LPL-Analyst: Internationale Aktien lohnen sich wieder - US-Aktien überholt
In elf der letzten 15 Kalenderjahre hat sich der S&P 500 besser geschlagen als der MSCI EAFE Index, der knapp 800 Aktien aus Regionen außerhalb der USA und Kanada enthält. Doch diese Dominanz dürfte nun ein Ende finden, glaubt ein Analyst von LPL Research. Er sieht deutliche Anzeichen dafür, dass die Outperformance in Zukunft eher bei den internationalen Aktien zu finden sein wird.
Werte in diesem Artikel
• Analyst: 15-jährige Dominanz von US-Aktien gegenüber internationalen Titeln beendet
• Technische und fundamentale Analyse spricht für Investition in Industrienationen ex USA und Kanada
• Umschichtung des Portfolios empfohlen
Analysten von JPMorgan empfahlen jüngst internationale Aktien aus Industrieländern wie Japan, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich gegenüber Papieren aus den USA oder der Eurozone. Ähnlich äußerte sich nun auch Analyst Adam Turnquist von LPL Research, einem der - nach eigenen Angaben - größten unabhängigen Investment-Research-Teams in der Finanzbranche. Wie Turnquist in einer Analyse auf der Unternehmenswebseite schreibt, hätten US-Aktien in den letzten 15 Jahren mit einer überragenden Aktienperformance aufwarten können, die er zum großen Teil auf einen starken Tech-Sektor um Apple, Microsoft und Co. sowie auf die wirtschaftliche Stabilität, das starke Gewinnwachstum und die niedrigen Zinsen zu dieser Zeit zurückführt. Nun sieht der technische Stratege jedoch immer mehr Beweise dafür, dass die Outperformance zukünftig nicht mehr bei US-Aktien, sondern bei internationalen Titeln zu finden sein wird.
Fundamentale und technische Analyse spricht für internationale Aktien
Für seine Analyse hat sich Turnquist angesehen, wie sich der MSCI EAFE Index (MXEA) im Vergleich zum marktbreiten US-Index S&P 500 schlägt. Im MSCI EAFE sind 794 Aktien von großen und mittelgroßen Unternehmen aus 21 Industrieländern vertreten, Unternehmen aus Kanada und den USA sind jedoch ausgeschlossen. Der Index diene daher laut dem Analysten als "weit verbreitetes Benchmark für entwickelte internationale Märkte". Die höchste Ländergewichtung entfällt laut dem Indexherausgeber MSCI auf Japan mit 21 Prozent, insgesamt machen jedoch westeuropäische Länder fast 70 Prozent des Index aus. Die größten Sektoren sind Finanzwerte (rund 18 Prozent), Industrie (rund 16 Prozent) und Gesundheitswesen (rund 14 Prozent).
Fundamental stehe der MXEA momentan besser da als der S&P 500. So würden beim MXEA die Schätzungen für das EPS-Wachstum im Geschäftsjahr 2023 bei 3,8 Prozent liegen, während sich die EPS-Wachstumsprognosen für den S&P 500 auf minus 1,2 Prozent beliefen, schreibt der LPL-Analyst unter Berufung auf Daten von "Bloomberg". Zudem liege das Zwölf-Monats-Forward KGV für den MXEA bei 13,2 und damit gut einen Punkt unter dem durchschnittlichen Zehn-Jahres-KGV des Index von 14,5. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beim S&P 500 betrage hingegen 18,2. Damit sehe der internationale Index aktuell relativ günstig in Bezug auf die eigene historische Bewertung und günstig im Vergleich zum breiten US-Index aus.
Auch das "technische Umfeld verbessert sich weiterhin für den MSCI EAFE Index (MXEA)", schreibt Adam Turnquist. So tendiere der MXEA aktuell innerhalb eines steigenden Preiskanals nach oben, der von den Tiefstständen im Oktober ausging. Dabei sei laut dem technischen Analysten eine breite Beteiligung der Indexwerte zu erkennen, denn 75 Prozent der rund 800 Werte würden momentan über ihrem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt gehandelt. Beim S&P 500 betrage diese Quote nur 48 Prozent. Zudem seien beim MXEA alle drei gleitenden Durchschnitte - also sowohl der 20-Tage-, der 50-Tage- als auch der 200-Tage-Durchschnitt - ordnungsgemäß übereinander geschichtet und würden ansteigen - ein Hinweis für einen nachhaltigen Aufwärtstrend. "Die breite Beteiligung hat die Erholung von den Tiefstständen im Oktober untermauert, während die Analyse auf eine weitere Outperformance des MXEA hindeutet", ist sich der LPL-Analyst daher sicher.
Weitere Belastungsfaktoren für US-Aktien
Des Weiteren sieht Adam Turnquist weiterhin ein hohes Rezessionsrisiko für die USA aufgrund eines "sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums, das durch die nachteiligen Auswirkungen höherer Zinsen auf die Unternehmens- und Verbraucherausgaben (und -stimmung), die immer noch hohe Inflation [...] sowie strengere Kreditvergabestandards im Zuge der jüngsten Bankenturbulenzen untermauert wird". Auch insgesamt sei die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem wirtschaftlichen Abschwung komme, in den USA höher als in Europa oder Japan, den zwei größten im MSCI EAFE Index vertretenen Regionen. Wie der Analyst unter Berufung auf die Schätzung nicht näher genannter Ökonomen schreibt, liege die Rezessionswahrscheinlichkeit für die USA bei 65 Prozent mit stabiler Tendenz. In der Eurozone betrage sie jedoch nur 45 Prozent - Tendenz fallend - und in Japan sogar nur 30 Prozent. Zudem bestünde für die US-Märkte ein erhöhtes Risiko, sollte der Streit um die US-Schuldenobergrenze weiter andauern.
Auch die Entwicklung des US-Dollarkurses dürfte sich laut Turnquist als Hemmschuh für US-Aktien erweisen. Denn nachdem der US-Dollar im vergangenen Jahr vom Zinserhöhungskurs der US-Notenbank Federal Reserve profitiert hatte, dürfte sich das Blatt nun wenden. Hatte die US-Dollar-Rally im vergangenen Jahr noch für Gegenwind an den internationalen Märkten gesorgt, da ein steigender US-Dollar gleichbedeutend mit höheren Schuldendienstkosten für ausländische Nichtbankkreditschulden ist, die oft auf den Greenback als Weltreservewährung laufen, dürfte nun eine Zeit der US-Dollar-Schwäche bevorstehen. Denn die US-Währungshüter haben bereits erste Signale für ein Ende der Zinserhöhungen gegeben, während die EZB ihre restriktive Geldpolitik wohl noch etwas fortsetzen wird. Das dürfte den Greenback auch zukünftig unter Druck setzen. "Technisch gesehen hat der US-Dollar einen Abwärtstrend gebildet, nachdem er im Oktober seinen Höhepunkt [...] erreicht hatte. Wir gehen davon aus, dass sich der Abwärtstrend weiter fortsetzen wird, was dem MXEA weitere Unterstützung bieten wird", so der Analyst, der anmerkt, dass zwischen dem MXEA und dem US-Dollar-Index eine inverse Beziehung bestehe.
Das empfiehlt der LPL-Analyst Anlegern jetzt
LPL-Stratege Turnquist empfiehlt Anlegern, vor dem Hintergrund eines sich verbessernden technischen Umfelds ihr Portfolio nun nicht mehr auf US-Werte zu konzentrieren, sondern im internationalen Bereich breiter aufzustellen. "Anleger sollten vielleicht nach Diversifizierungsmöglichkeiten in entwickelten internationalen Märkten suchen", so der Analyst. Dort seien momentan die Bewertungen günstiger als in den USA und die Rezessionswahrscheinlichkeiten geringer. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, habe auch LPL Research kürzlich Aktien aus Industrieländern auf "Overweight" heraufgestuft. Die Bewertung für US-Aktien habe man hingegen auf "Neutral" gesenkt.
Redaktion finanzen.net
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