Vermögensverwalter-Kolumne

Klimaneutrale Unternehmen sind längst nicht immer nachhaltig

28.12.22 09:10 Uhr

Klimaneutrale Unternehmen sind längst nicht immer nachhaltig | finanzen.net

Das Wort "klimaneutral" ist zu einem geflügelten Begriff geworden.

Unter seinen Schwingen segelt bei vielen Anlegern die Vorstellung mit, dass klimaneutrale Unternehmen automatisch nachhaltig sein müssten. Das ist falsch - zumindest, wenn man strenge, aber nachvollziehbare Kriterien anlegt. Wir sagen daher: Microsoft, Amazon, Alphabet & Co. gehören in kein wirklich nachhaltiges Portfolio.

Viele aktiv verwaltete Aktienfonds und (ETFs) haben Papiere von Apple, Microsoft, Amazon und Alphabet im Portfolio hoch gewichtet. Ihre Anteile betragen jeweils zwischen drei und sieben Prozent. Als Begründung wird auf die guten ESG-Scores verwiesen, die diese Konzerne bei den Kriterien Environment (E), Social (S) und Governance (G) in ihrem Sektor erreichen.

PR-Schachzug macht Microsoft zum Liebling von Fonds

Besonders Microsoft gilt als Liebling der Fonds und ETFs, die mit Nachhaltigkeit werben. Der Grund dürfte ein bemerkenswerter PR-Schachzug des Softwarekonzerns mit Sitz im Großraum Seattle sein. Gemäß Eigendarstellung ist Microsoft bereits seit 2012 Kohlendioxid-neutral (CO2-neutral). Nun hat sich das Unternehmen laut PR "zum Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-negativ zu werden - dies gilt sowohl für unsere direkten Emissionen als auch für unsere gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette". Damit nicht genug: Bis 2050 will das Unternehmen sogar "sämtliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt haben", das seit der Gründung 1975 emittiert wurde.

Entpuppen sich große Versprechen als heiße Luft?

Das sind große Versprechen! Doch von vielen Finanzprofis werden sie offenbar gern gekauft. Schließlich können sie darauf hoffen, dass sich ihre Fonds im Glanz dieses Klima-Vorbilds sonnen können. Was aber ist mit der Frage, ob sich objektiv feststellen lässt, wie viel Kohlendioxid Microsoft in den vergangenen 50 bzw. 75 Jahren in die Luft gepustet hat? Diese Kleinigkeit schenkt man sich offenbar! Ebenso die Frage, wer außer dem Unternehmen in der Lage sein dürfte, festzustellen, ob das Ziel tatsächlich erreicht wird? Wohl niemand! Jetzt frage ich Sie: Was würden Sie davon halten, wenn ein Konzern den Erfolg seiner Anstrengungen selbst beurteilt? Ich für meinen Teil gebe wenig auf solche Bewertungen.

Geschäftspraktiken als Kick-Out-Faktor

Doch schauen wir neben Microsoft auch auf die anderen Unternehmen, die sagen, dass sie bereits klimaneutral seien. Wirtschaften diese klimaneutralen Konzerne damit automatisch nachhaltig? Definitiv Nein, denn die Auswahl nach dem ESG-Verfahren allein birgt große Defizite. So kommen Ausschlusskriterien, die sich an den "Social Development Goals" der UNO orientieren, wie auch die Bewertung kontroverser Geschäftspraktiken gar nicht zum Zuge. Bezieht man aber das geschäftliche Gebaren ein, ändert sich die Bewertung deutlich.

Kontroversen ramponieren den Gesamt-Score

Nehmen wir Microsoft! Bei einem ESG-Score von 93 (von 100) erreicht das Unternehmen bei den Geschäftspraktiken gerade mal 12 Punkte - was einen Mittelwert von rund 52 ergibt. Das ist definitiv nicht "Best in Class". Ebenso wenig wie Amazon, dessen ESG-Score von 83 von einem "Controversies Score" von nur 2 auf knapp 43 Zähler reduziert wird. Recht ramponiert sieht auch der Gesamt-Score von Alphabet aus: Von 82 Zählern ESG-Score rauscht er dank 5 Punkten bei den Kontroversen auf knapp 44 herab. Unterm Strich haben wir es also mit Firmen zu tun, die beim Thema Nachhaltigkeit kaum mehr als Durchschnitt sind. Sie gehören in kein genuin nachhaltiges Portfolio. Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/?utm_source=finanzennet&utm_medium=ppc&utm_campaign=leuapress&utm_content=textlink

von Andreas Enke, Geneon Vermögensmanagement AG in Hamburg

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