Exklusiv: Was die Banken für 2012 erwarten
Selten hat es für Anleger ein derart schwieriges Jahr gegeben wie 2011. Doch wie wird 2012? Die Prognosen der Banken bezüglich DAX, Dow, Öl, Gold, Anleihen und anderen Anlageklassen.
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von S. Bauer und K. Schachinger, €uro am Sonntag
Der DAX wird im kommenden Jahr um knapp sieben Prozent steigen und zu Silvester 2012 bei 6.430 Punkten stehen – das ist das Ergebnis der exklusiven Kapitalmarktumfrage von €uro am Sonntag unter 23 europäischen Banken.
Damit sind die Investmentprofis nicht ganz so zuversichtlich wie Ende 2010. Damals hatten die Institute im Schnitt prognostiziert, dass der DAX um acht Prozent steigen werde. Am skeptischsten im Hinblick auf 2012 ist die US-Bank Morgan Stanley. Sie erwartet beim DAX ein Minus von zehn Prozent. Die HSH Nordbank rechnet dagegen mit über 20 Prozent Zugewinn – die Bandbreite der Schätzungen ist geringer als im Vorjahr.
Den US-Indizes Dow Jones und S & P 500 trauen die Experten jeweils rund acht Prozent Potenzial zu. Überraschend: Die Nasdaq wird, so die Durchschnittsprognose, um 20 Prozent steigen. Beim Euro Stoxx 50 liegen die Chancen nur bei fünf Prozent.
Die schwelende Schuldenkrise in der Eurozone steht im Zentrum der Überlegungen der Kapitalmarktstrategen. Optimisten und Pessimisten unterscheiden sich vor allem dadurch, wie sie den künftigen Verlauf der Krise einschätzen. „Es wird keinen großen Befreiungsschlag geben. Dennoch rechnen wir mit einer allmählichen Beruhigung an den Märkten und einer Rückkehr der Anleger an den Aktienmarkt“, sagt Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank, die mit einer DAX-Prognose von 7.250 Punkten am oberen Ende der Spanne liegt.
Auch eher pessimistische Häuser rechnen damit, dass die Nervosität abflauen werde, betonen aber – trotz der jüngsten konzertierten Aktion der Zentralbanken zur Liquiditätsversorgung der Finanzmärkte – die bestehenden Unwägbarkeiten. „Es besteht das Risiko, dass ein Ereignis eintreten könnte, das die Krise nochmals verschärft“, sagt Tammo Greetfeld, Anlagestratege der Unicredit. Laut Greetfeld würde ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone, ein unkontrollierter Kreditausfall eines Mitglieds oder eine Rezession erhebliche Kursverluste an den Märkten auslösen.
Die große Gesamttabelle zum Ausblick der Banken finden Sie hier:
Die Prognosen der Banken für 2012 (als PDF)
Bundesregierung gibt nach
Viele Beobachter rechnen zudem damit, dass die Bundesregierung unter dem Druck der Schuldenkrise von ihrer derzeit harten stabilitätspolitischen Position abrückt. Bislang zielt die deutsche Politik auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen hoch verschuldeter Staaten sowie auf eine auf Geldwertstabilität ausgerichtete Politik der Zentralbank. „Wenn sich die Eurokrise fortsetzt, wird Deutschland seine Stabilitätsposition aufweichen“, sagt etwa Oliver Caspari, Anlagestratege beim Bankhaus Lampe.
Die Mehrheit der Analysten geht überdies von der Einführung der umstrittenen Eurobonds aus. Die Mittel des Europäischen Stabilitätsfonds (EFSF) werden als nicht ausreichend erachtet, um die Refinanzierung schwankender Länder zu vertretbaren Konditionen zu gewährleisten.
Darüber hinaus erwarten die Finanzprofis anhaltende Interventionen der Europäischen Zentralbank am Rentenmarkt. „Die EZB wird weiter Anleihen kaufen und darauf achten, die Geldmenge neutral zu halten. Im Jahresverlauf dürfte das Volumen weit über die bislang erreichten 200 Milliarden Euro hinausgehen“, sagt Postbank-Experte Bargel.
Auch die niedrige Bewertung der Dividendenpapiere spricht den Strategen zufolge für steigende Kurse. Die Gewinnschätzungen der Analysten für die 30 DAX-Unternehmen werden Anfang kommenden Jahres zwar noch sinken, danach sei das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis des Index im historischen Vergleich aber immer noch niedrig. „Nach den Revisionen dürften wir im DAX auf ein KGV von knapp über zehn kommen“, sagt Lampe-Stratege Caspari. In den vergangenen zehn Jahren lag das KGV im Durchschnitt bei 12,5.
Morgan Stanley rechnet mit Baisse
Skeptiker warnen hingegen vor einer länger anhaltende Baisse. „Wir sehen das Ende eines 25-jährigen Wirtschaftszyklus, in dem die steigende Verschuldung der Staaten ein wesentlicher Impuls für die Aktienmärkte war“, sagt Graham Secker von Morgan Stanley. Der Chefstratege für europäische Aktien schätzt, dass Analysten ihre Gewinnschätzungen noch stark senken werden – und sieht sowohl den DAX als auch den Euro Stoxx 50 Ende 2012 deutlich unter ihren heutigen Ständen.
Unter den Experten herrscht zudem große Sorge, dass die Ende Oktober eingeführten schärferen Eigenkapitalregeln für europäische Banken die Konjunktur in der Eurozone belasten. „Die geforderte höhere Kapitalausstattung kann zu einer Kreditklemme führen, die die Rezessionstendenzen in der Eurozone verschärft“, sagt Alain Bokobza, Stratege der Société Générale, der ebenfalls mit Verlusten im DAX rechnet.
Die konjunkturelle Entwicklung
in den 17 Staaten der Eurozone wird von den befragten Banken sehr skeptisch beurteilt. Die Volkswirtschaften werden demnach im Schnitt kaum wachsen, der erwartete Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts liegt im Durchschnitt bei lediglich 0,1 Prozent. Stagnation beziehungsweise eine Rezession in der Eurozone sind den Prognosen zufolge wahrscheinlich: Zehn der 23 Institute gehen von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in der Eurozone aus, drei Banken prognostizieren Nullwachstum.
Die Zinspolitik der EZB bleibt entsprechend expansiv. Die Mehrheit der Analysehäuser erwartet eine Senkung des Leitzinses auf 1,0 Prozent, vier Banken rechnen mit einer Lockerung auf 0,5 Prozent. Die deutsche Wirtschaft kann sich im schwachen europäischen Umfeld noch verhältnismäßig gut behaupten. Der größten Volkswirtschaft in der Eurozone trauen die Experten 2012 ein Wachstum von 0,7 Prozent zu –nach erwarteten drei Prozent für das laufende Jahr. Deutschland bliebe damit von einer Rezession verschont.
Die Haupttreiber der Wirtschaft schwächen sich allerdings deutlich ab: Der Export verliert durch den insgesamt schwächeren Welthandel an Fahrt. Auch der private Konsum hat weniger Dynamik. „Geringere Impulse vom Arbeitsmarkt und niedrigere Zuwächse der Effektivverdienste lassen die privaten Konsumausgaben 2012 nur noch moderat ansteigen“, sagt Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba.
Den amerikanischen Aktienmärkten trauen die Experten mehr zu als dem DAX. Dazu trägt auch eine vergleichsweise starke Entwicklung der US-Konjunktur im kommenden Jahr bei. Die US-Wirtschaft wird laut Umfrage um knapp zwei Prozent wachsen und damit deutlich mehr Dynamik entwickeln als die der Eurozone. „Bisher gibt es keine Daten und Indikatoren, die, wie von vielen befürchtet, einen starken Rückgang der Gewinne und Margen im kommenden Jahr signalisieren“, sagt Tobias Levkovich, Stratege für US-Aktien bei der Citigroup.
Weiterer Grund für den Optimismus sind die niedrigen Umsatzanteile, die US-Unternehmen im Schnitt in Europa erzielen. Im S & P 500 liegt der Anteil bei neun Prozent.
Die US-Technologiebörse Nasdaq ist 2012 der Ort, an dem Anleger ihr Geld investieren sollten. Die Aktien der 100 größten Unternehmen sollen um rund 20 Prozent zulegen. Das ist das höchste Kurspotenzial im Umfrageuniversum – mit der Einschränkung, dass nur vier Analysehäuser eine Prognose für den Index wagen. „Wir rechnen damit, dass die weltweiten IT-Ausgaben im kommenden Jahr steigen. Zudem nimmt der Anteil der Technologieausgaben am privaten Konsum weltweit zu“, sagt UBS-Stratege Jeffrey Palma.
Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bleiben die Emerging Markets, allen voran die chinesische Volkswirtschaft. Chinas Wachstum schätzen die Experten im kommenden Jahr auf gut acht Prozent – das wäre trotz der jüngsten Negativmeldungen aus der chinesischen Industrie nur geringfügig weniger als die voraussichtlich über neun Prozent des laufenden Jahres.
Die Weltwirtschaft wächst 2012 langsamer, und das ist die Ursache, weshalb der Rohölpreis den Experten zufolge im kommenden Jahr sinkt. Ende 2012 notiert die Nordseesorte Brent demnach bei 106 Dollar pro Barrel. Das deckt sich mit Prognosen von Energieexperten, wonach 2012 weltweit täglich 0,9 Millionen Barrel am Tag mehr verbraucht werden. Die Fördermenge soll jedoch um eine Million Barrel täglich steigen.
Sackt die globale Konjunktur deutlich ab, würde der Ölpreis indes abstürzen – auf 75 Dollar pro Barrel bei einer erneuten globalen Rezession, sagen die Experten der Société Générale. Die Wahrscheinlichkeit hierfür liegt demnach bei 30 Prozent.
Gold bleibt Hafen in der Krise
Gold bleibt nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Experten die beste Absicherung gegen mögliche Negativszenarien – und ist zugleich eine der attraktivsten Anlagen. Das Edelmetall wird Ende 2012 bei 1.937 Dollar pro Unze notieren, es bietet ein Aufwärtspotenzial von rund elf Prozent. „Zuletzt haben weltweit auch Zentralbanken ihre Goldreserven aufgestockt“, sagt Erste-Bank-Stratege Friedrich Mostböck, der den Preis Ende kommenden Jahres bei 2.200 Dollar pro Unze sieht. Die rege Nachfrage von Privatpersonen und Zentralbanken habe sich im laufenden Quartal fortgesetzt, berichten die Experten der Société Générale.
Und wie verlässlich sind die Vorhersagen? Die Zuspitzung der Eurokrise wurde bei der letztjährigen Umfrage eindeutig unterschätzt. Die Prognose für den DAX war – trotz der jüngsten Rally – nach jetzigem Stand zu optimistisch. Experten hatten für das Jahresende 2011 einen DAX-Stand von 7.530 Punkten vorhergesagt.
Am nächsten lag die Helaba mit prognostizierten 6.200 Punkten. Ende des kommenden Jahres erwartet die Bank den DAX-Stand übrigens bei 7.000 Punkten.
Bei der Einschätzung der US-Indizes landeten die Experten einen Volltreffer. Der Dow Jones wurde im Schnitt bei 12.070 Punkten, der S&P 500 bei 1.315 Punkten gesehen – und damit fast genau auf dem heutigen Niveau.
Investment-Tipps von Euro am Sonntag
DAX-Zertifikate
Gestreutes Risiko
Anleger, die im Verhältnis 1 : 1 an der Entwicklung des DAX partizipieren wollen, kaufen ein Indexzertifikat, etwa das der DZ Bank (ISIN: DE 000 DZ2 S8N 9). Wer weniger Risiko eingehen möchte, kann sich mit einem Discounter den DAX günstiger kaufen, hat damit einen Puffer im Fall von Kursverlusten, ist in der Performance aber beschränkt. Mit dem Papier von HSBC Trinkaus (DE 000 TB8 NEZ 0) kaufen Anleger den DAX derzeit fast 20 Prozent günstiger – und haben entsprechend Luft nach unten. Bei einem Stand über 6.600 Punkten am Laufzeitende (Juni 2015) fahren Anleger jährlich über acht Prozent Rendite ein.
Deutschland-Fonds
Kapitalfonds L.K. Dtld. aktiv
Der Kapitalfonds L.K. Deutschland aktiv gehört mit einem Plus von 54 Prozent zu den besten Deutschland-Portfolios der vergangenen drei Jahre. Manager Berres sucht anhand spezieller Bilanz- und Bewertungskriterien rund 30 Unternehmen für den Fonds aus. Um Verluste zu vermeiden, kann das Portfolio bis zu 25 Prozent abgesichert werden. Industriewerte wie BASF machen derzeit über 60 Prozent des Fonds aus.
ISIN: LU0068841302
US-Fonds
iShares Nasdaq-100
US-Technologiewerte versprechen bis Ende 2012 deutliche Gewinne. Anleger können mit den börsennotierten Indexfonds iShares Nasdaq 100 vom möglichen Plus profitieren. Der ETF bildet die Auf- und Abwärtsbewegungen des Technologieindex kostengünstig identisch ab. Wie bei der Nasdaq sind im Fonds Apple, Microsoft, Google und IBM am stärksten gewichtet.
ISIN: DE000A0F5UF5
GoldInvestments
Von Barren bis zum ETC
Der Großteil der Deutschen favorisiert physisches Gold in Form von Barren und Münzen. Beim Kauf ist keine Mehrwertsteuer zu entrichten. Ausnahme: Der Preis einer Sammlermünze übersteigt den Goldwert um 80 Prozent. Zu beachten ist zudem, dass beim Kauf direkt oder online etablierte Anbieter wie Geiger Edelmetalle, MP Edelmetalle oder Pro Aurum zu bevorzugen sind. Eine weitere Möglichkeit, am Goldboom zu partizipieren, sind ETCs wie der db Physical Gold (ISIN: DE000A1E0HRB), der mit dem Edelmetall hinterlegt ist. Bei dieser besicherten Schuldverschreibung partizipieren Anleger 1 : 1 an der Goldpreisentwicklung.