Die türkische Lira im freien Fall
Seit dem Sommer letzten Jahres hat sich die Lage in der Türkei weiter dramatisiert.
Sind es jetzt keine sozialen Unruhen mehr, erschüttert nun ein weitläufiger Korruptionsskandal die türkische Regierung. Es mussten bereits mehrere Minister gehen. Doch statt Transparenz versucht die Regierung Erdogan, massiv gegen die nachforschenden Teile in der Polizei und Justiz vorzugehen. Es wurden bereits Hunderte von Polizei-Offizieren entlassen oder versetzt bzw. Staatsanwälte kalt gestellt.
Das hinterlässt alles seine Spuren im Ansehen der Türkei als Anlageziel. Die Folge: Seit Monaten zieht sich ausländisches Kapital zurück. Das bekommt in erster Linie die Lira selbst zu spüren. Sie taumelt derzeit von einem Rekordtief zum nächsten. Gegenüber dem Euro liegt sie inzwischen über der Marke von 3 Lira je Euro, ein absolutes Allzeit-Tief. Das hat Folgen für die türkischen Unternehmen, deren Auslandsschulden sich immer weiter aufblähen. Aber auch die Inflation dürfte rasant ansteigen und die Binnenwirtschaft schädigen.
Umso unverständlicher ist es, dass die Notenbank auf ihrer letzten Sitzung vor ein paar Tagen keine Zinserhöhung beschlossen hat. Diese hätte zwar negative Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft und damit auf die Finanzierung der Unternehmen. Doch in erster Linie sollte es jetzt wichtig sein, den Fall der Lira ins Bodenlose aufzuhalten. Interventionen wie am heutigen Tage können das bislang nicht aufhalten.
Ganz klar: Die aktuelle Krise ist eine Vertrauenskrise. Wenn die regierende AKP statt mit Aufklärung mit Repression auf die Korruptionsvorwürfe reagiert, zerstört sie das Vertrauen des Marktes. Wie hier eine Trendumkehr geschafft werden kann, ist vollkommen unklar. Eine Fortsetzung der Lira-Schwäche ist also vorerst anzunehmen.
Seit fast 20 Jahren befasst sich Carsten Müller publizistisch mit den verschiedenen Aspekten der internationalen Kapitalmärkte. Dabei hat er als freier Journalist für einige der bekanntesten Börsenbriefverlage (u.a. Bernecker & Cie., Fuchsbriefe) geschrieben. Aktuell ist er als Herausgeber der Alphabriefe (www.alphabriefe.de) tätig. Hierbei liegen die Schwerpunkte auf Anleihen und Nebenwerten. Dabei stehen bei ihm in der jeweiligen Analyse fundamentale Aspekte im Vordergrund. Regional legt er besonderen Schwerpunkt auf die drei deutschsprachigen Märkte Deutschland, Österreich und die Schweiz.
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