Biotechnologie. Zwischen Impfstoff-Hype und langfristigen Perspektiven - Kai Brüning von apoAsset im Interview
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Kai Brüning von apoAsset im Interview zu den Trends, möglichen Fallstricken bei der Titelauswahl und einem 4-Punkte-Fahrplan zum erfolgreichen Research.
Welche drei Hauptbereiche/Untersegmente im Biotech-Segment beschäftigen Sie im Research aktuell am meisten?
Durch die aktuelle Pandemie hat sich natürlich insbesondere im letzten Jahr extrem viel um das Thema Covid-19 gedreht. Viele andere Bereiche, in denen weiter geforscht und neue Medikamente entwickelt wurden, sind in den Hintergrund gerückt, allen voran die Onkologie, Gentherapie, seltene Erkrankungen und Infektionskrankheiten. Diese Themen sind 2021 nun wieder auf der Agenda und hier fließen derzeit auch die höchsten Investitionsgelder. Darüber hinaus gibt es natürlich noch eine ganze Reihe anderer Erkrankungsfelder, in denen wir kleinere Investments halten, wie z.B. in den Bereichen Herz-Kreislauf, dem zentralen Nervensystem, den Autoimmunerkrankungen, der Dermatologie und der Augenheilkunde.
Wo liegen mittel- und langfristig die größten Trends im Biotech-Sektor?
Ziel ist es immer, innovative Behandlungsformen zu entwickeln, die es uns ermöglichen, Krankheitsformen oder -verläufe unter Kontrolle zu bringen. Mittelfristig, d.h. in den nächsten 3 bis 5 Jahren, wird es mit Hilfe neuer Therapien durchaus möglich sein, bestimmte Krebsarten so kontrollieren zu können, dass man mit diesen sehr gut leben kann (ähnlich wie mit dem HI-Virus).
Langfristig ist natürlich die Heilung mithilfe komplett neuen Verfahren das Ziel, z.B. in der Gentherapie, mit der DNA-Schere bzw. CRISPR/Cas9-Technologie.
Warum ist aktives Management gerade im Biotech-Bereich sinnvoll?
Der Biotech-Bereich ist einer der wenigen Bereiche im gesamten Investmentspektrum, bei dem man nicht nur über Finanzkenntnisse verfügen muss, sondern auch über medizinisches Know-how. Das ist nicht trivial und bedarf entweder viel Arbeit oder eines guten Netzwerks. Unser Investmentprozess umfasst vier Stufen. Bei drei von ihnen reichen die gängigen mathematische oder Finanzbewertungsstandards nicht aus: In der ersten Stufe prüfen wir den Innovationsgrad des Produkts. Zentral sind dabei die Fragen: Ist es "first in class", also eine Therapie, die die Erste ist in ihrer Entwicklung, wie z.B. die mRNA-Impfstoffe, oder ist es "best in class", also das beste in der Produktgruppe? In der zweiten Stufe betrachten wir den Entwicklungsstand genauer. Dabei schauen wir nach einem Proof-of-Concept, also danach, ob die Therapie schon bei tatsächlichen Patienten erste klinische Erfolge vorweisen kann. Wir investieren grundsätzlich nicht in Projekte im Frühstadium der Entwicklung, von denen wir noch keine Daten am Patienten gesehen haben. Das ist die Aufgabe von Risiko-/ Venturekapitalgebern. Zentral in der dritten Stufe unseres Investmentprozesses ist das Management und der Finanzierungsstand des Unternehmens. Hat das Management bereits etwas Ähnliches umgesetzt? Hat es Erfahrung darin, Medikamente über die klinische Entwicklung an den Markt zu bringen? Wie ist das Unternehmen finanziert? Reicht es bis zum nächsten Meilenstein bis wieder neues Geld aufgenommen werden muss? Die vierte Stufe ist natürlich die Bewertung, für die medizinisches Wissen nicht unbedingt erforderlich ist. Vielmehr kommt es darauf an, wie das Potenzial des Medikaments bewertet wird. Man schaut sich den Gesamtmarkt an, wie viele Patienten potenziell in Frage kommen, welchen Preis man verlangen könnte und erstellt dann ein Marktmodell.
Mit dieser Vorgehensweise und Detailtiefe in der Analyse unterscheiden wir uns ganz stark von einem ETF, der im Prinzip blind in einen Index investiert. Enthält dieser Index zum Beispiel Unternehmen, deren Produkte ohne Nutzen am Markt sind, bleibt dies unbemerkt. Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren zentralen Unterschied zu einem ETF und unserer Vorgehensweise: In der Biotechnologie gibt es große Pharmaunternehmen, die natürlich auch auf Biotech setzen und eigene Projekte und Forschungen umsetzen. Die wirklichen Innovationstreiber sind allerdings die kleinen Biotech-Unternehmen, die sich mit allem was sie haben auf 1 bis 2 Projekte fokussieren. Das sind eigentlich ausgelagerte Innovationsbetriebe der Pharma-Riesen. Interne und externe Forschung stehen dabei häufig im Wettbewerb. In vielen Fällen werden gute Technologien von guten Pharmaunternehmen direkt einlizensiert oder über M&A eingekauft. Das ist ein wichtiger Part für einen Investmentcase. Zentrale Fragen hierbei sind: Wo würde welche Entwicklung besser hineinpassen? Wer könnte es mit besseren finanziellen Mitteln schneller entwickeln und wem fehlt so etwas? Hinter diesen M&A-Prozessen, also die Übernahme solcher kleineren und mittelgroßen Unternehmen, steckt ein Ansatz, den wir im Investmentprozess berücksichtigen und der sich in den letzten Jahren erfolgreich ausgezahlt hat. Wir haben pro Jahr immer mindestens 2 bis 3 Unternehmen aus unserem Portfolio, bei denen ein großes Pharmaunternehmen unsere Idee geteilt hat und das Projekt genauso interessant fand und es gekauft hat. Das führt im Fonds natürlich immer zu einem schönen Ertragsplus.
Wo liegen die größten Gefahren/Fallstricke für Anleger beim Investment in Biotech-Unternehmen?
Bei einem Investment in Biotech-Unternehmen muss man ins Detail gehen und kann nicht nur an der Oberfläche kratzen. Das bedeutet, dass man sich nicht auf die Ausführungen der gängigen Print- oder Online-Medien zu einem neuen Ansatz verlassen kann. Vielmehr ist es wichtig zu verstehen, wie die klinischen Studien aufgesetzt sind und welche Probanden eingeschlossen werden. So kann von vornherein kalkuliert werden, wie die Erfolgswahrscheinlichkeit der klinischen Studie ist. Dabei fließt mathematisch-statistische Arbeit ein, um zu überprüfen, wie stabil diese Studien sind und welche Aussagekraft sie haben. Gerade die unterfinanzierten Unternehmen sparen schon mal an der Studienausgestaltung. Sie lassen die Studie von einer relativ günstigen CRO, einer Contract Research Organization, managen. Wir achten besonders darauf, dass die Studien gut aufgesetzt sind. Diese Ressourcen kann nicht jeder Privatinvestor aufbringen. Dann muss man auch die Studienergebnisse lesen können. Die Headline "Die Sterblichkeit wird um x% reduziert" muss z.B. daraufhin kritisch hinterfragt werden, ob der gemeinte Unterschied zur Vergleichsgruppe überhaupt signifikant ist. Weiterhin muss bewertet werden, ob das Medikament am Markt einen Mehrwert bietet. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind: Ist das schon bestehende Konkurrenzprodukt nicht mindestens genauso gut und gibt es überhaupt einen Platz für das neue Produkt?
Man liest häufig, dass Biotech-Investments hoch riskant sind, da 90 % der Produkte vor Markteinführung scheitern. Das ist inhaltlich richtig. Der Erfolg unseres Ansatzes zeigt, dass wir diese Risiken durch das aktive Management weitestgehend minimieren. Wir steigen nicht wie Risikokapitalgeber direkt am Anfang ein, sondern zu einem Zeitpunkt, an dem wir einen Großteil dieser 90 % Flop-Rate schon hinter uns haben.
Welche anderen Branchen/Segmente profitieren vom aktuellen Hype um Biotech-Themen am meisten?
Ein großer Aspekt, den Covid-19 vorangebracht hat, ist die Entwicklung rund um die mRNA-Technologie. Damit wurde eine ganze neue Kategorie aufgemacht, die in den letzten 15 Jahren zwar schon intensiv bearbeitet wurde, aber noch nie so einen durchschlagenden Erfolg erzielt hat. Da wir jetzt mit Curevac, Biontech und Moderna mindestens drei Unternehmen haben, die Impfstoffe auf Basis dieser Technologie entwickeln können, ist eine Validierung dieser Plattform erfolgt. Uns stehen nicht mehr nur Antikörper oder Small Molecules (chemische Wirkstoffe) oder andere Wirkstoff-Kategorien aus Immunonkologie-Projekten zur Verfügung, sondern eine ganz neue Therapiemöglichkeit. Wir gehen davon aus, dass sich aus dieser Technologie in Zukunft noch einige neue Entwicklungen vorrangig im Impfstoffbereich, später dann im Bereich der Therapeutika ergeben werden. Für die Onkologie könnte man die Krebszellen auch direkt mit modifizierter RNA angreifen und verändert so gezielt die Tumorgewebe-Umgebung, um das Immunsystem auf den Tumor auszurichten. Allerdings sind wir von diesem Wirkmechanismus im Gegensatz zu den Möglichkeiten bei Infektionskrankheiten oder Viren noch ein ganzes Stück entfernt. Von einem Home Run ist also nicht auszugehen.
Weiterhin ist aktuell die Digitalisierung das Thema in der Biotechnologie schlechthin und der zweite große Wachstumsbereich im Gesundheitssektor für die nächsten Jahre. Durch die Digitalisierung entsteht eine große Datenflut, die sich die Hersteller und CROs für ihre Studien zu Nutze machen. So können zum Beispiel Patientenpools genauer zusammengestellt werden: Es können direkt diejenigen Patienten ausgewählt werden, bei denen das Medikament die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass ich von der Gesundheitsbehörde bei der Zulassung auch nur ein engeres Label bekomme. Das Produkt wirkt dann nicht bei allen, sondern nur bei denjenigen, die bestimmte Voraussetzungen haben. Meine Zielgruppe wird zwar kleiner, unnötige Fehlbehandlungen können aber minimiert werden. Wir gehen davon aus, dass durch die Digitalisierung die Entwicklungszeiten verkürzt werden und die Medikamente schneller beim Patienten sein können.
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Bildquellen: IPConcept