WAHL 2025/Milliardenkosten und Reformen: Diese Aufgaben erbt die neue Regierung
BERLIN (dpa-AFX) - Die gescheiterte Ampel-Koalition hinterlässt der neuen Bundesregierung viele Herausforderungen. Worum es nach der Wahl am 23. Februar und in anschließenden Koalitionsverhandlungen geht - ein Überblick.
Haushalt
Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Koalition wird die Verabschiedung eines Bundeshaushalts für das Jahr 2025 sein. Bis dahin gilt eine vorläufige Haushaltsführung. Der Staat kommt weiterhin gesetzlichen Verpflichtungen nach, das betrifft zum Beispiel Ausgaben für die Rente oder das Bürgergeld. Neue Projekte können aber nicht ohne Weiteres angestoßen werden. Die Ampel-Koalition war vor allem daran gescheitert, dass sie sich aufgrund knapper Kassen wegen der schwierigen Wirtschaftslage nicht auf einen Haushalt einigen konnte. Spannend werden dürfte die Frage, ob es eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse gibt, die nur eine begrenzte Aufnahme neuer Schulden vorsieht.
Wirtschaftspolitik
Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr in Folge geschrumpft und steckt damit so lange in der Rezession wie seit mehr als 20 Jahren nicht. Auch für dieses Jahr wird nur ein Mini-Wachstum erwartet. Verbände sehen eine strukturelle Krise, der Standort Deutschland habe an Attraktivität verloren. Als Gründe genannt werden vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise sowie eine hohe Steuer- und Abgabenlast und zu viel Bürokratie. Die Wirtschaftspolitik dürfte für die neue Bundesregierung von Tag eins an eine zentrale Rolle spielen.
Energiepolitik
Hohe Netzentgelte belasten vor allem energieintensive Unternehmen. Die neue Bundesregierung könnte hier für Entlastungen sorgen, das würde aber Milliarden kosten. In der neuen Legislaturperiode könnte es außerdem darum gehen, ob ein Klimageld kommt, um die steigenden CO2-Bepreisung beispielsweise auf Treibstoff und Heizwärme auszugleichen. Offen ist auch, wie der Staat den Bau neuer Gaskraftwerke fördert. Sie sollen künftig als Backups bereitstehen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Davon hängt auch der Zeitpunkt des Kohleausstiegs ab. Ein drängendes energiepolitisches Thema ist der rasante Ausbau der Photovoltaik - wenn mehr Strom produziert als verbraucht wird, könnte das Folgen für die Stabilität von Stromnetzen haben. Abhilfe schaffen könnte eine erhöhte Steuerbarkeit von Anlagen.
Verteidigung
Um vor allem Russland militärisch abzuschrecken, soll die über Jahrzehnte herunter gesparte Bundeswehr binnen weniger Jahre zu einer verteidigungsfähigen und damit letztlich kriegstüchtigen Streitkraft werden. Dazu hatte die Regierung eine "Zeitenwende" ausgerufen. Doch mindestens zwei zentrale Fragen warten auf eine schlüssige Antwort: Wo sollen Soldaten dafür herkommen und wie soll das weiter finanziert werden? Für ein "Sondervermögen" konnten 100 Milliarden Euro aufgenommen werden, um Geld über den Haushalt hinaus zur Verfügung zu haben und das Nato-Ziel zu erfüllen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden. Das Sondervermögen dürfte aber 2027 ausgeschöpft sein. Von 2028 seien insgesamt jährlich mindestens 85 Milliarden Euro nötig, also rund 30 Milliarden mehr als derzeit, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Außenpolitik
In der Außenpolitik wird viel davon abhängen, was der neue US-Präsident Donald Trump in den ersten Wochen seiner Amtszeit macht. Provoziert er einen weltweiten Handelskonflikt? Davon wäre Deutschland als Exportnation in Europa am stärksten betroffen und müsste bei der Reaktion der EU eine maßgebliche Rolle spielen. Auch in Sachen Ukraine wird die neue Regierung sehr schnell Entscheidungen treffen müssen. Im Wahlkampf wird heftig darüber gestritten, wie drei Milliarden Euro für zusätzliche Waffenlieferungen finanziert werden sollen: über Schulden, wie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagen, oder über eine außerplanmäßige Ausgabe im Haushalt. Letzteres wollen Union, FDP und Grüne. Was China angeht, wird Trump von Deutschland verlangen, sich klarer gegen die Weltmacht im Osten zu positionieren. Auch dazu muss sich die neue Regierung verhalten.
Pflege
Die Zahl sehr alter und damit auch pflegebedürftiger Menschen steigt. Laut Altersbericht der Bundesregierung wird es 2050 voraussichtlich bis zu zehn Millionen über 80-Jährige im Land geben - zwei bis vier Millionen mehr als heute. Die Kosten für die Pflegeversicherung steigen immer weiter. Die Beiträge wurden gerade erst wieder angehoben. Das verschaffe aber höchstens eine Atempause, hieß es vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der auch die Pflegekassen vertritt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert schon lange eine nachhaltige Reform. Wirtschaftsverbände fordern insgesamt, über grundlegende Reformen auch bei der Rente die Sozialausgaben zu senken.
Verkehrspolitik
Die begonnene grundlegende Sanierung des teils maroden Schienennetzes kostet viele Milliarden. Ziel ist es, dass die Bahn pünktlicher wird. Die Finanzierung ist aber nicht langfristig gesichert. Das gilt auch für die Sanierung von maroden Brücken. In den Mittelpunkt rücken dürfte daher, wie Investitionen langfristig abgesichert werden können und nicht jedes Jahr neu im Bundeshaushalt nach Kassenlage verhandelt werden müssen. Es gibt bereits Vorschläge für einen sogenannten überjährigen Infrastrukturfonds.
Bundespolizei
Eine Reform des in die Jahre gekommenen Bundespolizeigesetzes soll die Befugnisse der Beamten neu regeln und teilweise erweitern. Sie sollen sich beispielsweise um die Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern kümmern, die an Bahnhöfen aufgegriffen werden. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 scheiterte das Vorhaben der damals schwarz-roten Koalition im Bundesrat. Die Ampel-Koalition einigte sich nach langen Debatten 2024 schließlich auf einen neuen Entwurf, der von Sachverständigen jedoch scharf kritisiert wird. Zu einer abschließenden Beratung im Bundestag kam es nicht mehr.
Kritische Infrastruktur
Zeitdruck gibt es beim Schutz von Einrichtungen, die zur kritischen Infrastruktur (Kritis) zählen, also etwa Flughäfen oder Energieversorger. Ein sogenanntes Kritis-Dachgesetz soll die Unternehmen zu stärkerem Schutz verpflichten. Um die Vorgaben der Europäischen Union zu erfüllen, hätte es eigentlich spätestens im Oktober 2024 in Kraft treten müssen.
Häusliche Gewalt
Die Ampel-Parteien wollten Frauen besser vor häuslicher Gewalt schützen - ein gewalttätiger Ex-Partner etwa soll mit einer elektronischen Fußfessel gehindert werden, sich der Betroffenen zu nähern. Doch der Gesetzentwurf ließ lange auf sich warten. Die Union hat noch Beratungsbedarf, unterstützt die Idee aber generell. Eine entsprechende Gesetzesänderung nach der Wahl ist daher wahrscheinlich./hoe/DP/jha