Kolumne

Konflikt in der Ukraine: Ein weiterer Inflationsschock für die Welt

25.04.22 14:29 Uhr

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Konflikt in der Ukraine: Ein weiterer Inflationsschock für die Welt | finanzen.net

Endlich ist die Debatte beendet: Die Inflation ist keine vorübergehende Erscheinung. Ihr kontinuierlicher Anstieg hat ernsthafte Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Der andauernde Konflikt sorgt neben all dem Leid, den er in der Ukraine verursacht, weltweit für einen weiteren Inflationsschock. Wie schützen sich die Investoren davor?

Auswirkungen der Pandemie sollten nicht überraschen

Inflation nach einer Pandemie ist kein neues Phänomen - das soll aber nicht heißen, dass die COVID-19-Pandemie vollkommen hinter uns liegt. Nach dem Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert kam es zu einem Zusammenbruch des Handels, da Versuche unternommen worden waren, die Ausbreitung der Pest einzudämmen, und es aufgrund der überaus hohen Zahl von Todesopfern zu Arbeitermangel gekommen war. Die Welt ist seitdem sehr viel komplexer geworden und sehr viel stärker vernetzt. In Großbritannien versuchen Fluggesellschaften wie British Airways und EasyJet verzweifelt, mehr Mitarbeiter einzustellen, um die stark gestiegene Reisenachfrage mit einer dezimierten Belegschaft zu decken. Der Londoner Flughafen Heathrow wies vor Kurzem auf seine angespannte Lage hin und ließ verlauten, es müssten vor Sommer noch 12.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden . Nach der ersten Grundregel der Ökonomie handelt es sich dabei um eine hohe Nachfrage und ein knappes Angebot, also um das perfekte Rezept für steigende Preise - Inflation.

Konflikt erhöht Komplexität

Der Konflikt hat das Inflationsproblem noch verstärkt. Er hat Verwerfungen in den bereits angeschlagenen weltweiten Lieferketten aufgedeckt. Russland befindet sich unter den größten Produzenten von Rohstoffen wie Öl, Erdgas, Palladium, Aluminium, Nickel und Weizen. In bestimmten Fällen wurden direkte Sanktionen verhängt. Dabei handelt es sich um den krassesten Fall einer Versorgungsstörung. Dazu gehören beispielsweise die von den USA und Großbritannien verhängten Sanktionen gegen russisches Öl und Gas. Bei anderen Rohstoffen steht dies noch in den Sternen. Es wurden vielleicht keine direkten Sanktionen verhängt, doch mehrere Käufer sehen sich nach Alternativen um. Auf einem bereits angespannten weltweiten Rohstoffmarkt (siehe Abbildung unten) und angesichts begrenzter Optionen, da es sich bei der Rohstoffversorgung um eine Funktion natürlicher Ressourcen handelt, ist dies nicht notwendigerweise einfach.

Quelle: WisdomTree, Bloomberg, Stand: 14. April 2022. Bei Backwardation sind die Spotpreise höher als die Futures-Preise. Für dieses Chart wurde Backwardation anhand des ersten und zweiten Futures-Kontrakts für 25 verschiedene Rohstoffe berechnet. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse und der Wert von Anlagen kann fallen.

Doch damit nicht genug. Die Ukraine ist der weltweit größte Exporteur von Mais, Weizen und Sonnenblumenöl . Die Ströme dieser Rohstoffe sind aus der Ukraine nicht nur größtenteils zum Erliegen gekommen, auch die Frühjahrspflanzung für die nächste Saison könnte aufgrund von Flucht und zerstörter Infrastruktur deutlich eingeschränkt sein. Russland und die Ukraine exportieren außerdem 28 % der Düngemittel, die aus Stickstoff, Phosphor und Kalium hergestellt werden . Engpässe bei Dünger stellen eine Gefahr für die Ernteerträge dar und verstärken die Anspannung bei landwirtschaftlichen Rohstoffen und die Inflation bei Nahrungsmitteln noch weiter.

Mögliche Maßnahmen der Zentralbanken

Die Zentralbanken können dem Flughafen Heathrow keine 12.000 Mitarbeiter vermitteln. Sie können auch den Konflikt nicht beenden. Und sie können mit Sicherheit nicht für Ernährungs- und Energiesicherheit sorgen. Sie können aber das geldpolitische Entgegenkommen schmälern - die einzige Maßnahme, die ihnen zur Verfügung steht. Eine Verschärfung der Geldpolitik hat zum Ziel, die Inflation durch eine Reduzierung des Wachstums unter Kontrolle zu halten. Höhere Zinsen sollen dazu führen, dass weniger neue Hypotheken aufgenommen oder Kreditkarten weniger stark genutzt werden. Doch eine entgegenkommende Geldpolitik allein hat nicht zu Inflation geführt und eine Zinserhöhung allein wird das Problem auch nicht lösen.

Wie reagieren die Investoren?

Die Investoren ergreifen bereits seit zwölf Monaten Maßnahmen - auch als sich die US-Notenbank noch an die These einer vorübergehenden Inflation klammerte. In den letzten zwölf Monaten sind weltweit über 18 Milliarden USD in Exchange-Traded Products mit breit angelegte Rohstoffkörben geflossen. Davon sind fast 8 Milliarden USD in den letzten drei Monaten hinzugekommen, was für einen sich beschleunigenden Trend spricht.

Die Investoren entscheiden sich aus drei verschiedenen Gründen für breite Rohstoffe. Erstens stehen Engpässe auf den Rohstoffmärkten im Zentrum des Inflationsproblems. Deshalb besteht eine natürliche Beziehung zwischen steigenden Rohstoffpreisen und allgemein steigenden Preisen. Die Investoren streben ein Rohstoffengagement als Schutz vor Inflation an. Zweitens erfassen breite Rohstoffe einen Teil des strukturellen Nachfragewachstums nach Metallen, das durch die Energiewende ausgelöst wird. Und drittens bieten sie Diversifizierung - nicht nur gegenüber Aktien und Anleihen, sondern aufgrund der Heterogenität der verschiedenen Rohstoffsektoren auch innerhalb des Korbs.

Die Frage ist nicht "ob", sondern "wie"

Bis letztes Jahr befanden sich noch viele Investoren in dem Dilemma, ob ein starkes Argument für die Aufnahme eines Inflationsschutzes bestand. Nun scheint sich der Fokus darauf zu richten, wie man sich am besten vor Inflation schützen sollte. Rohstoffe sind nicht die einzige Lösung. Bei vielen scheinen sie im Moment aber am beliebtesten zu sein.

Dieses Material wurde von WisdomTree und seinen verbundenen Unternehmen erstellt und soll nicht für Prognosen, Research oder Anlageberatungen herangezogen werden. Zudem stellt es weder eine Empfehlung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Wertpapieren oder zur Übernahme einer Anlagestrategie dar. Die geäußerten Meinungen wurden am Herstellungsdatum getätigt und können sich je nach den nachfolgenden Bedingungen ändern. Die in diesem Material enthaltenen Informationen und Meinungen wurden aus proprietären und nicht proprietären Quellen abgeleitet. Daher übernehmen WisdomTree und seine verbundenen Unternehmen sowie deren Mitarbeiter, Führungskräfte oder Vertreter weder die Haftung für ihre Richtigkeit oder Zuverlässigkeit noch die Verantwortung für anderweitig auftretende Fehler und Auslassungen (einschließlich Verantwortlichkeiten gegenüber einer Person aufgrund von Fahrlässigkeit). Die Verwendung der in diesem Material enthaltenen Informationen erfolgt nach eigenem Ermessen des Lesers. Wertsteigerungen in der Vergangenheit lassen keinen Schluss auf zukünftige Ergebnisse zu.

- Mobeen Tahir, Director, Macroeconomic Research & Tactical Solutions, WisdomTree

Mobeen Tahir ist Mitglied des Research-Teams von WisdomTree. Sein Schwerpunkt liegt darauf, unseren Klienten bezüglich einer großen Auswahl von Anlageklassen strategische und taktische Einblicke in die globalen Märkte und in Investmentprodukte zu geben.

Vor seinem Wechsel zu WisdomTree im Dezember 2018 war Mobeen Tahir bei Willis Towers Watson als Anlageberater tätig. Dort beriet er institutionelle Klienten wie auch die hauseigene Fondsabteilung zu Themen wie Vermögensallokation und Portfolioaufbau, wobei sein Research-Fokus auf Aktien- und Multi-Asset-Smart-Beta-Strategien lag.

Mobeen Tahir besitzt einen Bachelor-Abschluss (Hons) in Rechnungswesen und Finanzmanagement von der Universität Loughborough sowie einen Master-Abschluss in Finanz- und Rechnungswesen von der London School of Economics and Political Science. Er ist außerdem CFA Charterholder.

1 https://news.sky.com/story/heathrow-says-it-is-stretched-as-it-races-to-hire-12-000-new-staff-12587985
2 https://www.bloomberg.com/news/features/2022-04-05/will-russia-s-war-in-ukraine-cause-wheat-shortages-raise-food-prices-more?sref=wxRzZOfT
3 Quelle: Morgan Stanley, wie von CNBC berichtet: https://www.cnbc.com/2022/04/06/a-fertilizer-shortage-worsened-by-war-in-ukraine-is-driving-up-global-food-prices-and-scarcity.html
4 Quelle: Bloomberg, Stand: 14. April 2022.

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