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Strukturelle und fiskalische Maßnahmen – Spanien

26.10.12 10:21 Uhr

Strukturelle und fiskalische Maßnahmen – Spanien | finanzen.net

Die EU-Schuldenkrise schwelt seit einiger Zeit. Immer stärkerefiskalische Einschnitte scheinen nötig, um die Haushaltslagestabil zu halten.

Ganz übersehen werden jedoch die bereits unternommenen fiskalischen Maßnahmen und strukturellen Reformen – vor allem vor dem Hintergrund des anstehenden Refinanzierungsbedarfs der Länder der EU-Peripherie in den nächsten beiden Jahren. Wir setzen die Übersicht über die Maßnahmen in der EU-Peripherie mit Spanien fort.

Die spanische Regierung hat bereits umfangreiche Reformen und Maßnahmen auf den Weg gebracht und ihre Bemühungen zuletzt noch weiter verstärkt. Bereits im Juli 2012 verkündete sie ein Maßnahmenpaket von Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zur Krisenbekämpfung: Mit über 60 Mrd. EUR (~ 6 % des BIP) bis Ende 2014 sollen die erneut nach oben korrigierten Defizitziele unter 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gebracht werden. Im Detail handelt es sich um:

• Steuererhöhungen in Höhe von circa 22 Mrd. EUR ( u. a. Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte auf 21 % bzw. Erhöhung der ermäßigten Mehrwertsteuer von 8 % auf 10 % – bereits im September 2012 eingeführt) sowie 7,5 Mrd. EUR aus Unternehmenssteuern.

• Einführung einer Benzinsteuer, die 2,3 Mrd. EUR erlösen soll.

• Neben Ausgabenkürzungen für Arbeitslosenhilfe und Pflegeversicherung sind u. a. auch der Wegfall des Weihnachtsgeldes bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sowie ein Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst im Maßnahmenpaket inbegriffen.

• Mit längeren Ladenöffnungszeiten sollen zusätzlich die Umsätze im Einzelhandel erhöht werden, vor allem in den Touristenzentren.

• In Summe machen die fiskalischen Einschnitte rund 3,7 % des BIP für 2012 und circa 2 % für 2013 und 2014 aus.

Das Sparpaket wurde sogar von über 60 Mrd. EUR auf 100 Mrd. EUR aufgestockt. Die zusätzlichen 37 Mrd. EUR sollen dabei vor allem die spanischen Regionen beisteuern, die ihren Anteil am Staatsdefizit 2013 auf 0,7 % des spanischen BIP reduzieren müssen.

Darüber hinaus folgten weitere strukturelle Reformen, wie Spaniens Finanzminister kürzlich auf dem Eurogruppentreffen auf Zypern bzw. bei der Vorlage des Budgetplans für 2013 bekannt gab. Damit soll das avisierte Haushaltsziel von 4,5 % des BIP erreicht werden (2012: 6,3 % des BIP). Gleichzeitig würden so auch die Rahmenbedingungen für einen möglichen Hilfsantrag an den EFSF/ESM erfüllt.

Spaniens Budgetentwurf für 2013

Der Budgetentwurf für 2013 sieht Einsparungen von etwa 40 Mrd. EUR vor. 58 % davon sollen durch weitere Kürzungen bei den Staatsausgaben (u. a. Einsparungen bei den Ministerien) erreicht werden und circa 42 % durch zusätzliche Einnahmen – vor allem Steuereinnahmen in Höhe von 15 Mrd. EUR. Ein Großteil dieser Maßnahmen wurde von der spanischen Regierung bereits im zweiten Quartal bekannt gegeben.

Das Erreichen des Defizitziels scheint allerdings ambitioniert, bedingt durch die tiefgreifende Rezession in Spanien, die sich bis ins nächste Jahr ziehen dürfte. So geht die Regierung für 2013 von einer sinkenden Wirtschaftsleistung in Höhe von –0,5 % gegenüber Vorjahr aus. Die spanische Notenbank prognostiziert sogar –1,5 % gegenüber Vorjahr. Überraschend daher, dass die spanische Regierung bei ihrem Budgetvorschlag von höheren Steuereinnahmen in diesem Jahr ausgeht. Für 2013 sollen die Steuereinnahmen sogar um 3,8 % gegenüber Vorjahr ansteigen, hauptsächlich durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte seit September 2012. – Einzig die Renten sollen von den Kürzungen nicht betroffen sein. 2013 ist ein Anstieg um nominal 1 % geplant, allerdings real – nach Abzug der Inflation – sinken sie und könnten den spanischen Konsum zusätzlich belasten.

Das spanische Kabinett beschloss zudem weitere 43 Strukturreformen, allesamt in Einklang mit den Empfehlungen der Europäischen Kommission. Diese sollen bis spätestens März 2013 vom spanischen Parlament per Dekret genehmigt werden. Ihr Fokus richtet sich auf vier Bereiche:

• Beschäftigung (u. a. Effizienzsteigerung in der öffentlichen Verwaltung).

• Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen (u. a. unabhängige Finanzbehörde).

• Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds (u. a. Förderung des Unternehmertums).

• Wettbewerbsverbesserung (u. a. im Energie-, Telekommunikations- und Transportsektor).

Die Europäische Kommission regte zudem in ihrem Bericht zu Spanien vom Juli 2012 an, die Aussetzung der automatischen Anpassung von Pensionszahlungen ebenso zu diskutieren wie eine Rentenreform, in der das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 angehoben wird. Allein durch die Aussetzung der Anpassung der Pensionszahlungen könnten etwa 5 bis 6 Mrd. EUR bzw. 0,5 % des BIP eingespart werden. Weitere Handlungsbereiche könnten laut Europäischer Kommission das Steuerwesen, der Arbeitsmarkt oder die Finanzierung sogenannter kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) sein.

Die angestoßenen strukturellen Reformen und fiskalischen Maßnahmen der Regierung sind beachtlich. Doch Reformen sowie die positiven Effekte aus fiskalischen Maßnahmen brauchen Zeit, um eine Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzuführen. Eine konjunkturelle Verbesserung in naher Zukunft scheint daher fraglich.

Schaubild 1: Politische Risikoprämie Spaniens

Rendite 10-jähriger spanischer Staatsanleihen und Risikoprämie ggü. deutschen Bundesanleihen (–2 Jahre)

Wertentwicklungen der Vergangenheit erlauben keine Prognose für die Zukunft.
Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Capital Markets & Thematic Research.

Schaubild 2: Refinanzierungsvolumen Spaniens 2013 und 2014

Spanien hat für 2013 und 2014 einen Refinanzierungsbedarf von über 200 Mrd. EUR

Wertentwicklungen der Vergangenheit erlauben keine Prognose für die Zukunft.
Quelle: Bloomberg, Allianz Global Investors Capital Markets & Thematic Research.

Spaniens Refinanzierungsbedarf

Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im September 2012 angekündigt hatte, Staatsanleihen krisengeschüttelter Staaten der Eurozone unlimitiert zu kaufen, gingen u. a. auch die Refinanzierungskosten Spaniens zurück. Lagen die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen im Juni/Juli 2012 noch bei nahe 7,5 %, sanken sie im Oktober auf unter 6 % (siehe Schaubild 1).

Allerdings spürt der spanische Haushalt die anhaltend hohen Zinsen am Kapitalmarkt. Trotz der oben genannten Einsparungen scheinen die Ausgaben im Vergleich zu 2012 weiter anzusteigen. Grund: Durch die hohen Zinskosten muss der spanische Staat weitere circa 10 Mrd. EUR im Haushalt einkalkulieren.

Dennoch scheint es schwierig, dass Spanien aus eigener Kraft seinen Refinanzierungsbedarf der nächsten beiden Jahre stemmen kann. Für 2013 und 2014 sieht sich das Land einer Gesamtrefinanzierung von über 200 Mrd. EUR ausgesetzt (siehe Schaubild 2). Für das letzte Quartal 2012 besteht ein Refinanzierungsbedarf von rund 40 Mrd. EUR. Der Großteil fällt im Oktober an, wenn Anleihen (Staatsanleihen und Schatzanweisungen) im Wert von etwa 30 Mrd. EUR fällig werden. Dieser Gesamtbetrag für die beiden Jahre steht allerdings unter Vorbehalt, denn mögliche Revisionen der Haushaltsdefizite könnten den Refinanzierungsbedarf Spaniens noch erhöhen.

Spaniens Zinskosten sollten aber auch im Kontext der Ratingagenturen beobachtet werden: Denn würden die Anleiherenditen spanischer Staatsanleihen anhaltend hoch bleiben und die Regierung weiter zögern, einem formalen Hilfsprogramm zuzustimmen, könnten die Ratingagenturen ihren Daumen senken – wie es zuletzt die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) vollzogen hat. Sollten die Ratingagenturen Spanien auf „Non-Investment Grade“ herunterstufen, könnte der damit verbundene Verlust des Investment-Status nicht nur die Zinskosten weiter in die Höhe treiben, sondern auch zum Ausschluss spanischer Staatsanleihen aus gewissen internationalen Anleiheindizes führen. Das wiederum hätte zur Folge, dass Investoren ihre Positionen an spanischen Staatsanleihen abbauen müssten.

Antrag auf Hilfsprogramm via „ECCL“?

Das Zögern der spanischen Regierung, einem formalen Hilfsprogramm des Rettungsschirms ESM zuzustimmen, könnte an den zusätzlichen Auflagen liegen, die mit einem Antrag verbunden sind. Dadurch dass Spanien, wie oben beschrieben, bereits einiges an strukturellen Reformen angestoßen und teils auch umgesetzt hat, werden Stimmen bezüglich eines abgemilderten Hilfsprogramms lauter.

Wie könnte ein solches Programm aussehen? Die EZB hat auf ihrer Pressekonferenz Anfang September 2012 deutlich herausgestellt, dass ihr OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“) erst tätig wird, wenn die Konditionalität – sei es durch ein Hilfsprogramm via EFSF/ESM oder durch eine Kreditlinie „ECCL“ („Enhanced Conditions Credit Line“) – gegeben erscheint.

Für Spanien wäre eine solche Kreditlinie attraktiv, würde sie doch die bereits unternommenen Reformen honorieren und dem Land mehr Flexibilität einräumen. Und sie wäre dabei nicht, wie ein volles Hilfsprogramm via EFSF/ESM, mit strikten Auflagen verbunden. Die Kreditlinie hätte eine Laufzeit von einem Jahr, wenngleich sie maximal 2-mal um jeweils 6 Monate verlängert werden kann. Das Volumen könnte zwischen 2 % und 10 % des BIP variieren. In der Vergangenheit beantragten beispielsweise Mazedonien (6,7 % des BIP) und Marokko (6,2 % des BIP) eine „ECCL“. Nimmt man diese Länder als Vergleichsmaßstab für Spanien – also 6,5 % des BIP – könnte das einen Kreditrahmen von etwa 70 Mrd. EUR bedeuten.

Um jedoch eine solche Kreditlinie zugeteilt zu bekommen, muss vorab ein formaler Antrag an die Eurogruppe gestellt werden. Dieser wird anschließend von der Europäischen Kommission zusammen mit der EZB begutachtet und von beiden Parteien (Antragsteller und Eurogruppe) in einem „Memorandum of Understanding“ (MoU) festgehalten, ehe das OMT-Programm der EZB Anleihen am Sekundärmarkt aufkaufen kann.

Autor: Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research

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