Aufgepasst bei Anleihen: Das rät Bond-Experte Jeffrey Grundlach
Laut dem Chef der Fondsgesellschaft DoubleLine sollten Investoren ihre Positionen im Anleihemarkt überdenken. Es lauert die Gefahr eines Rückschlags.
Noch vor einem Jahr rentierten zehnjährige deutsche Staatsanleihen im negativen Bereich. Anleger waren somit bereit, dem deutschen Staat Geld zu leihen und am Ende der Laufzeit weniger als ihren Einsatz zurückzubekommen. Aus Anlegersicht eine höchst groteske Situation, denn für verliehenes Geld möchte man für gewöhnlich eine Rendite sehen. Diese sollte bestenfalls über der Teuerungsrate liegen, um auch real einen Profit zu machen.
Die Zeiten sind jedoch scheinbar nicht gewöhnlich. Die letzte große Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Nachwehen haben die Anleger in den "sicheren Hafen" des Anleihemarktes getrieben. Steigende Anleihekurse gingen mit sinkenden Renditen einher, solange bis die Renditen sogar negativ wurden und sich aktuell weiterhin auf einem äußerst niedrigen Niveau befinden.
Grundlach hält den Anleihemarkt für überbewertet
Der Run auf den Anleihemarkt in den USA und auch in Deutschland hält nun schon mehr als dreißig Jahre an. Mit den gestiegenen Anleihepreisen sind die Renditen in den Keller gerutscht. Denn es gilt insbesondere für langlaufende festverzinsliche Anleihen: Steigende (fallende) Renditen gehen mit fallenden (steigenden) Anleihekursen einher.
Die aktuellen, niedrigen Anleiherenditen stellen laut Jeffrey Grundlach jedoch ein Risiko für Bond-Investoren dar. Laut einem Bericht auf der Onlinepräsenz der "Neue Zürcher Zeitung" hält Grundlach insbesondere europäische Anleihepapiere bonitätsschwacher Emittenten für eklatant überbewertet, ähnliches sei für die USA zu sagen. Ebenfalls überbewertet sind nach der Auffassung des Bond-Gurus Unternehmensanleihen besserer Schuldnerqualität. Der Bond-Guru spricht im Zusammenhang mit Unternehmensanleihen gar von einer "Massenpsychose".
Eine Psychose ist eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung, bei der die Realität verändert wahrgenommen wird und somit Wahrnehmungsstörungen vorliegen. Ein solches Phänomen ist laut dem Experten auch am Bondmarkt zu beobachten. Laut Grundlach würden die Anleger denken, dass Unternehmensanleihen sichere Anlagen seien und dermaßen stark kaufen, dass die Renditen von Unternehmensanleihen in Richtung Null purzeln. Das sei aber verzerrtes Denken, da Unternehmensanleihen eben nicht sicher sind. Unternehmen können in Zahlungsschwierigkeiten kommen und Bankrott gehen. In so einem Szenario wäre das Geld der Anleger höchstwahrscheinlich weg.
Aufgrund der Überbewertung am Anleihemarkt tendiert Grundlach dazu, Bargeld, Gold und US-Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von unter fünf Jahren zu erwerben. Von Investments mit einer Negativrendite hält er hingegen nichts.
Die Gründe für eine Skepsis gegenüber dem Anleihemarkt
Grundlach führt seine Skepsis gegenüber dem Anleihemarkt unter anderem darauf zurück, dass sich die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken ändern könnte. In den USA hat die Notenbank bereits einige Zinsschritte nach oben unternommen und der Beginn der Bilanzverkürzung scheint wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die Europäische Zentralbank hingegen ziert sich noch. Für Grundlach zeigt aber bereits der zuletzt erstarkte Euro, dass die Märkte von einer strafferen Geldpolitik auch in Europa ausgehen.
Das Ende der lockeren Geldpolitik in Europa könnte jedoch nicht nur die Renditen von europäischen Anleihen nach oben treiben, auch die US-Renditen würden laut Grundlach wohl weiter anziehen. Steigende Renditen sind Gift für die Kurse von Anleihen, insbesondere von langlaufenden Papieren.
Neben dem Notenbankargument ist es für Grundlach auch besorgniserregend, dass mit Investitionen am Anleihemarkt mithilfe von Krediten enorme Gewinne gemacht werden konnten. Das scheint abnormal zu sein. Ein geschlossener Obligationenfonds der Grundlach-Gruppe machte mit 40 Prozent Fremdkapital in anderthalb Jahren 61 Prozent Gewinn. Ein solches Ergebnis wird sich laut Grundlach nicht mehr wiederholen lassen.
Fazit
Auf ein deutliches Risiko am Anleihemarkt wird bereits seit geraumer Zeit von Marktakteuren verwiesen. Bei den aktuellen Niedrigstrenditen irgendwie auch kein Wunder. Zu bedenken bleibt jedoch, dass gerade der Staatsanleihemarkt aus historischer Perspektive gern als "sicherer Hafen" in Frage kam. Dies insbesondere dann, wenn es an den Aktienmärkten bergab ging oder ein Wirtschaftsabschwung im Anmarsch war. Sollte es zu einem stärkeren Aktienmarkteinbruch kommen oder die Weltleitwirtschaft USA in eine Rezession schlittern, so könnten auch die US-Renditen wieder kräftig fallen und die Renditen anderer Staatspapiere mit nach unten ziehen. Zuletzt warnte beispielsweise der Vorsitzende des Schweizer Werthstein Institut Giles Keating vor einem Aktienmarkteinbruch und der legendäre Bond-Guru Bill Gross vor einem möglichen Wirtschaftskollaps.
Redaktion finanzen.net
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