Der Bullenmarkt wird diesen Monat zum längsten der Geschichte: Kommt jetzt der Crash?
In weniger als drei Wochen wird der aktuelle Bullenmarkt so lange angedauert haben wie noch keiner jemals zuvor. Dabei hat der Markt schon einige Meilensteine passiert, die als Bärenmarkt-Vorboten gelten. Was steckt dahinter?
Weniger als drei Wochen dauert es noch, dann befinden wir uns im längsten Bullenmarkt aller Zeiten. Denn im September ist es zehn Jahre her, seit Lehman Brothers den Auftakt zur Finanzkrise 2008 gaben. Dann wird die aktuelle Hochphase nämlich die übertroffen haben, die den Großteil der 90er-Jahre umfasste. Grund genug für viele Marktbeobachter, nun genauer hinzuschauen: Gibt es bereits Anzeichen, die für ein nahendes Ende dieses Bullenmarktes sprechen oder vielleicht gar für einen harten Crash? Einige Meilensteine hat der Markt während seines jetzigen Laufs schließlich bereits passiert. Da wäre beispielsweise der erst vor wenigen Tagen erreichte Marktwert von einer Billion US-Dollar durch den Tech-Giganten Apple, um den sich bereits Spekulationen und Befürchtungen ranken. Auf der anderen Seite geht der Blick vieler Investoren immer wieder auf den S&P 500, insbesondere auf die 10-jährige annualisierte Jahresrendite des Index', die aktuell ebenfalls auffällig hoch ist. Die sich aufdrängende Frage ist also: Handelt es sich hierbei tatsächlich nur um Meilensteine oder vielmehr um einen Höhepunkt des Bullenmarktes, der nun vor seinem Ende steht?
Wie lange können die Bullen noch so weiter laufen?
Marktkenner Michael Santoli von "CNBC" hat sich die Auffälligkeiten des aktuellen Bullenmarktes näher angesehen und lässt in seinem Artikel auch die Bank of America Merrill Lynch zu Wort kommen. Die erwartet, dass das Rekordhoch, das der S&P 500 am 26. Januar erreichte, noch nicht den Höhepunkt dieser Bullenphase darstellt. Diese Annahme stütze sich jedoch auf eine bestimmte Marktregel, führt Santoli weiter aus, wonach ein Bullenmarkt weitergeht, solange der S&P 500 von einem Höchststand von mindestens 20 Prozent nicht mindestens 20 Prozent zurückfällt. Zwar erscheint diese Regel erfrischend simpel, doch lässt sie einige Zwischentöne außer Acht, so beispielsweise auch einige von erfahrenen Anlegern als schwerwiegend erachtete Rückschläge seit 2009. 2015-2016 hätten einige "ärgerliche Rückschläge" die meisten globalen Indizes in "vollwertige Bärenmärkte geführt", so Santoli. Dabei hätten die meisten US-Aktien mehr als 20 Prozent verloren. Auch wenn sich diese Phase nicht zu einem anhaltenden Bärenmarkt entwickelt hätte, so habe diese "Reinigung" doch wahrscheinlich Auswirkungen auf die Lebensdauer des aktuellen Bullenmarktes gehabt, vermutet der Experte. Außerdem sei der aktuelle Bullenmarkt auch in anderen Belangen eher untypisch, beispielsweise sei das steile Wachstum der Unternehmensgewinne erst ein Jahrzehnt nach der letzten Rezession eher eine Ausnahmeerscheinung. Aus diesem Grund ist es möglicherweise wenig zielführend, derlei Zahlenspiele auf den Bullenmarkt anzuwenden, schlussfolgert Santoli.
Was sagt die Rendite des S&P 500 aus?
Der Stichtag für die zehnjährige annualisierte Jahresrendite für den S&P 500 befindet sich nur sechs Wochen vor dem Moment, an dem Lehman Brothers den Finanzmarkt in die Krise stürtzte. Aktuell tendiert die Rendite bei 10,8 Prozent, inklusive Dividenden. Am Markt fragen sich nun viele Anleger, ob diese Rendite möglicherweise eine besorgniserregende Höhe erreicht hat. Santoli erteilt diesen Sorgen jedoch eine Absage. Diese Rendite sei "nicht schlecht", allerdings stelle sie "kaum eine extreme 10-Jahresrendite dar", die als alarmierend hoch gelten könne. Am Ende eines großen Bullenmarktes nähere sich der jährliche Gewinn nach 20 Jahren ungefähr 20 Prozent an. Erst wenn der S&P 500 in den nächsten sieben Monaten bis zum zehnten Jahrestag seines Tiefpunkts bei 676 Punkten auf seinem derzeitigen Niveau verharren würde, würde seine nachlaufende jährliche Rendite für das zurückliegende Jahrzehnt in Richtung 19 Prozent tendieren. Dies würde zwar eher nach dem Höhepunkt eines Bullenmarktes aussehen, fügt Santoli hinzu, sei aber noch immer kein Anzeichen für ein sicheres Ende der Bullen.
Wie ist Apples 1-Billionen-Dollar-Marke einzuordnen?
Ist Apples neuer Mega-Marktwert oberhalb der 1-Billionen-Dollar-Grenze ein Anzeichen dafür, dass der US-Aktienmarkt heiß gelaufen ist? Santoli glaubt das nicht. Dieser Meilenstein sei vielmehr eine "lustige Kuriosität" als Vorzeichen einer bevorstehenden Katastrophe. Der hohe Marktwert sei vielmehr das Produkt eines stetigen Anstiegs der Gesamtmarktwerte, der allgemeinen Inflation aber auch der schlichten enormen Wirtschaftskraft von Apple selbst. Mit einem Gewicht von einer Billion US-Dollar repräsentiert Apple etwas mehr als 4 Prozent des Wertes des S&P 500, führt Santoli aus. Im letzten Bullenmarkt erreichte Microsoft 1999 den höchsten Punkt der Technologieblase bei 620 Milliarden US-Dollar und machte ebenfalls etwa 4 Prozent des S&P 500 aus. Inflationsbereinigt entspreche Microsofts Spitzenwert aus dem Jahr 1999 heute rund 950 Milliarden US-Dollar - kaum weit entfernt von einer Billion. Der Unterschied zu Apple ist jedoch folgender: Im Jahr 1999 betrug die Bewertung von Microsoft das 30-fache des Umsatzes und das unglaubliche 70-fache des jährlichen Gewinns. Dieses Bild zeichnet sich im Falle von Apple deutlich nüchterner. Apples Marktkapitalisierung ist nur vier Mal so hoch wie der Umsatz und 18 Mal so hoch wie der Jahresgewinn des Unternehmens. Dies deutet also nicht unbedingt daraufhin, dass Apples rekordhohe Marktkapitalisierung eine Blase ist, die in naher Zukunft einen Crash mitbefeuern könnte.
Ist der Bullenmarkt auf dem Höhepunkt?
Da der aktuelle Bullenmarkt in vielerlei Hinsicht anders ist als die vorherigen - und demnächst wohl auch länger andauern wird als alle bisher dagewesenen - ist es schwierig, seine verbleibende Lebensdauer anhand diverser Messungen zu bestimmen. Das S&P-Hoch im Januar könne durchaus als "plausible Spitze" dieses Bullenmarktes herhalten, folgert Santoli. Die Bewertungen, Aktienrenditen und Anlegerstimmung seien "angemessen hoch", um als Ausgangspunkt für eine Art von bedeutungsvollem Rückgang zu dienen. Jedoch sei dieses Szenario für den Moment noch nicht wahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich sei jedoch, dass dieser Bullenmarkt eine größere Strecke hinter sich als vor sich hat, glaubt auch Santoli.
Redaktion finanzen.net
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