Trotz Geldschwemme

Negative Inflation setzt EZB unter Zugzwang

30.09.15 12:45 Uhr

Negative Inflation setzt EZB unter Zugzwang | finanzen.net

Die schwache Inflation im Euroraum will trotz der erheblichen Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht anspringen.

Die Verbraucherpreise gingen im September erstmals seit einem halben Jahr wieder zurück, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch mitteilte. Die jährliche Inflationsrate betrug minus 0,1 Prozent. Das ist der erste Rückgang des Preisniveaus seit März. Bankvolkswirte hatten eine Stagnation erwartet. Im Vormonat waren die Verbraucherpreise leicht um 0,1 Prozent gestiegen.

Nach wie vor sorgen die im Jahresvergleich stark gefallenen Ölpreise für erheblichen Druck auf die Teuerung in der Eurozone. Die Energiepreise lagen im September 8,9 Prozent tiefer als vor einem Jahr. Einige Bankvolkswirte wiesen jedoch darauf hin, dass der Preisverfall auch auf andere Gütergruppen übergreifen könnte. Der zuletzt weiter gefallene Ölpreis bremse mit zeitlicher Verzögerung den Preisanstieg außerhalb des Energiesektors, kommentierte etwa Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.

KERNRATE STABIL

Noch ist davon aber wenig zu sehen. Die Kernrate, die schwankungsanfällige Güter wie Energie und Nahrungsmittel ausklammert und den grundlegenden Preistrend wiedergibt, lag im September deutlich höher als die Gesamtteuerung. Die Kernrate verharrte auf ihrem Vormonatswert von 0,9 Prozent. Allerdings ist auch das weniger als das von der EZB mittelfristig angestrebte Preisziel von knapp zwei Prozent.

Teurer waren im September vor allem unverarbeitete Lebensmittel, deren Preise im Durchschnitt um 2,7 Prozent stiegen. Dienstleistungen waren 1,3 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, während sich Industriegüter mit 0,3 Prozent kaum verteuerten.

EZB UNTER DRUCK

Die Daten dürften neuerlichen Druck auf die EZB ausüben. Die Notenbanker um ihren Chef Mario Draghi kämpfen seit März mit erheblichen Wertpapierkäufen gegen die aus ihrer Sicht zu schwache Inflation - bisher mit geringem Erfolg. An den Finanzmärkten und unter Analysten wird bereits über eine Ausweitung der Geldschwemme spekuliert.

Volkswirte sehen die EZB nicht nur wegen der Gefahr, dass der Ölpreisverfall auf andere Gütergruppen ausstrahlen könnte, unter Zugzwang. Zudem verweisen sie auf das Risiko, dass die für die Geldpolitik wichtigen Inflationserwartungen weiter fallen könnten. Schon jetzt liegen die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten deutlich unterhalb der Zwei-Prozent-Ziels der EZB.

S&P RECHNET MIT MEHR ANLEIHEKÄUFEN

Einige Experten sehen es als besonders kritisch an, dass die erwartete Inflation so stark von der Ölpreisentwicklung beeinflusst wird. Der Grund: Dies kann ein Indiz für nicht mehr fest "verankerte" - also stabile - Inflationserwartungen sein. Fallende Inflationserwartungen können die tatsächliche Inflation drücken, falls Verbraucher in Erwartung fallender Preise Käufe aufschieben oder Unternehmen Investitionen zurückstellen.

Die Ratingagentur S&P erwartet bereits eine zeitliche Verlängerung der Anleihekäufe durch die EZB. Der geplante Kaufstopp dürfte demnach von September 2016 auf Mitte 2018 verschoben werden. Dies entspreche einer rechnerischen Ausweitung des Kaufvolumens von 1,1 Billionen auf 2,4 Billionen Euro, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch.

LUXEMBURG (dpa-AFX)

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