Rotation statt Rezession: Techaktien-Ausverkauf deutet auf gesunden Markt hin
Die Börsen in den USA, Europa und Asien erlebten in den vergangenen Tagen einen erheblichen Kursrückgang. Grund zur Sorge gebe es deswegen laut einiger Experten jedoch nicht. Am Markt spreche man von Rotation statt Rezession.
Werte in diesem Artikel
• Weltweiter Ausverkauf: Börsen geraten einige Tage lang unter massiven Druck
• US-Konjunkturdaten schüren Rezessionsängste
• Gesunder Markt: Rotation statt Rezession
Tech-Aktien unter Druck
Seit einigen Tagen stehen die Börsen unter Druck. Am härtesten hat es dabei vor allem die Tech-Titel getroffen. Bereits den dritten Handelstag in Folge setze sich die Talfahrt an der Wall Street am Montag fort. Der Dow Jones sowie der NASDAQ Composite gingen bereits mit einem erheblichen Minus in den ersten Handelstag der Börsenwoche. Letztendlich schlossen die Indizes mit Verlusten in Höhe von 2,6 Prozent respektive 3,43 Prozent. Und auch an den europäischen Börsen zeigte sich die Marktschwäche. Der DAX eröffnete die Sitzung bereits mit Verlusten und fiel im Tagesverlauf weiter ab. Dabei fiel der deutsche Leitindex sogar zeitweise unter die 17.100-Punkte-Marke und riss dabei die 200-Tage-Linie, die auf einen längerfristigen Trend hinweist. Auch das deutsche Börsenbarometer beendete die Montagssitzung mit 1,82 Prozent klar auf tiefrotem Terrain. Und auch in Asien kam es zu deutlichen Kurseinbrüchen. Der japanische Nikkei 225 brach am Montag bis zum Handelsschluss um satte 12,4 Prozent ein und markierte damit den größten Kursverlust seit 37 Jahren.
Am Dienstag stand der Kurs jedoch wieder auf Erholung. Die asiatischen Börsen könnten den zweiten Handelstag der Woche auf positivem Terrain beenden. Der Nikkei erholte sich schließlich um 10,23 Prozent. An den chinesischen Börsen ging es derweil nur leicht nach oben. Und auch in Europa ging es am Dienstag wieder etwas aufwärts. Der deutsche Leitindex schloss 0,09 Prozent höher, während der EURO STOXX 50 um 0,08 Prozent zulegen konnte. Die US-Börsen verzeichneten derweil ebenfalls wieder Gewinne und schlossen den Handelstag 0,76 Prozent bzw. 1,03 Prozent stärker ab.
Sorgen um US-Wirtschaft und Rezession
Grund für die heftigen Markteinbrüche waren vor allem Sorgen um die US-Wirtschaft sowie eine mögliche Rezession. Der am Freitag veröffentlichte, für viele Beobachter überraschend schwache US-Arbeitsmarktbericht verstärkte die Befürchtungen der Anleger vor einer anhaltenden wirtschaftlichen Abkühlung in den USA. Statt der erwarteten 185.000 wurden nur 114.000 Stellen geschaffen, zudem stieg die Arbeitslosenquote in den USA unerwartet von 4,1 Prozent auf 4,3 Prozent.
Außerdem spiegelte sich die schwächelnde Konjunktur auch in der bislang recht enttäuschenden Berichtssaison wider. So mussten einige Big-Tech-Aktien aus den USA, nach Vorlage ihrer Bilanzen erhebliche Verluste hinnehmen. Dazu gehörten zum Beispiel auch die Mag-7-Unternehmen Amazon und Microsoft. Und auch in Deutschland enttäuschten einige Tech-Titel mit ihrer Bilanz. Der deutsche Chiphersteller Infineon verfehlte zum Beispiel sein Umsatzziel.
Außerdem stand für viele Marktteilnehmer im Raum, dass die US-Notenbank Fed den richtigen Zeitpunkt für Anpassung verpasst habe und die Zinssenkung zu spät kommen könnte. Schlechte Wirtschaftsnachrichten, die vor einiger Zeit noch positiv bewertet wurden, da sie Hoffnungen auf Zinssenkungen weckten, werden nun ebenfalls als negativ wahrgenommen, weil sie Rezessionsängste verstärken. Auch geopolitisch bleibt die Lage äußerst angespannt, insbesondere durch die mögliche Bedrohung eines iranischen Angriffs auf Israel.
Anzeichen für gesunden Markt
Wie BARRON’S jedoch erklärt, sei der Tech-Ausverkauf nicht besorgniserregend. Im Gegenteil: Der Ausverkauf sei ein Anzeichen für einen gesunden Markt. Auch wenn Volatilität unter Marktteilnehmern nicht unbedingt gern gesehen ist, hätte die jüngsten Entwicklungen dazu beigetragen, den aus den Fugen geratenen Aktienmarkt wieder ins Lot zu bringen. Und eben diese neue und stabilere Haltung der Börsen könnte den Investoren im weiteren Verlauf des Jahres weitere Gewinne einbringen.
Ein entscheidender Faktor waren dabei auch die unerwarteten Wendungen bei der US-Präsidentschaftswahl: Am 13. Juli überlebte Kandidat Donald Trump ein Attentat, und etwas mehr als eine Woche später schied der derzeitige Präsident und ehemalige Kandidat aus. Noch bedeutender seien jedoch die Bedenken, dass die beeindruckenden KI-Gewinne der Technologieunternehmen nicht den extrem hohen Aktienkursen entsprechen könnten. Die sogenannten "Magnificent 7"-Technologieaktien, die den Markt in den letzten Jahren angetrieben haben, sind seit ihrem Höchststand Mitte Juli deutlich zurückgefallen. Glücklicherweise habe dieser starke Rückgang jedoch nicht zu einem Bärenmarkt oder einer Korrektur geführt. Stattdessen spreche man laut BARRON’S an der Wall Street von "Rotation". Während die Technologiebranche unter Druck stand, erlebten nämlich die lange vernachlässigten Small-Cap-Aktien eine beeindruckende Rallye. Und auch unterdurchschnittliche Large-Cap-Sektoren wie Immobilien, Rohstoffe und Versorgungsunternehmen haben sich gut entwickelt. "Ein ausgewachsener Bärenmarkt ist unwahrscheinlich", lautet das Fazit einer Studie der Bank of America Securities. "Rotation ist dort, wo die Action ist."
Die Robustheit des Marktes sei außerdem nicht überraschend. Erst kürzlich meldete die US-Wirtschaft unerwartet starke BIP-Zahlen. Über drei Viertel der Unternehmen übertrafen die Analystenerwartungen mit ihren Ergebnissen für das zweite Quartal. Zudem hat sich die Inflation stabilisiert, was die Hoffnung der Anleger auf Zinssenkungen durch die Fed ab September stärkt.
Anleger sollten die Rotation deshalb als positive Entwicklung sehen und darauf hoffen, dass sie anhält. Dies könnte dem übermäßig dominanten Technologiesektor ermöglichen, seine Marktpräsenz zu normalisieren, ohne einen umfassenden Markteinbruch wie nach der Dotcom-Blase der 1990er Jahre zu verursachen.
Für Anleger bedeute die Rotation nun eine Möglichkeit, ihre Portfolios zu diversifizieren. Die Suche nach Renditen bleibt jedoch risikobehaftet, so BARRON’S. Small-Cap-Aktien sind in den letzten Wochen deutlich gestiegen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie diesen Erfolg wiederholen, selbst wenn die Wirtschaft stark bleibt. Solange die Investitionen nicht übermäßig auf den Technologiesektor konzentriert sind und man zumindest einige Small-Cap-Aktien hält, könnte die beste Strategie für den Rest des Jahres darin bestehen, das Portfolio sich selbst anpassen zu lassen.
Experten rechnen nicht mit Rezession
Und auch Wall Street-Experten rechnen trotz der jüngsten Schwierigkeiten am Markt nicht mit einer Rezession. Wie Investing.com berichtet, bleiben auch die Ökonomen der US-amerikanischen Bank Goldman Sachs zuversichtlich. Trotz der schwachen Konjunkturdaten sehen die Analysten keine unmittelbare Gefahr einer Rezession.
Die Ökonomen von Goldman Sachs führen die schwachen Zahlen auf technische und vorübergehende Faktoren zurück. Aufgrund der spezifischen Kalenderkonstellation war bereits eine gewisse Schwäche im Beschäftigungswachstum erwartet worden. Zusätzlich haben temporäre Einflüsse, wie der Hurrikan Beryl, trotz offiziell fehlender erkennbarer Auswirkungen, den Arbeitsmarkt belastet.
Ein einzelner Arbeitsmarktbericht sollte deshalb nicht überbewertet werden, es sei denn, er zeigt einen signifikanten Schock, der das Gesamtbild abrupt verändert, betonen die Experten. Goldman Sachs hält daher an seiner Schätzung eines langfristigen Beschäftigungswachstums von etwa 150.000 Stellen pro Monat fest, was immer noch ihrer Break-Even-Rate entspricht, bei der sich Arbeitslosenquote und Beschäftigungswachstum im Gleichgewicht befinden.
Der Anstieg der Arbeitslosenquote im Juli sei zwar besorgniserregend, doch Goldman Sachs betont, dass er weniger bedenklich sei als frühere Anstiege. Mehr als 70 Prozent dieses Anstiegs seien auf vorübergehende Entlassungen zurückzuführen, die sich schnell wieder rückgängig machen lassen könnten. Solche Entlassungen seien keine verlässlichen Indikatoren für eine Rezession.
Als Reaktion auf den schwachen Beschäftigungsbericht hat die US-Bank jedoch ihre Erwartungen für die Zinssenkungen der Federal Reserve angepasst. Statt der ursprünglich prognostizierten vierteljährlichen Senkungen wird nun mit drei aufeinander folgenden Senkungen um jeweils 25 Basispunkte im September, November und Dezember gerechnet. Sollte der Arbeitsmarktbericht für August ähnlich schwach ausfallen wie der im Juli, könnte sogar eine Senkung um 50 Basispunkte im September wahrscheinlich werden.
Außerdem bleibt die Goldman Sachs trotz der schwachen Zahlen aus dem Juli zuversichtlich. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den nächsten zwölf Monaten auf 25 Prozent erhöht wurde, bleibt das Risiko weiterhin begrenzt. Die Ökonomen bewerten die aktuellen Daten insgesamt positiv und sehen keine größeren finanziellen Ungleichgewichte. Zudem sei die Federal Reserve bereit, schnell Maßnahmen zu ergreifen, um die Wirtschaft zu unterstützen.
Redaktion finanzen.net
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