Vermögensverwalter-Kolumne

Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche

20.08.18 08:19 Uhr

Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche | finanzen.net

Was haben Börsianer und Bauern gemeinsam? Beide Berufsgruppen haben sich Regeln aufgestellt, um das Unvorhersehbare in den Griff zu bekommen. Als grobe Orientierung können manche dieser Regeln hilfreich sein. Als wirkliche Handlungsempfehlung taugen sie dagegen in der Regel nicht.

Entstanden sind beide aus Erfahrung und im Fall der Bauernregeln sogar jahrhundertelanger Beobachtung der Natur. Regeln sollen dem jeweiligen Nutzer Halt geben und Anhaltspunkte dafür, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Sie pressen komplexe Themen in eine knappe Formel. Einige sind sinnvoll, andere nicht. Das gilt für die Landwirtschaft genauso wie für die Börse, oft sind es sogenannte Kalendereffekte. Die wohl bekannteste lautet: "Sell in May and go away, but remember to come back in September".

Auf den ersten Blick hat diese Regel eine durchaus plausible Erklärung. In den Sommermonaten ist an den Börsen urlaubsbedingt verhältnismäßig wenig los. Der Vermögensverwalter Fidelity International hat diese Börsenweisheit einmal genauer analysiert. Wer die Regel in den vergangenen 30 Jahren befolgt hätte, wäre heute dick in Plus. Aus 10.000 Euro wäre durch ein Investment in den DAX die stattliche Summe von 133.223 Euro geworden. Wer dagegen durchgängig geblieben wäre, hätte nur 114.332 Euro erzielt - 20.000 Euro weniger.

Die Kapitalmärkte sind viel zu effizient

Für professionelle Investoren haben solche Regeln sowieso nur unterhaltenden Charakter. Die Logik verbietet den Glauben an den Kalendereffekt. An der Effizienztheorie der Kapitalmärkte scheitert auch eine andere Kategorie von Börsenregeln. Viele Börsensprüche zielen darauf ab, einen jeweiligen Trend zu nutzen. "Greife nie in ein fallendes Messer" oder "the trend is your friend" sind gern zitierte Botschaften. Dahinter steht die simple Idee, dass Börsenkurse zumindest eine Zeitlang einem klar erkennbaren Trend folgen und dass man diesen Trend erkennen und entsprechend ausnutzen kann. Allerdings weiß man im Vorhinein leider nicht, wann sie beginnen und wann sie enden.

Kursbewegungen sind unerklärlich

Für Anhänger des Nobelpreisträgers Eugen Fama und seiner Theorie der effizienten Märkte sind feste Börsenregeln unmöglich, da die die Kursbewegungen an der Börse unerklärlich und nicht vorherzusagen sind. Denn Börsenkurse und Preise umfassen alle verfügbaren Informationen, selbst die, die nur wenige Investoren haben. Sobald Investoren eine Information haben, können sie entsprechend handeln. Wer weiß, dass die Preise zu niedrig sind, der kauft, also trägt er zur Preissteigerung bei. Wenn aber dank diesem Mechanismus alle verfügbaren Informationen schon in den Preisen stecken, dann kann niemand eine Information darüber haben, wie sich die Preise künftig entwickeln. Also sind auch die Börsenkurse unberechenbar. Wie es weitergeht, ist komplett zufällig.

André Kostolany, legendärer Investor und Autor von vielen Börsenweisheiten hat es auch hierzu sehr treffend auf den Punkt gebracht. "Wenn die Börsenspekulation leicht wäre, gäbe es keine Bergarbeiter, Holzfäller und andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant." Glücklicherweise gibt aber eine letzte Kategorie von Börsenweisheiten, die durchaus Gültigkeit für sich beanspruchen können. "Lege nicht alle Eier in einen Korb" oder "hin und her macht Taschen leer" sind einfache, nachvollziehbare und grundsätzlich richtige Regeln. Hierbei geht es nicht darum, zukünftige Kursentwicklungen oder richtige Ein- oder Ausstiegszeitpunkte vorherzusagen, sondern um einfache Verhaltensregeln. Egal ob Profi-Investor oder Privatanleger, das Beherzigen von diesen Regeln schadet nicht.

Gerade in den letzten Monaten fühlen sich viele Analysten dazu berufen, das Ende der aktuellen Hausse ausrufen. Die Nervosität an den Aktienmärkten hat in den letzten Monaten merklich zugenommen. Immerhin läuft der jetzige Zyklus schon seit fast zehn Jahren. Für viele Investoren ist damit das natürliche Ende schon mehr oder weniger sicher und nur noch eine Frage der Zeit. Viele Anleger scheinen sich davon beeinflussen zu lassen. Denn trotz überraschend guter Unternehmensergebnisse ist die Stimmung an den internationalen Aktienbörsen eher schlecht. Die Pessimisten bilden derzeit die Mehrheit und sie verweisen auch zu Recht darauf, dass die positiven Ergebnisse der Unternehmen in den entsprechenden Kursen bereits berücksichtigt sind. Für risikobewusste Investoren ist die derzeitige Situation jedoch ideal. Meistens braucht es bei einem solchen Stimmungstief nicht viel an neuen positiven Nachrichten, um die Kurse wieder nach oben zu hieven. Denn das die jahrelange Rally an den Aktienmärkten schon vorbei ist, ist keine zeitliche Gesetzmäßigkeit. Hier gilt ausnahmsweise eine alte Börsenregel der Wall Street: "Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche - sondern durch Kopfschuss!"

von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln

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