Künstliche Intelligenz: Echte Probleme und große Veränderungen
Seit das KI-Modell ChatGPT-3 veröffentlicht wurde, überschlagen sich die Berichte über Künstliche Intelligenz. Doch was hat es mit dem Hype auf sich? Michael Reuss, Geschäftsführer bei Huber, Reuss & Kollegen hat das spannende Thema näher beleuchtet.
Wie fängt man einen Artikel an, in dem der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) näher beleuchtet werden soll? Nun, da das KI-Modell ChatGPT-3 explizit dafür entwickelt wurde, Anfragen aller Art möglichst schnell und präzise zu beantworten, ist es wohl am anschaulichsten, das System direkt zu befragen. Folgende Aufgabe wurde dem viel zitierten Tool deshalb gestellt: "Erkläre mir, was ChatGPT-3 ist und nenne mir drei konkrete Anwendungsbeispiele." Die Antwort folgte binnen weniger Sekunden:
ChatGPT-3(Generative Pre-trained Transformer 3) ist das bisher größte und leistungsstärkste KI-Modell für Textgenerierung und kann aufgrund seines großen Trainingsdatensatzes von Texten in vielen verschiedenen Themenbereichen eine breite Palette von Themen abdecken. Hier sind drei konkrete Anwendungsbereiche für ChatGPT-3:
1. Chatbots und virtuelle Assistenten: ChatGPT-3 kann verwendet werden, um Chatbots und virtuelle Assistenten zu entwickeln, die auf natürliche Weise menschenähnliche Konversationen führen können. Unternehmen können Chatbots einsetzen, um Kundenanfragen schnell und effizient zu beantworten, ohne dass menschliche Mitarbeiter dafür benötigt werden.
2. Automatisierte Textgenerierung: ChatGPT-3 kann verwendet werden, um automatisch qualitativ hochwertige Texte zu generieren, wie zum Beispiel Produktbeschreibungen, Nachrichtenartikel oder Zusammenfassungen von Texten. Dies kann nützlich sein, um zeitaufwändige Schreibarbeiten zu automatisieren oder um Inhalte für soziale Medien oder Websites schnell zu erstellen.
3. Sprachübersetzung: ChatGPT-3 kann verwendet werden, um automatisch Texte in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Unternehmen können diese Technologie nutzen, um ihre Produkte und Dienstleistungen in verschiedenen Ländern zu vermarkten und Kunden auf der ganzen Welt zu erreichen. Auch für Reisende, die in ein fremdes Land reisen, kann die Übersetzungsfunktion von ChatGPT-3 nützlich sein, um sich zu verständigen.
Abgesehen von der etwas nüchternen Sprache hätte man es kaum besser formulieren können. Das Beispiel zeigt daher gut, warum das Thema seit Ende 2022, als ChatGPT-3 veröffentlicht wurde und seitdem für jedermann nutzbar ist, die Schlagzeilen beherrscht. Erstmals kann nun auch eine breite Öffentlichkeit erahnen zu was Künstliche Intelligenz in der Lage ist. Um genau zu sein: Generative Künstliche Intelligenz. Sie unterscheidet sich zu klassischen KI-Systemen vor allem durch drei Merkmale:
· Generative KI kann sehr allgemein angewendet werden und nicht nur in sehr speziellen Gebieten.
· Sie ist fähig, neuartige Ergebnisse zu erzeugen, anstatt vorhandene Informationen lediglich zu beschreiben oder zu interpretieren.
· Und sie kann neben Sprache nun auch Bilder, Töne und Video verstehen und darauf reagieren.
Bei der generativen KI geht es also darum, Texte, Bilder oder Computercodes neu zu generieren. Dies war zuvor nicht möglich. ChatGPT und Co. geben in Windeseile
Antworten auf alle erdenklichen Fragen, können Gedichte schreiben, noch nie dagewesen Bilder erzeugen oder von alleine Webseiten erstellen. Je konkreter die menschlichen Vorgaben sind, desto präziser arbeiten die Systeme in der Regel. Die Fortschritte sind enorm. So ist die im März vorgestellte Nachfolgeversion ChatGPT-4, die nur sechs Monate länger trainiert wurde als die 3er Version, deutlich leistungsstärker und produziert mit 40 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit korrekte Antworten als ChatGPT-3.
Noch macht KI zu viele Fehler
Dies ist insofern ein großer Fortschritt, da die Fehleranfälligkeit von Künstlicher Intelligenz (bislang) das größte Problem darstellt. KI-Systeme basieren auf riesigen Datenmengen (Texte, Bilder oder Software-Codes), mit welchen sie intensiv trainiert werden. Antworten zu ganz aktuellen Fragen oder Ereignissen sind daher nicht möglich. Die Datensätze, mit welchen ChatGPT-3 "gefüttert" wurde, enden im Jahr 2021. Alles was danach passierte, kennt das System nicht. Zudem besteht das Problem, dass KI-Modelle häufig scheinbar richtige Antworten liefern, diese aber grundfalsch sind. So nannte ChatGPT-3 auf unsere Frage nach den besten globalen Aktienfonds der vergangenen fünf Jahre zwar fünf Fonds, die es auch tatsächlich gibt. Doch jegliche dazu genannte ISIN war falsch. Und auch die Performance der genannten Fonds überzeugte auf den ersten Blick nicht wirklich. Das KI-System gab also eine sehr seriös klingende Information, die letztlich völlig wertlos war. KI-Modelle wie ChatGPT reihen aufgrund von Wahrscheinlichkeitsberechnungen ein Wort an das andere mit dem Ziel, am Ende eine wahre Aussage zu tätigen - was verblüffend häufig auch gelingt. Den Wahrheitsgehalt der eigenen Aussage überprüfen kann das System allerdings nicht. Dazu sind und werden weiterhin Menschen benötigt.
In der Wissenschaft wird zwischen dem "schnellen" und dem "langsamen" Denken unterschieden. Das schnelle Denken ist intuitiv, häufig subjektiv und fällt uns leicht. Dafür ist es aber relativ fehleranfällig. Im Gegensatz dazu ist das langsame Denken sehr rational, wohlüberlegt und wenig fehleranfällig. Experten erwarten, dass KI-Systeme zunächst überall dort erfolgreich sein werden, wo schnelles Denken gefragt ist und Fehler eher verziehen werden - beispielsweise beim Erstellen von Werbetexten oder Transkribieren von Videokonferenzen. Nach und nach dürfte sich KI aber auch in die Bereiche des "langsamen Denkens" vorarbeiten.
Ein weiteres Thema, das vielen Kopfzerbrechen bereitet: ChatGPT und Co. erleichtern es Spinnern, Propagandisten oder religiösen Fanatikern, die Welt mit "Fake News" zu überschwemmen. Gefälschte Fotos, fingierte Berichte über nicht geschehene Ereignisse oder hasserfüllte Propaganda lassen sich durch generative KI noch schneller und wahrhaftiger aussehend produzieren - und könnten damit der Spaltung von Gesellschaften weiter Vorschub leisten. Generative KI-Modelle stellen somit auch eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Um dem zu begegnen wird (zumindest in westlichen Demokratien) überlegt, ob und wie KI-generierte Fotos und Texte gekennzeichnet werden sollten bzw. könnten. Ein Weg wäre das Hinterlegen von einer Art Wasserzeichen.
KI sorgt für höhere Produktivität
Die Probleme, die Künstliche Intelligenz hervorruft, sind also vielfältig. Und dennoch ist absehbar: KI-basierte Anwendungen werden tief in unser Leben eingreifen und haben das Potenzial, große Teile des Arbeitslebens zu verändern. Laut Goldman Sachs sind zwei Drittel der derzeitigen Arbeitsplätze in den USA und Europa zu einem gewissen Grad an
KI-Automatisierung gebunden. Der Investmentbank zufolge könnten 18 Prozent der globalen Arbeit durch KI automatisiert werden. Da bestimmte Prozesse durch die Anwendung von Artificial Intelligence, wie KI im Englischen heißt, vereinfacht und beschleunigt werden, erwartet Goldman Sachs - sofern die generative KI ihr Versprechen hält - einen erheblichen Produktivitätsschub für die globale Wirtschaft.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das World Economic Forum (WEF), das jedes Jahr in Davos ein Treffen globaler Führungskräfte veranstaltet. Bei einer Umfrage unter 800 Topmanagern kam heraus, dass die Arbeitgeber bis 2027 voraussichtlich 69 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, aber auch 83 Millionen Stellen abbauen werden. Demnach werden künftig deutlich mehr Datenanalysten, Wissenschaftlern, Spezialisten für maschinelles Lernen und Cybersicherheitsexperten benötigt. Jobs in der Verwaltung oder Buchhaltung werden dagegen wegfallen. Oder die Tätigkeiten verändern sich. In manchen Berufen, wo KI-Systeme künftig intensiv eingesetzt werden, werden die Angestellten stärker damit beschäftigt sein, Wahrheitsgehalt und Korrektheit zu überprüfen.
Als zukunftsorientiertes Unternehmen beobachtet Huber, Reuss & Kollegen diese Entwicklungen sehr genau. Zum einen unter dem Gesichtspunkt potentieller Investitionsmöglichkeiten, zum anderen aus eigenem Interesse. Schließlich wird Künstliche Intelligenz vor der Vermögensverwaltungsbranche nicht Halt machen. KI-basierte Anwendungen werden künftig nicht nur eingesetzt, um menschliches Fachwissen bei Routineaufgaben zu ergänzen, sondern auch, um strategische Geschäftsprozesse zu optimieren. Dies kann im Bereich der Vermögensverwaltung beispielsweise das Portfolio-Management betreffen. Hier könnte KI dazu beitragen, die riesigen, kontinuierlich neu anfallenden Datenmengen sofort zu verarbeiten und Portfoliomanagern aussagekräftige Erkenntnisse zu liefern. Auch in steuerlichen Angelegenheiten, der individuellen Beratung von Mandanten oder im gesamten Kundenmanagement können KI-Systeme helfen, Abläufe noch besser und schneller zu gestalten. Es wird zwar noch Jahre dauern, bis einzelne, auf Künstlicher Intelligenz beruhende Angebote in der Vermögensverwaltung eingesetzt werden und eine relevante Rolle spielen. Umso wichtiger ist es aber, schon jetzt die Entwicklung genau zu beobachten, um später die richtigen Entscheidungen treffen zu können.
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