Der lange Arm der Politik
Politische Börsen haben kurze Beine - aber einen langen Arm.
Politische Ereignisse, wie der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA oder das Referendum in Großbritannien und der Türkei, führen immer wieder zu heftigen Marktreaktionen, aber meist hält der Schock nicht lange an. Doch im Vorfeld überschatten solche Punktereignisse unter Umständen über Wochen hinweg die Börsen. Die Kurse zucken eher ziellos hin und her ohne klare Trends, besonders wenn ein sehr knappes Ergebnis zu erwarten ist.
Das Superwahljahr 2017 bringt jede Menge Unsicherheit mit sich. Da vieles hopp oder topp ausgehen kann, wollen sich die meisten Anleger nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und dann auf der falschen Seite erwischt werden. Wie schnell das gehen kann, zeigten die Wahlumfragen zum BREXIT und zur US-Präsidentenwahl. Und auch bei der Türkei-Wahl lagen die Auguren ein weiteres Mal falsch: Erdogan gewann die Wahl, obwohl seinen Gegnern noch kurz vorher ein knapper Vorsprung zugesprochen wurde.
Kein gutes Omen also für das nächste Wahl-Highlight: die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Auch hier liegen die Kandidaten so dicht zusammen, dass alles möglich ist. Auf alle Fälle wird es eine Stichwahl geben. Die Zeit des Hoffens und Bangens hält somit an. Auf einen Befreiungsschlag muss die Börse weiter warten.
Der amerikanische Dow-Jones-Index hat lange Zeit von der sogenannten "Trump-Rallye" profitiert und regelmäßig neue Allzeithochs erreicht. Im Gegensatz dazu, tat sich der DAX schon seit Wochen schwer, zumindest mal seine alten Höchststände anzulaufen. Anfang April gelang es dann endlich, doch seitdem bröckeln die Kurse wieder. Kursphantasien werden gebremst durch zu viele wichtige Entscheidungen, die in Europa anstehen.
Viele Erwartungen an Trump hingegen sind eingepreist. So langsam wird es Zeit, dass er liefert. Sonst wird die Börse ihren Schwung nach oben nicht mehr aufnehmen können, sondern wohl eher wieder auf frühere Ausgangsniveaus zurückfallen. Das muss keinen dramatischen Absturz bedeuten, aber die zehn Prozent Luft, die die Indizes zeitweise zum 200-Tage-Durchschnitt aufgebaut haben, könnten sukzessive wieder entweichen, wenn neue Impulse fehlen.
Andererseits sieht man auch wieder am Beispiel des türkischen Aktienmarktes, der nach der Erdogan-Entscheidung anstieg, wie impulsiv der Markt reagieren kann, wenn die politische Belastung endlich wegfällt.
Insofern ist der Aktienzyklus noch nicht am Ende - trotz hoher Bewertungen und obwohl der Aufschwung nun schon acht Jahre anhält. Aber eine Gesetzmäßigkeit, was passieren muss, gibt es ohnehin nicht an der Börse. Börse ist und bleibt ein Blick in die Zukunft, die wir nicht kennen und der wir allenfalls mit Wahrscheinlichkeiten beikommen. Wenn die Chancen jedoch "nur" 50:50 stehen, ist es daher manchmal besser, sich etwas zurückzunehmen, statt aggressiv in die eine oder andere Richtung zu wetten. Nichts anderes spiegelt das aktuelle Geplänkel am Aktienmarkt wider.
Von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
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