Marktexperte warnt vor überzogenem Optimismus: Droht das Ende der Aktienrally?
Der Bullenmarkt scheint unaufhaltsam. Ein Marktexperte warnt aber nun vor zu sorgloser Stimmung unter Anlegern und sieht Anzeichen für ein Ende der Aktienrally.
• Marktexpertef Michael Grant warnt vor einem "Unbesiegbarkeitssyndrom"
• Übermäßiger Optimismus und hohe Bewertungen deuten auf ein Marktende hin
• Diversifizierter Investmentansatz ratsam
Seit rund zwei Jahren befinden sich Aktien in einem Bullenmarkt. Zwischenzeitliche Kursrückgänge haben sich als Kaufgelegenheiten erwiesen, die positive Anlegerstimmung hält unvermindert an. Michael Grant, Co-Chief Investment Manager und Leiter für Long/Short-Strategien bei der Investmentfirma Calamos Investments, warnt in einem Blogbeitrag nun aber vor einem drohenden Ende des Bullenmarkts für Aktien.
Warnung vor "Unbesiegbarkeitssyndrom"
Dabei verweist der Marktexperte auf das "Unbesiegbarkeitssyndrom", an dem Anleger derzeit leiden würden. "Das wichtigste Merkmal dieses Anlagejahres ist die Wahrnehmung, dass US-Aktien praktisch unbesiegbar sind. Dieses 'Unbesiegbarkeitssyndrom' signalisiert historisch gesehen ein Crescendo, wenn die Märkte dabei sind, einen großen Höhepunkt zu erreichen."
Anleger sind seiner Ansicht nach davon überzeugt, dass kein Ereignis den Bullenmarkt und den Aufwärtstrend von Aktien stoppen könne. Der prekäre Zustand des aktuellen Marktes lasse sich Grant zufolge an einer Reihe von Daten erkennen - darunter an der Bewertung, der Stimmung und der Positionierung. So sei das standardmäßige zyklisch angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnis nach Shiller - das Ausreißer der KGV-Daten glättet - auf über 35 gestiegen, den höchsten Stand aller Zeiten. Auch Stimmungs- und Positionsindikatoren seien laut Grant Anzeichen dafür, dass die Anleger den Aktienmarkt betreffend über die Maßen begeistert seien.
Grant räumt zwar ein, dass es - abgesehen von Fällen exogener Schocks wie COVID - schwieriger sein könnte, Marktspitzen als Markttiefs zu erkennen. Letztere gingen in der Regel mit Anzeichen von fundamentalem Marktstress und akuter Angst der Anleger einher. Im Gegensatz dazu könne "der Optimismus der Anleger zu einem chronischen Zustand werden. Aktiengipfel werden typischerweise ausgedehnt und sind durch Rotation gekennzeichnet, da die Narrative über verschiedene Stile und Branchensegmente hinweg bis zur Erschöpfung getrieben werden", warnt der Calamos-CIO.
Übermäßiger Optimismus unter Anlegern?
Dass die Begeisterung für Aktien und insbesondere die Erwartung an eine Fortsetzung des Bullenmarktes unter Anlegern auf einem hohen Stand ist, lässt sich laut Grant auch an anderen Indikatoren ablesen. Die Haushalte scheinen in Bezug auf Aktien so optimistisch zu sein wie seit der Dotcom-Ära nicht mehr. Der Prozentsatz der Verbraucher, die im nächsten Jahr mit Kursgewinnen rechnen, ist laut dem dreimonatigen gleitenden Durchschnitt der Antworten auf die monatliche Umfrage des Conference Board auf den höchsten Stand seit 1987 gestiegen. Zwar sage die Anlegerstimmung alleine wenig über das Ausmaß des Risikos aus, aber extreme Ausschläge in diesem Bereich werden Grant zufolge dann bedeutsam, wenn sie dieselbe Botschaft vermitteln wie Bewertungs- und Positionierungsmaße. "Auffällig ist heute, wie Positionierungsmaße die Diagnose von gesteigertem Vertrauen und gesteigerter Bewertung für die führenden Kategorien von US-Aktien bestätigen. Was bleibt, um einen Markt nach oben zu treiben, wenn alle bereits optimistisch sind?"
Ähnliche Hinweise kommen auch von anderer Seite: Bargeldallokationen liegen im historischen Vergleich nahe ihrem Tiefststand, oberflächlich betrachtet gebe es wenig Bargeld, um Finanzanlagen auszuweiten oder Rückgänge im Falle eines Schocks abzufedern.
Grant erwartet schwierige Zeiten
Investoren, die davon überzeugt sind, dass nur eine Rezession den Bullenmarkt töten kann, wenn es schon die hohe Inflation 2022 nicht geschafft hat, widerspricht Grant. "Der Bärenmarkt von 2000-2003 zeigt, dass eine Rezession eher eine Folge als eine Ursache einer Deflation der Vermögenspreise sein kann."
Ein Erfolg, wie ihn das Jahr 2024 für Aktieninvestments darstellt, dürfte seiner Ansicht nach daher nicht unvermittelt fortgesetzt werden können. "Ein Anstieg auf die 6.000-Punkte-Marke für den S&P 500 bedeutet, dass 2024 das bisher lukrativste Jahr für US-Aktien mit großer Marktkapitalisierung in diesem Jahrhundert sein wird. Und doch verblasst dieser Gedanke im Vergleich zu den zunehmenden Beweisen, dass wir Zeugen eines Crescendo werden - eines Gipfels für Aktien, der sich als dauerhaft erweisen könnte", so Grant weiter. "Das heutige ‚Unbesiegbarkeitssyndrom‘ bedeutet, dass die Finanzmärkte ihre Meinung ändern können, und zwar auf tiefgreifende Weise".
Für das kommende Jahr sei vor diesem Hintergrund eher ein diversifizierter Investmentansatz angebracht, rät er.
Redaktion finanzen.net
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