Der Handelskonflikt spitzt sich zu
Europa ist mal wieder ins Kreuzfeuer geraten. Neben den EU-politischen Problemen wie die Regierungskrisen in Großbritannien, Deutschland, Spanien und Italien sowie dem Dauerthema Flüchtlingspolitik, wiegt aktuell besonders der Handelsstreit mit den USA schwer.
Er schürt Zweifel am wirtschaftlichen Aufschwung, auch wenn es dazu noch keine harten Zahlen gibt. Bislang geht es ja vielmehr um Stimmungen, aber Investoren fürchten, dass Unternehmen angesichts des Handelsstreits ihre Investitionen kürzen und künftig weniger verdienen werden.
Die Ökonomen und Strategen der Schweizer UBS haben grob kalkuliert, was ein eskalierender Handelsstreit für die Märkte bedeuten könnte: Die Gewinne der europäischen Unternehmen würden in einem solchen Szenario - gemessen am Aktienindex STOXX Europe 600 - in den nächsten beiden Jahren um insgesamt fünf Prozent sinken. Der Index könnte sogar um knapp sieben Prozent fallen.
Dass die Aktienmärkte nicht noch stärker gefährdet sind, begründen die Strategen mit dem schwächeren Euro. Außerdem hätten die Märkte bereits gelitten - vor allem der exportlastige deutsche Leitindex DAX. Der deutsche Aktienmarkt liegt seit Jahresanfang im Minus und schneidet damit schlechter ab als viele anderen europäischen Benchmarks.
Mittlerweile muss man tatsächlich davonausgehen, dass die USA die angedrohten Zölle auf Autos, von über 20 Prozent ebenso einführen, wie die Zusatzzölle von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert von 200 Mrd. Dollar. Auch ein entsprechender Gegenschlag Pekings muss einkalkuliert werden. Anfang Juli haben beide Seiten bereits Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren im Wert von je 34 Mrd. Dollar erhoben. Seit Anfang Juni sind die US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl- und von zehn Prozent auf Aluminiumimporte in Kraft, die Trump im März per Tweet angekündigt hat.
Sollte vor allem der US-chinesische Disput weitere Kreise ziehen, hat Europa im Fall eines Handelskriegs besonders viel zu verlieren. So schätzt die französische Regierung, dass ein sich ausweitender Konflikt drei Prozent der Wirtschaftsleistung der USA und Chinas kosten würde. Die EU wäre sogar mit vier Prozent Rückgang betroffen. Noch härter wäre die Situation für kleine unabhängige Volkswirtschaften wie die Schweiz. Folgerichtig ist die Schweizer Börse in diesem Jahr die größte Verliererin Westeuropas.
Institutionelle Anleger bauen ihre Bestände in Europa ab. Aktuell gewichten nur noch zwölf Prozent der Profianleger europäische Aktien in ihrem Portfolio über. Das ist das Ergebnis der aktuellen Monatsumfrage der Bank of America Merrill Lynch unter rund 180 internationalen Großinvestoren, die insgesamt mehr als 540 Mrd. Dollar verwalten.
Das Blatt hat sich damit gewendet: Vor gut einem Jahr lag die Übergewichtung europäischer Aktien noch bei 58 Prozent. So wenig gefragt wie aktuell waren europäische Papiere zuletzt im Dezember 2016, also wenige Monate nach dem Brexit-Votum der Briten.
Offensichtlich wollen die Börsianer in ihrem Urlaub keine negativen Überraschungen erleben. Die Börsenumsätze gehen in den Sommermonaten ohnehin tendenziell zurück. Doch wo wenig Umsatz, kann auch schnell mal eine größere Order einen Kurssprung auslösen.
Marktrelevante Nachrichten können schlechter aufgefangen werden als in "normaleren" Betriebszeiten. Gerade der August ist daher immer ein etwas "gefährlicher" Monat. In schlechter Erinnerung bleiben vor allem die Jahre 2011 und 2015. In beiden Fällen stürzte der deutsche Aktienmarkt innerhalb kurzer Zeit um 20 Prozent ab. Positiv überraschte der Markt seit der Finanzkrise im August praktisch nie, allenfalls wurden bestehende Trends fortgesetzt oder man lief seitwärts. Genießen Sie trotzdem Ihren Urlaub!
von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
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