Grüner Fisher-Kolumne Thomas Grüner

Die Rating-Monster bedrohen Deutschland

25.07.12 10:44 Uhr

Die Rating-Monster bedrohen Deutschland | finanzen.net

Deutschland läuft Gefahr, die Bestnote bei der Einstufung der Kreditwürdigkeit zu verlieren.

Moody´s – neben S&P und Fitch eine der einflussreichsten Ratingagenturen – hat den Ausblick für Deutschland im Rahmen der europäischen Schuldenkrise von neutral auf negativ gesenkt. „Eine Eskalation der Euro-Krise würde insbesondere die starke Volkswirtschaft Deutschland negativ beeinflussen“. Falls Griechenland die Eurozone verlässt und Spanien sowie Italien verstärkt finanzielle Hilfe aus Europa in Anspruch nehmen sollten, würde Deutschland laut Aussage der Ratingagentur den Hauptteil der erheblichen Kosten schultern müssen. Neben Deutschland droht mit Frankreich auch der zweiten tragenden Säule im Lösungsprozess der Schuldenkrise eine Herabstufung. Läutet Moody´s den endgültigen Untergang ein? Oder kann man das Gebaren der Ratingagenturen guten Gewissens komplett ignorieren?

Der Markt bestimmt die Richtung

In der Theorie hätte eine breite Herabstufung der europäischen Staaten tatsächlich weitreichende Folgen. Die Einstufung der Bonität gilt als wichtiges Kriterium für den Finanzierungsspielraum der Schuldner – je besser das Rating, desto günstiger kann eine Neuverschuldung am Markt erfolgen. In der Praxis ist allerdings auch zu beobachten, dass das Rating oftmals keinerlei Aussagekraft hat. Der Markt bestimmt die Richtung. Trotz einer Abstufung der USA durch die Ratingagentur S&P im vergangenen Jahr sind die Zinsen für US-Staatsanleihen auf ein rekordtiefes Niveau gefallen – die USA haben ihren Status als sicherer Hafen trotz enormer Verschuldung durch den Einsatz der Notenbank FED nicht eingebüßt. Ähnlich zu dieser Entwicklung würde Deutschland wohl auch im weiteren Verlauf der Schuldenkrise trotz einer Abstufung weiterhin die Rolle des „Fels in der Brandung“ in Europa spielen – ein signifikanter Zinsanstieg ist dadurch schon allein aus psychologischer Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht denkbar.

Es gilt also in erster Linie, die Aussagekraft der Ratingagenturen zu relativieren. Die Märkte werden auch in Zukunft die Kreditwürdigkeit Deutschlands im Vergleich zu anderen Staaten als äußerst zuverlässig erachten – und dies auf der Suche nach einer sicheren Anlage mit dem Kauf von Staatsanleihen honorieren, gleichgültig welche Bonitätsstufe bei den Ratingagenturen hinterlegt ist.

Ratings – nur ein Rückblick

Ratingagenturen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre Einstufungen lediglich auf der Basis einer rückblickenden Bewertung des Marktgeschehens festzusetzen. Im Umkehrschluss spiegelt das Rating keine verlässliche Einschätzung der zukünftigen Bonität eines Emittenten wieder. So stürzten beispielsweise in der Weltwirtschaftskrise 2008 zahlreiche Institutionen trotz Top-Bonität in die Zahlungsunfähigkeit – und wurden erst dann herabgestuft, als es längst schon zu spät war. Der Markt selbst gibt den Weg vor, nicht das Rating – Märkte blicken in die Zukunft.

Fazit

Wer einem Unternehmen oder einem Staat einen Kredit gewährt, trägt ein gewisses Risiko – die Festsetzung des Renditeniveaus für den Ausgleich dieses Risikos erfolgt letztendlich in transparenter Weise durch die Marktteilnehmer selbst. Es gilt, den Einfluss der Ratingagenturen zu relativieren. Eine Herabstufung Deutschlands wäre zwar ein negatives Signal, würde jedoch Deutschlands starke Rolle in der Krise nicht beeinflussen.

Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen/Disclaimer unter www.gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Firmengründer und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments GmbH. Seine oft dem allgemeinen Marktkonsens entgegen stehenden Prognosen sorgten schon mehrfach für großes Aufsehen. Weitere Informationen unter http://www.gruener-fisher.de.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.