Das gefährliche V
Die Börse hat eine beispiellose Aufholjagd hingelegt. Allerdings waren die Umsätze im DAX eher schwächer, nur wenige Investoren waren voll investiert.
Wer sich jetzt ärgert kann vielleicht schon bald aufatmen: die V-förmige Erholung an der Börse wird nicht durch eine gleichlaufende Bewegung der Wirtschaft begleitet. Und das bedeutet Gefahr für den Börsenaufschwung.
Während die Märkte in Superlativen schwelgen und die Kurse jede Folge der Pandemie bereits verarbeitet haben, hinkt die reale Wirtschaft deutlich hinterher. Ja, in China wird wieder produziert, ja, auch in den westlichen Industrienationen wurden die Lockdowns aufgeweicht. Und ja, die Wirtschaft beginnt wieder zu pulsieren. Dieses Pulsieren ähnelt allerdings eher einem gerade wiederbelebten Herzen, das vorsichtig die ersten Pumpversuche unternimmt. Und noch ist nicht klar, ob es den ganzen Körper wieder in Schwung bringen kann.
In der Buchstabensuppe war das V der große Favorit der Experten. Schneller Absturz, schneller Wiederaufstieg. Gemeint war allerdings nicht die Börse, gemeint war die Realwirtschaft. Und hier ist die Euphorie deutlich begrenzter als an den Märkten. Hier ist eher von einem langsamen wiederaufstieg nach dem steilen Absturz auszugehen.
Dass die Märkte trotzdem boomen liegt an der Zufuhr gewaltiger Summen frischen Geldes. Das gerade wiederbelebte Herz wird massiv mit dem Stoff versorgt, der es jubeln und feiern lässt. Man kann auch an zu großer Freude sterben. Das von Regierungen und Notenbanken so bereitwillig in den Markt gepumpte Geld schafft es, dass die Börsen boomen. Das Bild ist durchaus gewollt, denn eine gut laufende Börse hebt die Stimmung und hält von dunklen Gedanken über die Zukunft ab.
Wäre da nicht die eingangs schon erwähnte Frage des Investitionsgrades. Deutsche Investoren zumindest sind nicht direkt nach dem Turbo-Crash wieder eingestiegen. Manch einer musste irgendwann im Abschwung aussteigen und hat jetzt die Verluste in den Büchern stehen. Musste, weil seine Anlagerichtlinien das vorgaben oder auch, weil er gegenüber seinen Kunden stets Risikoparameter nachweisen musste. In einem Crash wie diesem aber spielten die Kennzahlen verrückt, die Risikobewertung war kaum noch möglich, ein Ausstieg aus dem Markt fast unumgänglich.
Freuen können sich diejenigen, die zu langsam zum Aussteigen waren oder auch diejenigen, die bewusst oder unbewusst die Regeln ignorierten. Sie blieben im Markt und wurden belohnt. Doch auch hier könnten die letzten die ersten sein: Vollzieht der Markt die Entwicklung der wirklich Wirtschaft auch nur einigermaßen nach und bleibt die Stimmung im echten Leben so gedrückt, dann wird auch die Börse sich nicht davon frei machen können. Und das bedeutet: ein neuer Crash. Dann wächst in der Buchstabensuppe die Hoffnung auf das W. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Von Uwe Zimmer, Geschäftsführer Fundamental Capital GmbH, Hennef
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