Währungen

Verschuldete Länder: Der Euro vor der Zerreißprobe?

25.02.10 14:33 Uhr

Auch mit strengeren Regeln ist Europas Haushaltsrisiko nicht gebannt. Was das für den Euro und für Anleihen aus den Schuldenländern bedeutet.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Europas Finanzminister machen ernst. Zum ersten Mal in der elfjährigen Geschichte der europäischen Gemeinschaftswährung wird der Haushalt eines Eurolands unter Zwangsverwaltung gestellt. Künftig muss Griechenlands Regierung minutiös darlegen, wie sie die Rekordschulden, rund 300 Milliarden Euro, zügig abbauen will. „Griechenland wird Mitte März zusätzliche Maßnahmen vorschlagen müssen, um die Reduktionsziele in diesem Jahr zu erreichen“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn.

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Der Plan zum schnellen Schuldenabbau, den das Land vorlegen muss, soll zeigen, wie die hohe Neuverschuldung in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2010 um vier Prozentpunkte von 12,7 auf 8,7 Prozent gesenkt werden kann.

Die drastischen Maßnahmen sind dringend notwendig. Die Schuldenhaushalte an der Peripherie der Eurozone haben die Gemeinschaftswährung in den vergangenen Wochen in eine Vertrauenskrise gestürzt. Und am vergangenen Donnerstag baute die US-Notenbank Fed zusätzlichen Druck auf. Sie erhöhte den Diskontzins von 0,5 auf 0,75 Prozent.

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Das erhöht in den Augen internationaler Investoren die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Erhöhung des US-Leitzinses. Die Normalisierung des US-Zinsniveaus wird tendenziell dazu führen, dass Anleger Euro verkaufen, um in den Dollarraum zu wechseln. Der Euro fiel in der Nacht von Donnerstag auf Freitag von 1,354 auf 1,344 US-Dolllar. Die EU zum Handeln gezwungen haben die Käufer von griechischen Staatsanleihen – mit Rekordaufschlägen für das Risiko.

So teuer wie jetzt, vier Prozentpunkte mehr als für deutsche Bundesschatzbriefe, war frisches Geld seit dem Beitritt zur Währungsunion für Athen noch nie. „Bei der Einhaltung der fiskalischen Regeln im Euroraum hat der Markt die EU am Ruder abgelöst“, sagt Charles Diebel, Zinsstratege der Nomura Bank.

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Bestraft für die Misswirtschaft wird am Markt bisher nur Griechenland. Spanien, das ähnlich wie die Euroländer Portugal, Italien und Irland seine rasant gestiegene Neuverschuldung abbauen muss, konnte am Mittwoch neue Anleihen im Wert von zwölf Milliarden Euro mit einem Risikoaufschlag platzieren, der am untersten Ende der Erwartungen lag.

Wenn es der EU nicht gelingt, die Investoren zu überzeugen, dass man Griechenlands Schulden im Griff hat, werden sie sich Spanien und den anderen gefährdeten Euroländern zuwenden und deren Refinanzierung durch höhere Aufschläge erheblich verteuern“, warnt Mark Schofield, Co-Chefzinsstratege der Citigroup.

Trotz stark gestiegener Neuverschuldung und der höchsten Arbeitslosenquote im Euroraum, knapp 19 Prozent, ist Spaniens Gesamtverschuldung mit etwas mehr als 70 Prozent des BIP deutlich niedriger als jene Griechenlands, die bei mehr als 130 Prozent liegt. Zudem traut man Madrid bei der Durchsetzung der Reformen mehr zu als Athen. „Griechenland fehlt die Glaubwürdigkeit in seine Institutionen, und die kann nicht per Dekret bis Jahresende verordnet werden“, bringt Martin Lück, Deutschland-Volkswirt der Schweizer UBS-Bank, das Misstrauen der Investoren auf den Punkt. Solange nicht klar ist, wie die Euroländer Griechenland im Notfall finanziell helfen werden, bleibt der Risikoaufschlag für Athens Staatsanleihen hoch, glaubt Lück.

Im April und Mai muss das Land 20 Milliarden einsammeln, für 2010 sind es 53 Milliarden Euro. „Es ist nie nur Griechenland“, sagt auch Lück in Bezug auf dringend notwendige Reformen im Euroraum. Nur jetzt sei der Druck im Kessel groß genug, um die fiskalische Union voranzubringen. Für umfangreiche Hilfen sollten weitgehende Eingriffsrechte in die Haushaltspolitik der betroffenen Länder festgeschrieben werden.

Aktuell kommt das wohl zu spät. Europa werde den Großteil der Kosten für die Sanierung der Haushalte übernehmen, glaubt Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. Ein Grund für den Zwang, den betroffenen Ländern zu helfen, ist die Stabilität des Bankensystems. Deutsche Banken halten einen erheblichen Anteil der Anleihen dieser Länder (siehe oben). Vor allem bei Griechenland wird man um Hilfe nicht herumkommen. Ein Budgetdefizit von 13 Prozent ist immens, zudem ist die private Verschuldung aus dem Ruder gelaufen. Das Land werde es nicht schaffen, sich aus dem Schlamassel zu befreien, warnt der Exchefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IMF). Seit 1892 habe das Land in jedem zweiten Jahr seine Schulden nicht bedient. Als Griechenland der Währungsunion beitrat, dachte man, es habe seine Hausaufgaben gemacht, und wenn nicht, dann würden die Maastricht-Kriterien eine Situation wie die jetzige verhindern. „Jetzt wissen wir, dass Maastricht von Anfang an nicht gegriffen hat“, sagt Rogoff.

Weniger Wachstum und ein schwacher Euro werden eine sichtbare Folge der teuren Sanierung der Haushalte in den betroffenen Euroländern sein. Wenn die Staatsverschuldung 90 Prozent der Wirtschaftskraft eines Landes überschritt – wie aktuell in Italien, Portugal, Griechenland und Irland –, war das in der Vergangenheit immer eine erhebliche Bremse für Wachstum, so Rogoff (siehe auch Seite 15).

Eingefrorene Haushalte und höhere Steuern drücken die Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum. „Am deutlichsten in Griechenland“, erwartet Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer. Mit nennenswertem Abstand zu Griechenland folgten Spanien und Portgal, so Krämer.

Spanien, dessen Bruttoinlandsprodukt gut 17 Prozent der Wirtschaftskraft im Euroraum ausmacht, sitzt in der Rezession fest. Auch 2010 werde dort die Wirtschaft schrumpfen, erwartet die Firmenvereinigung Business­Europe, die 20 Millionen Unternehmen repräsentiert. In der Eurozone werde das BIP 2010 um 1,2 Prozent zulegen.

Damit werde aber nur weniger als ein Drittel des Konjunktureinbruchs von 2009 wettgemacht. Die fünf Eurostaaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien, die unter dem Kürzel PIGS zusammengefasst werden, stellen mehr als ein Drittel der Wirtschaftsleistung. Die schleppende Erholung, sagt Ökonom Krämer, werde dafür sorgen, dass die Kapazitätsauslastung im Euroraum lange Zeit niedrig und die Zahl der Arbeitslosen hoch bleiben werde.

Weil damit keine höhere Inflation drohe, werde die EZB die Erhöhung des Leitzinses bis Dezember hinausschieben. Deutschland wird mit zwei Prozent Wachstum 2010 vorankommen, angetrieben durch den anziehenden Export in Schwellenländer wie China und Indien.

Anleger können die Exportstärke der DAX-Konzerne über Zertifikate auf den DAXplusExport-Strategy-Index der Deutschen Börse nutzen. Den schwächeren Euro, der diesen Unternehmen im Exportgeschäft hilft, können Anleger über Knock-out-Papiere auf das Euro-Dollar-Verhältnis spielen. Wer Eurostaatsanleihen mit hoher Verzinsung kauft, sollte berücksichtigen, dass die Kurse der ­Papiere bei Refinanzierungssorgen deutlich fallen. Deshalb gilt: Neuemissionen kaufen und bis zur Fälligkeit halten oder erst später, bei niedrigen Kursen, einsteigen.

Deutsche Exportstärke: Zertifikat auf den DAXPLUS-Export-Index
Die Aktien von insgesamt 20 exportstarken Titeln aus DAX und MDAX bilden den DAXPLUS-Export-Index der Deutschen Börse. Darunter befinden sich der Technologiekonzern Siemens, der Bahntechnikspezialist Vossloh, dessen China-Geschäft besonders stark ist, Krones als Weltmarktführer für Getränkeabfüllanlagen und der Maschinen- und Anlagenbauer GEA Group, der die Branchenkrise besser als die Konkurrenz gemeistert hat. Die Unicredit-Tochter HVB hat auf den Index ein Zertifikat mit unbegrenzter Laufzeit (ISIN: DE00HV095A7) begeben. Während der vergangenen zwölf Monate legte der Kurs um fast 50 Prozent zu.

Schwacher Euro, sinkende Staatsanleihekurse: Mit Short-Produkten verdienen
Wer auf einen schwachen Euro im Vergleich zum Dollar setzt, sollte sich Knock-out-Zertifikate kaufen. Diese haben nahezu alle Banken im Angebot. So bietet sich beispielsweise der EUR/USD-MiniFuture von BNP Paribas (ISIN: DE000BN30BM6) an. Doch Vorsicht: Steigt der Eurokurs auf 1,53 Dollar, verfällt das Zertifikat nahezu wertlos. Das Papier mit endloser Laufzeit hat einen Hebel von 7,7. Eine spekulativere Variante ist das Produkt der DZ Bank (ISIN:DE000DZ6V8N0). Hier liegt der Hebel bei elf und die Knock-out-Schwelle bei 1,48 Euro/Dollar. Fallen die Kurse von Staatsanleihen, steigt der Short-ETF (ISIN:LU0321463258) überdurchschnittlich stark.

Staatsschulden: Schnell gestiegen
In Griechenland wird das Defizit bis 2011 um mehr als 40 Prozent steigen, in Irland sind es über 70 Prozent. Griechenland hat zudem eine sehr hohe Gesamtverschuldung, sie beträgt über 130 Prozent. Mehr als 90 Prozent bremsen meist das Wirtschaftswachstum. Schulden in Deutschland: Nicht nur Griechenland
Mit 43,2 Milliarden Dollar in Staatsan­leihen steht Griechenland bei deutschen Banken in der Kreide. Das sind 14,3 Prozent der gesamten Anleiheschulden. Ähnlich hoch ist der Anteil der Forderungen bei Portugal (47,3 Milliarden), Irland (193,3 Milliarden) und Spanien (240,3 Milliarden Dollar).