Zweite Schätzung

Deutsche Inflation im Juli bei 7,5 Prozent - leichte Abschwächung

10.08.22 15:46 Uhr

Deutsche Inflation im Juli bei 7,5 Prozent - leichte Abschwächung | finanzen.net

Die Inflation in Deutschland hält sich trotz Entlastungen durch 9-Euro-Ticket und Tankrabatt hartnäckig über der Marke von sieben Prozent.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sich diese für einen Euro weniger leisten können. Die Menschen müssen einer Analyse zufolge rechnerisch inzwischen länger arbeiten als noch vor zwei Jahren, um bestimmte Produkte kaufen zu können. Hoffnung auf eine anhaltenden Rückgang der Inflation können sich die Verbraucher Ökonomen zufolge vorerst nicht machen - im Gegenteil.

Die Verbraucherpreise stiegen im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,5 Prozent. Das Statistische Bundesamt bestätigte am Mittwoch damit eine erste Schätzung. Im Juni betrug die Jahresteuerungsrate noch 7,6 Prozent und im Mai sogar 7,9 Prozent. Der Preisauftrieb schwächte sich damit den zweiten Monat in Folge etwas ab.

Neben der Einführung des 9-Euro-Tickets im Öffentlichen Personenverkehr und des Tankrabatts Anfang Juni, sorgte den Angaben zufolge auch die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli für etwas Entlastung. Stromkunden müssen seitdem die Förderung des Ökostroms nicht mehr über die Stromrechnung zahlen.

Vor allem Preissprünge bei Energie infolge des Ukraine-Krieges und steigende Lebensmittelpreise heizen die Inflation in Europas größter Volkswirtschaft seit geraumer Zeit an. Im Juli kostetet Energie insgesamt 35,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich innerhalb eines Jahres um 14,8 Prozent.

Die Menschen in Deutschland müssen sich nach Einschätzung von Ökonomen in den kommenden Monaten auf wieder anziehende Teuerungsraten einstellen, auch weil Tankrabatt und 9-Euro-Ticket bis Ende August befristet sind. Um ein mögliches Folgeangebot des Billig-Fahrscheins wird in Berlin noch gerungen. Zudem drohen Gaskunden ab Herbst höhere Preise wegen der Gasumlage, die es Gasversorgern ermöglicht, Mehrkosten an Verbraucher weiterzugeben.

Über weitere Maßnahmen zur Entlastung der Verbraucher wird diskutiert. Finanzminister Christian Lindner will 48 Millionen Bürger bei der Steuer entlasten. Insgesamt sollen sie im kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden Euro sparen, wie der FDP-Politiker in Berlin sagte: "Rentnerinnen und Rentner, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Selbstständige: In der ganzen Breite der Gesellschaft sind Menschen davon betroffen."

Zusätzlich zu einer Anpassung des Einkommensteuertarifs sollen auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Die Pläne sind in der Koalition noch nicht abgestimmt und umstritten. Der Bund der Steuerzahler kritisierte, es handle sich nicht um ein echtes Entlastungspaket. Die Freibeträge für Kinder und Erwachsene bei der Einkommensteuer müssten per Gesetz ohnehin der Preissteigerung angepasst werden.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974 infolge der ersten Ölkrise verzeichnet.

Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) müssen die Menschen heute vielfach weniger lang arbeiten als vor rund 30 Jahren, um dieselben Produkte und Dienstleistungen bezahlen zu können. Für eine Stunde Arbeit konnten sie sich im Juni 2022 im Durchschnitt demnach einen Kinobesuch, 500 Gramm Bohnenkaffee, eine Briefmarke für einen Standardbrief, ein Kilogramm Mischbrot und eine Flasche Bier leisten. 1991 mussten sie dafür noch sieben Minuten länger arbeiten.

Im Vergleich zu 2020 ist die sogenannte Kaufkraft pro Lohnminute für diese Produkte insgesamt allerdings gesunken: Vor zwei Jahren mussten die Menschen dafür im Schnitt lediglich 56 Minuten arbeiten. "Seit der deutschen Einheit bis 2021 ist die Kaufkraft pro Lohnminute um 27 Prozent gestiegen", sagte Christoph Schröder vom IW. "Und jetzt haben wir natürlich schon Verluste durch die hohen Inflationsrate." Die Berechnungen des IW basieren auf den Preisentwicklungen für Produkte und Dienstleistungen sowie auf dem Nettoverdienst pro Stunde.

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WIESBADEN (dpa-AFX)

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