Der Crash ist nicht die Lösung
"Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. " - Viktor Frankl
In Tagen wie diesen haben sie wieder Hochkonjunktur - die Crash-Propheten mit ihren Weltuntergangsszenarien. Dazu gesellen sie diejenigen, die es schon immer gewusst haben, dass die Inflation mit Wucht kommt und alles zusammenbrechen wird. Die Gurus verbreiten über die Medien Angst und verunsichern die Anleger. Jede ihrer Aussagen ist wie ein kleiner brennender Pfeil, der in unser natürliches Schutzschild eindringt und uns unsere Zuversicht rauben will. Die selbsternannten "Experten" skizzieren ihr düsteres Weltbild und bringen scheinbar einfache Rezepte in eine komplexe Welt.
Diesmal geht es um die anziehenden Inflationsraten vor allem in den USA und in Europa und damit verbunden ist die Furcht vor weltweit steigenden Zinsen. Corona ist noch immer ein Thema, sorgt für konjunkturelle Bremsspuren und die geopolitischen Konflikte in der Ukraine belasten die Kapitalmärkte zusätzlich. Natürlich ist das alles zusammengenommen kein ideales Umfeld für steigende Kurse, aber auch kein Grund für einen Crash! Die Kapitalmärkte haben darauf entsprechend reagiert.
Seit Jahresbeginn haben der deutsche Leitindex DAX etwa 3,5 Prozent, der MSCI World Index ca. 7,0 Prozent und der amerikanische Technologie-Index NASDAQ sogar satte 12,0 Prozent verloren. Viele Anleger sind im vergangenen Jahr noch auf den Zug aufgesprungen und haben verstärkt auf die hoch bewerteten Wachstumswerte gesetzt, die erheblich korrigiert haben. Value-Aktien sind vergleichsweise stabil geblieben und haben zum Teil sogar zugelegt. Zugenommen hat vor allem die Schwankungsintensität an den Märkten. Die Volatilität ist zurück, doch die Furcht vor steigenden Zinsen scheint mir übertrieben zu sein. Das fragile wirtschaftliche Umfeld rechtfertigt meines Erachtens keine Ängste für dauerhaft steigende Zinsen!
Auch das Argument der gestiegenen Inflation ist nur ein Teil der Wahrheit. Zu den wesentlichen Gründen der Inflation zählen die unterbrochenen Lieferketten, die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten sowie der Fachkräftemangel aufgrund der demografischen Entwicklung. In all diesen Fällen helfen Notenbankeingriffe mit steigenden Zinsen wenig. Eine Lohn-Preis-Spirale lässt sich in Deutschland derzeit noch nicht ausmachen. Die Wirtschaft kommt aufgrund der Start- und Stopp-Maßnahmen der Regierung nicht richtig in Schwung. Vor diesem Hintergrund gehe ich weiterhin von einem moderaten Wachstum im laufenden Jahr aus, das weder eine Euphorie noch eine Weltuntergangsstimmung rechtfertigt.
Drei Tipps für Anleger in unruhigen Zeiten
1. Die Ereignisse in der Welt und die Kurse an den Kapitalmärkten lassen sich nicht vorhersagen.
Deshalb hören wir auf, den Gurus nachzulaufen und wie die Lemminge der aktuellen Marktmeinung zu folgen. Wir beobachten unser Umfeld und wissen, dass wir nicht den Markt beeinflussen können, sondern nur darauf reagieren können. Diese Erkenntnis gibt uns unseren inneren Handlungsspielraum zurück, selbst wenn unsere äußeren Freiheiten eingeschränkt werden. Daran wachsen wir und reifen in der Qualität unserer Entscheidungen. Kurzum: wir werden besser. Das gilt auch für die Geldanlage. Auch in diesem Bereich wollen wir uns den Handlungsspielraum trotz Corona und aller äußeren Unsicherheiten erhalten. Wir sind kein Spielball der Umstände - wir haben immer eine Wahl: kaufen, halten oder verkaufen.
2. Schwankung bedeutet nicht Verlust!
Die Volatilität gehört zu den Börsen wie die Luft zum Atmen. Kurse steigen und fallen. Anschließend steigen sie wieder. So funktioniert die Börse. Damit leben wir und nutzen die schwachen Märkte antizyklisch zum Kaufen und nicht zum Verkaufen. Der Börsenaltmeister André Kostolany hat die Anleger in zwei Kategorien eingeteilt: die Hartgesottenen und die Zittrigen. Korrekturen an den Märkten spülen die Zittrigen aus dem Markt! In Zeiten wie diesen braucht es die Mentalität der Hartgesottenen, die durchhalten und zugreifen, wenn die Nacht dunkel und die Zukunft unsicher ist. Der nächste Tag kommt mit Sicherheit wie der Abend nach dem Morgen. Es braucht Geduld und den Mut zu klugen Entscheidungen.
3. Den Fokus auf Qualität richten
Das eigentliche Problem an den Märkten ist nicht so sehr die Furcht vor steigenden Zinsen, sondern dass die Notenbank ihre Anleihekäufe reduzieren und den Märkten spekulatives Geld entziehen. Investoren sind derzeit nicht mehr bereit, Kapital in unrentable Spekulationen zu stecken, die nicht über positive Cash-Flows gedeckt sind. Dazu zählen bestimmte Technologieaktien, Titel im Bereich der erneuerbaren Energien sowie Wasserstoff-Aktien und die Kryptowährungen. Manche Titel haben über die Hälfte ihres Preises verloren. Über den Wert lässt sich trefflich streiten. Wichtig wird in diesen Tagen wieder die Qualität der Investments!
Aktien mit soliden Geschäftsmodellen und stabilen Cash-Flows behalten ihren Wert. Hier gilt noch immer das Prinzip von Wert und Preis. Wir Anleger dürfen uns daran erinnern, dass wir mit soliden Unternehmen mit gesunden Ertrags- und Finanzierungsstrukturen langfristig gutes Geld verdienen. Deshalb schauen wir als kluge Investoren darauf, welche Chancen sich derzeit bieten und stocken unsere Bestände schrittweise auf. Dabei agieren wir ohne Angst und ohne Gier. Wir nutzen die günstigen Bewertungen und bleiben gelassen! Während andere mit Crash- und Untergangsszenarien zum Verkauf raten, handeln wir antizyklisch! Wir verfahren nach dem Motto von Abraham Lincoln "Halte dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei, und in dieser Zeit mache ein Nickerchen."
Von Wolfgang Juds, Geschäftsführer der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg
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