Im tiefen Tal der Luxusuhren

Jährlich pilgern Hunderte Fans der Feinmechanik in das Schweizer Vallée de Joux, in dem seit zwei Jahrhunderten per Hand Meisterwerke gefertigt werden.
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von Peter Balsiger, Euro am Sonntag
Der heilige Gral der Uhrmacherkunst liegt in einem kargen Hochtal im Schweizer Jura. Umringt von mächtigen Tannenwäldern ist das Vallée de Joux kaum mehr als eine Ansammlung verschlafener Dörfer und abgelegener Bauernhöfe. Doch vor über zwei Jahrhunderten wurde das rund 20 Kilometer lange Tal in der Nähe von Genf zur Wiege der Schweizer Uhrmacherkunst.
Unternehmen mit klangvollen Namen wie Audemars Piguet, Patek Philippe, Blancpain, Vacheron Constantin, Jaeger-LeCoultre, Bulgari oder Breguet fertigen hier Meisterwerke, die oft mehrere Hunderttausend Euro kosten. Doch anstelle von Luxus und Glamour herrscht in den auf 1.000 Meter Höhe gelegenen Örtchen ein calvinistischer Geist. Keine pompösen Verkaufsfassaden, keine Werbeplakate, auf denen Stars mit den Produkten der ansässigen Manufakturen am Handgelenk lächeln. Stattdessen diskrete Firmenlogos. Nichts weist darauf hin, dass im Valleé de Joux mehrfach Uhrengeschichte geschrieben wurde.
So wie 1933, als Patek Philippe hier die bis heute komplizierteste Uhr mit mechanischem Werk baute. Fünf Jahre benötigten die Schweizer, um die goldene Taschenuhr zu vollenden, die einen winzigen Kalender, zwei Zeitzonen, Mondphasen und 21 weitere Funktionen vereint. Im November 2014 wurde das Einzelstück für 19,3 Millionen Euro bei Sotheby’s versteigert.
Mitte des 18. Jahrhunderts wurden im Vallée de Joux die ersten Ateliers gegründet - von Bauern. Heute existieren im Tal rund 40 Manufakturen und Zulieferbetriebe. Darunter große Betriebe wie Audemars Piguet mit einer Jahresproduktion von 35.000 Uhren oder Blancpain mit 20.000 Uhren und Jaeger-LeCoultre, die älteste Manufaktur des Tals, die 1866 von Antoine LeCoultre gegründet wurde. Sie gehört heute ebenso wie IWC, Piaget und Vacheron Constantin, Panerai oder Montblanc zum Luxusgüterkonzern Richemont.
Kunstwerke für die Ewigkeit
Kleine, unabhängige Manufakturen, die meist nur ganz wenige Uhren im Jahr herstellen, überraschen die Welt der reichen Sammler regelmäßig mit sündhaft schönen und ebenso teuren Kunstwerken, die für die Ewigkeit gemacht zu sein scheinen. So wie Philippe Dufour aus Le Solliat, den sie im Tal "Le Fou" nennen, den Verrückten. Dufour gilt als lebende Legende, sogar der Sultan von Brunei trägt seine Uhren. Dufours Atelier, angeblich die kleinste vollständig eingerichtete Uhrenfabrik Europas, liegt im ehemaligen Schulhaus von Le Solliat, in dem noch seine drei Töchter lesen und schreiben lernten. Wer den 65-Jährigen besucht, betritt eine faszinierende Welt: Der Meister - weißer Kittel, weißer Bart, die Lupe auf die Stirn geschoben, die Pfeife im Mund - sitzt in einem wohnzimmergroßen Raum an einer Werkbank, die auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Er feilt, schraubt und fräst an Uhren -für Menschen, die später Hunderttausende Franken dafür ausgeben werden und zum Teil jahrelang auf seiner Warteliste stehen. Das Atelier zeugt von althergebrachter Uhrmacherkunst: alte Schränke und Tresore, Tische und Schubladen, wenig Hightech, dafür Maschinen, die teilweise aus den 30er-Jahren stammen. Die hölzernen Dielen knarren bei jedem Schritt. Der Blick nach draußen fällt auf sattgrüne Wiesen, alte Bauernhäuser und weidende Kühe.
Klang einer Turmuhr am Arm
Eines seiner Wunderwerke ist die "Grande et Petite Sonnerie", an der er zweieinhalb Jahre gebaut und für die er 1992 bei der weltweit wichtigsten Uhrenmesse, der Baselworld, die Goldmedaille für technische Innovationen gewonnen hat. Eine mechanische Repetitionsuhr, welche die Stunden und Viertelstunden wie eine Kirchturmuhr schlägt, auf Knopfdruck sogar die Minuten. Es war die Sensation. Die Fachpresse überschlug sich fast: "Alles, was in der Uhrmacherei Rang und Namen hat, defiliert an der bescheidenen Vitrine vorbei. Lob und Gratulationen, Fragen und auch eigenartige Anfragen prasseln auf den Schöpfer der Uhr nieder: Wie viele Stück machen Sie pro Jahr? Wir übernehmen Ihre ganze Produktion! Natürlich unter unserem Namen."
600 000 Franken war die Uhr wert. Dufour stellte sechs Exemplare her. "Ich sagte mir damals, ich muss etwas machen, was es noch nicht gibt", erklärt er. Als Erster hat er es geschafft, ein so komplexes, handgefertigtes Räderwerk in einer Armbanduhr unterzubringen. "Eine Welt in Miniatur, nichts ist hier von der Stange, nichts einfach austauschbar, eine gewachsene Welt, eingepasst in ein vier Zentimeter kleines Gehäuse", jubelte "Focus". "Unauffällig für den, der keinen Sinn dafür hat. Doch das tägliche Wunder für jenen Scheich, der sich den Lauf seiner Zeit gleich viermal einfassen ließ: in Gelbgold und Rotgold, in Weißgold und Platin."
Im Gegensatz zu den großen Markenherstellern im Tal hat Dufour, der privat am liebsten eine silbern glänzende Lange & Söhne aus Sachsen trägt, die er für 40.000 Franken gekauft hat, noch nie Werbung für seine Uhren gemacht. Marketing ist nicht seine Stärke: "Die Uhr muss interessant genug sein, um für sich selbst zu werben." Sein Name wird in Sammlerkreisen mit Ehrfurcht genannt, in Japan ist er längst ein Superstar, seit das dortige Fernsehen eine Serie über ihn ausstrahlte.
Jeden Tag erteilt er Interessenten, die ganz schnell eine seiner Uhren wollen, eine Absage. So auch jenem Mann, der zu den Top Ten der globalen Superreichen gehört und eines Tages unangemeldet mit dem Hubschrauber im Tal landete, an seine Tür klopfte und Internetausdrucke von Dufours Uhren in der Hand hielt. Er wolle sofort mehrere Exemplare ordern - eine Bestellung von über einer Million Dollar. Der Meister wies ihn ab, der Superreiche stieg ohne eine Dufour-Uhr wieder in seinen Hubschrauber.
Luxusuhren zum Selberbasteln
Er hätte auch zu Olivier Piguet gehen können. Liebhaber und Sammler können sich bei dem 45-jährigen Uhrmachermeister mit pädagogischer Ader ihre eigene mechanische Armbanduhr selbst zusammenbauen: Eine Skelettuhr, bei der man durch eine Saphirscheibe den Rädchen im Inneren bei ihren Umdrehungen zuschauen kann. Die Kurse in seinem 200 Jahre alten, liebevoll restaurierten Bauernhaus, malerisch am Waldrand gelegen, dauern zwei Tage und sind bis 2017 ausgebucht. Die Fans reisen aus China, Japan und den USA nach Le Sentier, um ihre eigene Uhr "made in Switzerland" zu montieren. Im Preis inbegriffen sind das von Piguet selbst zubereitete Mittagessen und ein Spaziergang durch das Tal.
Die Uhrmacherkunst im Vallée de Joux hat eine lange Tradition, sie nahm vor mehr als zwei Jahrhunderten ihren Anfang. Die Bauern lebten damals im Rhythmus der Natur. Sie bearbeiteten im Sommer das Land und wurden in den oft sechs Monate dauernden schroffen Wintern mit Temperaturen bis minus 30 Grad im Nebenerwerb zu Uhrmachern. Oft aus blanker Not. Die Bauern konnten in den kurzen Sommern den abschüssigen und steinigen Böden kaum genug zum Leben abtrotzen.
Als Mitte der 70er-Jahre die billigeren und präziseren Quarzuhren aus Japan die Märkte überschwemmten, geriet die Schweizer Uhrenindustrie in eine große Krise und stand am Rande des Zusammenbruchs. Viele Manufakturen erholten sich nicht mehr von den Verkaufseinbrüchen. Ihre Maschinen wurden abgebaut, zerstört oder nach China und Russland verkauft.
Die Wende kam Mitte der 90er-Jahre, als man sich im Vallée de Joux wieder auf Qualität als Stärke besann: Mechanische Uhren, in kleinen Stückzahlen gebaut mit hohen Preisen, waren wieder gefragt. Heute boomt die Branche. "Hochwertige Zeitmesser transportieren ein Lebensgefühl, besitzen eine Seele, bewahren Traditionen und Kultur, können auch Statussymbol sein, ein besonderes Geschenk an einen besonderen Menschen oder eine Belohnung, die man sich selbst für eine außergewöhnliche Leistung gönnt", sagt Jean-Claude Biver, Präsident der Uhrenfirma Hublot, der als Erster wieder auf die mechanische Uhr gesetzt hat.
Beim Konkurrenten Audemars Piguet in Le Brassus, Partner der Kunstmesse Art Basel, kostet eine Uhr im Schnitt 30.000 Schweizer Franken. Die "Royal Oak", die je nach Ausführung zwischen 20.000 und 90.000 oder in der Platinversion 127.000 Franken kostet, gehört zu den gefragtesten Uhren der Welt.
Bei Audemars Piguet werden Uhren mit vielen Komplikationen - ausgeklügelte Mechanismen - gefertigt, etwa mit ewigen Kalendern, die Schaltjahre und unterschiedliche Monatslängen berücksichtigen, mit Minutenrepetition, Mondphasenanzeigen und vielem mehr. Viele Besucher, in jüngster Zeit vermehrt auch Sammler aus China und Japan, kommen regelmäßig ins Tal, magisch angezogen vom Prestige der Manufakturen, die den globalen Markt der Luxusuhren dominieren. Die Schweizer Luxusuhrenindustrie hat rechtzeitig auf den chinesischen Markt gesetzt . Dort versteht man die Begriffe Uhr und Schweiz inzwischen als Synonym.
Wie viele Uhren Chinesen tragen
Für reiche Chinesen ist die Uhr das einzige Schmuckstück, das auf einen Blick den Status des Trägers verrät. Der Markt für die zum Luxusprodukt gestylten Zeitmesser mit dem Qualitätssiegel "made in Switzerland" boomt deshalb im Reich der Mitte, obwohl in jüngster Zeit infolge der Antikorruptionskampagne allzu protzige Uhren verdächtig wirken könnten. Gefragt sind jetzt möglichst traditionsreiche und klangvolle Markennamen. Den größten Wert haben Uhren, deren Werke noch selbst hergestellt und nicht eingekauft werden. Inzwischen gehört in China laut Zürcher "Weltwoche" zum Standard der 60.000 Superreichen, die ein durchschnittliches Vermögen von umgerechnet etwa 140 Millionen Franken (über 116 Millionen Euro) haben, der Besitz von drei Immobilien, vier Autos und fünf Luxusuhren.
Investor-Info
Schweizer Uhrenexporte
Mechanische Uhren im Trend
Die Nachfrage nach mechanischen Uhren steigt seit Jahren immer weiter. Dies spiegelt sich nicht nur in den verkauften Stückzahlen wider - die Uhren werden auch immer teurer. Weniger gefragt sind hingegen die batteriebetriebenen elektronischen Uhren.
Größte Exportländer
Schweizer Uhren gefragt
Die Schweiz war bei Uhrenexporten 2013 führend. Sie exportierte Produkte im Gegenwert von 23,6 Milliarden Dollar in die ganze Welt - gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von knapp zwei Prozent. Hauptabnehmer waren die USA und China.
Richemont
Schicke Uhren, edle Federn
Der Schweizer Luxuskonzern setzt neben Uhren
auf Schmuck, Schreibgeräte und Bekleidung. Zuletzt hat die Nachfrage aus China nach Luxusgütern etwas nachgelassen, das belastet den Kurs. Für 2015 wird nur ein geringes Gewinnwachstum erwartet. Gemessen daran ist die Aktie teuer. Abwarten.
Swatch
Bunte Uhren aus Plastik
Zum breiten Portfolio der Schweizer Gruppe gehören neben bunten Plastikuhren auch Marken wie Omega oder Tissot. Nach starken Kursverlusten im vergangenen Jahr ist die Aktie günstig bewertet. Kursschwäche zum Einstieg nutzen.
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Bildquellen: Fedor Selivanov / Shutterstock.com, Alexander Chaikin / Shutterstock.com
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21.01.2025 | Richemont Outperform | Bernstein Research | |
20.01.2025 | Richemont Overweight | Barclays Capital |
Datum | Rating | Analyst | |
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22.01.2025 | Richemont Hold | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
21.01.2025 | Richemont Sector Perform | RBC Capital Markets | |
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