Brasilien: Schwieriger Weg voraus

Die Verunsicherung vor den Präsidentschaftswahlen ist hoch. Vor allem ein Problem beunruhigt die Märkte: der wachsende Schuldenberg.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Keine Woche hat es gedauert, dann steckte Brasilien in der größten Versorgungskrise seiner Geschichte: Landesweit hatten Lastwagenfahrer Ende Mai zu streiken begonnen, um gegen die hohen Dieselpreise des halbstaatlichen Konzerns Petrobas zu demonstrieren. Der Protest zeigte rasch Erfolg: Tankstellen und Flughäfen saßen auf dem Trockenen, Geschäfte konnten nicht mehr beliefert werden. Staatschef Michel Temer zog die Notbremse und nahm die Erlaubnis zurück, dass Petrobas seine Kraftstoffpreise selbst bestimmen darf. Für vorerst 60 Tage wurden die Preise für Treibstoff nun eingefroren, danach sollen sie monatlich angepasst werden.
Anleger sind nervös
Die Rückkehr zur staatlich festgelegten Preispolitik sorgt an den Finanzmärkten für Nervosität: Der brasilianische Aktienindex Bovespa stürzte in den vergangenen vier Wochen um 15 Prozent ab. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen erhöhten sich von zehn auf zwischenzeitlich zwölf Prozent, und der brasilianische Real verlor rund drei Prozent gegenüber dem US-Dollar, wobei sich die Währung ohnehin seit Jahresbeginn im freien Fall befindet.
Die Turbulenzen sind vor allem Ausdruck für die Unsicherheit über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs des Landes. In dreieinhalb Monaten wird in Brasilien ein neuer Präsident gewählt. Die von der Wirtschaft traditionell favorisierten Kandidaten liberal-konservativer Parteien liegen in den Umfragen weit hinter jenen aus den extrem rechten oder linken Lagern.
Als haushoher Favorit galt lange Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Seit seiner Verurteilung wegen Korruption sitzt der linke Politiker allerdings im Gefängnis. Dass er zur Wahl zugelassen wird, gilt als unwahrscheinlich. Gute Chancen hat seitdem der stark umstrittene ultrarechte Kongressabgeordnete Jair Bolsonaro. Der amtierende Staatschef Michel Temer tritt nicht noch mal an.
Temer hatte 2016 die wegen Korruptionsvorwürfen abgesetzte Präsidentin Dilma Rousseff abgelöst und versprochen, dem Land zu wirtschaftlichem Aufschwung zu verhelfen. Tatsächlich verzeichnete er Erfolge: Die Wirtschaft begann wieder zu wachsen, die Inflation sank, und notwendige Reformen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, wurden umgesetzt. Allerdings stießen die von Temer angepackten Vorhaben in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe.
Insbesondere eine dringend notwendige Rentenreform lehnten die Brasilianer ab - für andere Präsidentschaftskandidaten ein Signal, ähnlich unpopuläre Vorhaben gar nicht erst in Erwägung zu ziehen. Für die Wirtschaft wäre das ein herber Schlag: "Das Land muss seinen Reformprozess dringend weiterführen", warnt Uday Patnaik, Experte für Schwellenländeranleihen bei der Investmentgesellschaft LGIM.
Rentenreform ist unausweichlich
Brasilien hat eines der kostspieligsten Rentensysteme der Welt. Frauen können ab 50 und Männer ab 55 in Rente gehen - zu attraktiven Konditionen. Nach Schätzung der OECD werden die Staatsausgaben allein dafür bis 2060 von aktuell zwölf auf mindestens 20 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.
"Die Reform des Rentensystems ist essenziell, um die negative Schuldendynamik zu stabilisieren", erklärt Uday Patnaik. Nachdem die Staatsverschuldung bis 2014 jahrelang relativ konstant bei etwas über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag, wächst sie seit 2015 rasant und könnte dieses Jahr auf rund 87 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern.
Zwar erholt sich die Wirtschaft langsam, der Schuldendienst dürfte in den kommenden Jahren dennoch eine der größten Herausforderungen werden. Zumal mehr als 500 Milliarden Dollar davon - rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung - Forderungen aus dem Ausland sind, die in der Regel in Dollar oder einer anderen Fremdwährung zurückgezahlt werden müssen. Der Verfall der Landeswährung Real macht auch diese Schulden zum Risiko, weil sie mit jeder weiteren Abwertung des Real teurer werden.
Anleihekurse im Rückwärtsgang
Vor dem Hintergrund der anziehenden Verschuldung und der drohenden Unwilligkeit der kommenden Regierung, dringend nötige Reformen durchzuführen, verwundert der Kursverfall am Anleihemarkt der vergangenen Wochen wenig. Ein Einstieg in den Markt ist angesichts der Unsicherheit derzeit kaum zu empfehlen. Inhaber brasilianischer Anleihen sollten einen Verkauf ihrer Papiere in Erwägung ziehen.
Vor allem länger laufende Bonds, die von einer Verschärfung des Schuldenproblems in den nächsten Jahren wahrscheinlich eher betroffen wären, kämen dafür infrage. Zumal die für deutsche Anleger erhältlichen Papiere deutlich über ihrem Ausgabepreis notieren, sodass eventuell Gewinnmitnahmen möglich sind. Papiere, die nur noch wenige Jahre laufen, können angesichts einer Rendite von knapp vier Prozent auch bis Fälligkeit gehalten werden, zumal wenn sie auf Dollar lauten.
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