Vermögensverwalter-Kolumne

Wachstum drückt sich nicht nur in Zahlen aus

13.07.16 08:19 Uhr

Wachstum drückt sich nicht nur in Zahlen aus | finanzen.net

Seit mehreren Jahrzehnten ist das BIP-Wachstum in den Industrienationen rückläufig. Die Experten streiten sich noch über die Ursachen.

Eine langfristig abnehmende Wirtschaftsdynamik könnte bedeuten, dass die Vermögenspreise neu bzw. anders zu bewerten sind. Wahrscheinlicher ist, dass herkömmliche Kennziffern, wie die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts, nicht mehr so aussagekräftig sind wie vor Jahren.

Historisch gesehen sind die Aktien der Industrienationen weder günstig noch zu teuer. Wobei es hier regionale Unterschiede gibt. Die US-amerikanischen Börsen sind deutlich teurer als die europäischen. Der Brexit zeigt uns allerdings auch deutlich, dass eine geringere Bewertung grundsätzlich gerechtfertigt ist. Das Maß der Unterbewertung halten wir allerdings für übertrieben. Da das Wachstum in der Vergangenheit allerdings höher war, muss man das aktuelle Kursniveau relativieren.

Unsere Meinung: Wir halten das BIP in der jetzigen Entwicklungsphase der Industrienationen nicht mehr für den geeigneten Wachstums-Maßstab. "Erfunden" wurde das BIP in 1920er Jahren, als die Welt geprägt wurde durch die beginnende bzw. schnell fortschreitende Industrialisierung. Die Kennziffer addiert sämtliche Waren und Dienstleistungen, die in einem Land produziert bzw. gehandelt werden.

Gesundheit und Umwelt bleiben bei Wohlstandsmessung unberücksichtigt

Heute hat der industrielle Sektor in den entwickelten Volkswirtschaften an Bedeutung verloren. Der Dienstleistungssektor ist größer geworden, und zum Beispiel spielt die Informationstechnologie (Internet of things) eine wesentliche Rolle. Der daraus gewonnene Wohlstand wird nicht abgebildet im BIP. Deshalb gibt es schon länger Ideen das Wachstum bzw. den Wohlstand durch weitere Faktoren zu messen. Diese könnten zum Beispiel sein: Gesundheit, Freizeit, Zustand der Umwelt und Familienarbeit.

Das aktuelle BIP unterschätzt also das tatsächliche Wachstum, weshalb wir im Kern wieder dazu kommen, dass die jetzigen Aktienpreise fair sind. Denn was zählt, sind die Bewertungen einzelner Unternehmen und Branchen. Die Unsicherheit diesbezüglich wird allerdings vermutlich noch einige Zeit anhalten, bevor diese Erkenntnis breiten Zuspruch findet. Aber auch das wird vermutlich nur in der Retroperspektive geschehen, also dann wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Schwellenländer nicht vergessen

Wichtiger denn je ist also selektives Investieren. Nicht alle Branchen oder Aktien haben Wachstumsperspektiven. Das macht aktives Vermögensmanagement unersetzlich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Vergessen Sie bei den Anlagen die Schwellenländer nicht. Diese haben, auch nach der jetzigen BIP-Berechnungsmethode ein höheres Wachstum als die Industrienationen.

Die Zukunft ist nicht wie die Vergangenheit. Denkmuster und Handelsweisen aus der Vergangenheit müssen flexibel auf die aktuelle Situation angepasst werden. In Zeiten hoher Unsicherheit ist die Streuung des Vermögens sehr wichtig.

Von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG

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