Ursache für Thrombosen?

AstraZeneca-Aktie schließt mit Verlusten: EMA sieht Risiko gering - britische Impfkommission empfiehlt Impfstoff nur noch für über 30-Jährige

07.04.21 20:26 Uhr

AstraZeneca-Aktie schließt mit Verlusten: EMA sieht Risiko gering - britische Impfkommission empfiehlt Impfstoff nur noch für über 30-Jährige | finanzen.net

Sowohl die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) als auch die britische Impfkommission haben sich heute zu den Mutmaßungen um einen Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca-Vakzin und seltenen Hirnthrombosen geäußert.

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EMA: Keine Einschränkung von AstraZeneca-Impfstoff - Risiken gering

Die Überprüfungen seltener Fälle von Blutgerinnsel nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff durch Experten in der EU und Großbritannien haben am Mittwoch überraschende Ergebnisse erbracht. Während die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) zwar feststellte, dass es sich um Nebenwirkungen des Vakzins handelt, nahm sie keine Änderung an ihrer uneingeschränkten Empfehlung für den Impfstoff vor. Die britische Impfkommission JCVI (Joint Committee on Vaccination and Immunisation) wollte sich hingegen nicht festlegen, was die Ursache der Blutgerinnsel ist. Sie passte aber ihre Empfehlung für Menschen unter 30 Jahren an, die nun ein anderes Vakzin verabreicht bekommen sollen.

In Deutschland hat die Empfehlung voraussichtlich keine unmittelbare Auswirkungen auf die Entscheidung der ständigen Impfkommission (Stiko), die den AstraZeneca-Impfstoff zuletzt für Menschen ab 60 Jahren empfohlen hatte. Was die EMA gemacht habe, könne man mit Sicherheit rechtfertigen, sagte Stiko-Mitglied Christian Bogdan am Mittwoch. Belgien will zunächst nur noch Personen über 55 Jahren mit dem Präparat impfen, wie die Gesundheitsminister des Landes nach Angaben mehrerer Medien am Mittwoch entschieden.

In Großbritannien sind nach Angaben der Arzneimittelbehörde MHRA bislang 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Präparat aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen. Junge Menschen sind dabei überproportional stark betroffen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte laut Impfkommission zwar noch nicht nachgewiesen worden. Aber angesichts des geringeren Risikos für jüngere Menschen an COVID-19 zu sterben, habe man diese Abwägung getroffen, hieß es.

"Dies ist ein Kurswechsel", sagte der medizinische Regierungsberater Jonathan Van-Tam. "Wir hoffen nicht, dass er zu weniger Vertrauen in die Impfstoffe führt." Die Vorteile des Impfstoffs würden weiterhin die Risiken für die allermeisten Menschen überwiegen. Außerdem werde man jegliche Nebenwirkungen weiterhin sehr sorgfältig überwachen und prüfen. Premierminister Boris Johnson betonte, Menschen jeden Alters könnten durch die aktualisierte Empfehlung der Experten volles Vertrauen in die Impfstoffe haben.

Die Experten der EMA stellten einen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Thrombosen fest, wenn gleichzeitig eine sehr geringe Zahl von Blutplättchen vorhanden war. Dies trete allerdings sehr selten auf. Die Behörde hält damit weiterhin an ihrer Bewertung des Präparates fest. "Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von COVID-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken", sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam.

Unklar ist, was für Folgen die EMA-Entscheidung nun für die Impfungen in den EU-Mitgliedstaaten haben wird. Mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, hatten zuvor den Einsatz des Impfstoffes auf Personen ab 60 Jahre eingeschränkt. Konkret geht es vor allem um seltene Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen nach einer AstraZeneca-Impfung. In Deutschland gab es 31 Verdachtsfälle.

Daraufhin hatte die EMA im März eine Expertengruppe eingesetzt. Sie hatte zunächst keinen Zusammenhang mit der Impfung festgestellt. Die Untersuchung war aber fortgesetzt worden. Die Experten vermuten, dass es sich um eine sehr seltene Immun-Reaktion handelt. Die meisten Fälle waren den Angaben zufolge etwa zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten. Anders als in Großbritannien stellten die EMA-Experten keine besonderen Risikofaktoren wie Alter oder Geschlecht fest.

Geimpften riet die EMA, auf die entfernte Möglichkeit der sehr seltenen Blutgerinnsel zu achten. Bei entsprechenden Symptome sollten sie sofort medizinischen Rat einholen, hieß es weiter. Der Impfstoff mit dem Marktnamen Vaxzevria hatte Ende Januar eine bedingte Marktzulassung für die EU erhalten. Danach ist der britisch-schwedische Hersteller weiterhin verpflichtet, alle Daten zu möglichen Nebenwirkungen weiterzuleiten.

Die Häufigkeit gemeldeter Zwischenfälle mit Blutgerinnseln im Gehirn gaben die EMA-Experten am Mittwoch mit ungefähr 1 je 100.000 an. Es hänge sehr davon ab, wie gut die Meldesysteme seien. So liege der Wert in Deutschland bei 1 zu 10.000, in Großbritannien jedoch deutlich niedriger.

Britische Impfkommission: AstraZeneca nur noch für über 30-Jährige

Die britische Impfkommission hat ihre Empfehlung für den Impfstoff nach einer Überprüfung geändert. Das Präparat soll künftig möglichst nur noch über 30-jährigen Erwachsenen verabreicht werden, wie die Kommission am Mittwoch mitteilte. Grund sind Berichte über seltene Fälle von Blutgerinnseln im Zusammenhang mit einer Impfung mit dem Vakzin.

In Großbritannien sind nach Angaben der Arzneimittelbehörde MHRA bislang 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen. Die meisten dieser Fälle betrafen junge Menschen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte laut Impfkommission zwar noch nicht nachgewiesen worden. Aber angesichts des geringeren Risikos für jüngere Menschen an Covid-19 zu sterben, habe man diese Abwägung getroffen, hieß es.

In Deutschland hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wegen der Thrombose-Fälle, die vor allem bei jungen Frauen auftraten, beschlossen, das Präparat in der Regel nur noch Menschen ab 60 Jahren zu verabreichen. Für jüngere Menschen ist eine Impfung damit nur nach Aufklärung über die Risiken auf eigene Gefahr möglich. Auch in anderen Ländern wird der Impfstoff nur noch eingeschränkt empfohlen. In Frankreich beispielsweise wird er nur über 55-Jährigen verabreicht.

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hatte zuvor mitgeteilt, die Anwendung des Corona-Impfstoffes von AstraZeneca trotz der selten auftretenden Blutgerinnsel nicht einzuschränken. Der Nutzen des Wirkstoffes sei höher zu bewerten als die Risiken, so die Behörde.

Die Universität Oxford hatte eine klinische Studie mit dem AstraZeneca-Impfstoff an Kindern und Jugendlichen wegen der Überprüfung vorübergehend gestoppt.

Auch WHO für weitere Verwendung von AstraZenecas Corona-Impfstoff

Nach der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorerst für die weitere Verwendung des Impfstoffs ausgesprochen. Nach aktueller Datengrundlage scheine ein Zusammenhang mit Thrombosen zwar plausibel, aber nicht bestätigt, teilten die Experten des Impfkomitees der WHO am Mittwochabend mit. Es bedürfe noch weiterer Studien, um eine mögliche Verbindung zwischen Impfung und etwaigem Risiko zu untersuchen.

Darüber hinaus wies die WHO darauf hin, dass die Vorfälle angesichts von inzwischen weltweit 200 Millionen mit AstraZeneca geimpften Menschen sehr selten seien. Demgegenüber seien inzwischen 2,6 Millionen Menschen im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. "Die Verabreichung von Impfstoffen basiert auf einer Kosten-Nutzen-Analyse", so die WHO-Experten. Das Komitee werde nächste Woche erneut beraten.

Die Experten der EMA hatten zuvor einen Zusammenhang zwischen AstraZeneca-Impfungen und Thrombosen festgestellt, wenn gleichzeitig eine sehr geringe Zahl von Blutplättchen vorhanden war. Dies trete allerdings sehr selten auf. Die Behörde hält daher weiterhin an ihrer Bewertung des Präparates fest. "Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von COVID-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken", sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam. AstraZeneca-Papiere verloren in London letztendlich 0,43 Prozent auf 70,99 britische Pfund.

(dpa-AFX)

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