Aktien & Anleihen: Im Bärenmarkt angekommen
Seit Jahresanfang geht es mit den Aktien fast jeden Monat abwärts. Die Zuspitzung im März mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine und der ersten Zinserhöhung der US-Notenbank war offensichtlich nur ein Vorgeschmack auf ein schwieriges und turbulentes Börsenjahr.
Von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
Seit dem Allzeithoch im November summiert sich das Minus im Deutschen Aktienindex DAX nun auf mehr als 20 Prozent. Beim viel beachteten amerikanischen S&P 500 sieht es ähnlich aus: Der US-Index ist so stark eingebrochen wie seit März 2020 inmitten der Corona-Pandemie nicht mehr und liegt nun bei minus 22 Prozent seit Jahresanfang. Die Stimmung der Anleger ist dementsprechend im Keller.
Wenn ein Aktienindex mindestens 20 Prozent unter seinen Höchststand gefallen ist, sprechen Börsianer von einem "Bärenmarkt". In solchen Börsenphasen zeigt der übergeordnete Trend nach unten, auch wenn sich die Kurse immer mal wieder temporär erholen. Anleger sind dann grundsätzlich pessimistisch und interpretieren Nachrichten im Zweifel negativ, was oft weitere Kursverluste zur Folge hat.
Bis es mehr Klarheit zur Inflationsdynamik, Zentralbankpolitik sowie zur Entwicklung der Konjunktur und der Unternehmensgewinne gibt, dürften die Märkte weiter nervös und volatil bleiben. Der Aktienmarkt fürchtet die Zinsen inzwischen mehr als den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Investoren haben Angst vor einer Rezession. Sie befürchten, dass die führenden Notenbanken mit ihren Reaktionen auf die hohen Inflationsraten die Wirtschaft abwürgen.
In der vergangenen Woche haben mit der US-Notenbank (Fed), der Bank of England und der schweizerischen Nationalbank gleich drei Zentralbanken die Zinsen erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird als Nachzüglerin im Juli folgen.
An den Anleihemärkten hat die Zinswende bereits deutliche Spuren hinterlassen. Die Kurse für amerikanische und deutsche Staatsanleihen sind seit Jahresanfang um historische elf beziehungsweise 13 Prozent eingebrochen. Im Gegenzug stiegen die Renditen kräftig an. Im Fokus stehen dabei die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen aus Deutschland und den USA. Sie gelten als Richtschnur für die langfristigen Kapitalmarktzinsen anderer Staaten und der Unternehmen, die ihre Anleihen mit Risikoaufschlägen (Spreads) im Vergleich zu den als sicher geltenden Bundes- und US-Staatsanleihen begeben müssen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist seit Jahresanfang von minus 0,20 Prozent auf plus 1,60 Prozent gestiegen. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries erhöhte sich von 1,50 Prozent auf 3,20 Prozent.
Auch wenn durch die Kursrückgänge an den Anleihe- und Aktienmärkten bereits einiges von den künftigen Zinserhöhungen eingepreist ist, muss man vorsichtig sein. In den Aktienkursen dürfte zwar eine Wachstumsdelle enthalten sein, ein deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung aber noch nicht. Eine Rezession spiegelt der Aktienmarkt noch nicht "vollumfänglich" wider. Dafür sind die Gewinnschätzungen für die Unternehmen in Europa und den USA für dieses und die nächsten beiden Jahre immer noch zu robust, obwohl die Ökonomen ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum immer weiter senken. Das nächste Risiko am Aktienmarkt sind daher konkrete Enttäuschungen beim Zahlenwerk der Unternehmen.
Unsere Einschätzung: In Erwartung der Zinswende wurden bereits vor Monaten die Cashquoten hochgefahren und zinssensible Werte abgebaut. Eine gewisse Zurückhaltung bei Neuengagements mag aktuell noch opportun sein. Gleichwohl ist häufig das Schlimmste schon ausgestanden in dem Moment, in dem man mit Sicherheit weiß, dass man sich in einem Bärenmarkt befindet. Vertraut man der Börsen-Statistik, so verbleibt eine gewisse Zuversicht: Seit 1945 lag der S&P 500 jeweils ein Jahr, nachdem der Index etwa ein Fünftel an Wert verloren hatte, im Schnitt wieder 18 Prozent höher.
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