sei auf einen stetigen Kapitalzufluss angewiesen. "Je niedriger das Zinsniveau und umso uninteressanter eine Kapitalanlage ist, desto schwieriger wird es, die Löcher zu stopfen", so Gitzel.
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