Ton wird rauer

Machtkampf ums Weiße Haus: Biden nennt Trumps Verhalten 'beschämend'

11.11.20 17:59 Uhr

Machtkampf ums Weiße Haus: Biden nennt Trumps Verhalten 'beschämend' | finanzen.net

Der Ton in den USA wird schärfer: Als "beschämend" hat der gewählte Präsident Joe Biden das Verhalten von Amtsinhaber Donald Trump bezeichnet, der weiter von einer "gefälschten Wahl" spricht.

Der gewählte US-Präsident Joe Biden bereitet sich trotz des Widerstands von Amtsinhaber Donald Trump auf die Regierungsübernahme vor. "Ehrlich gesagt, wir sehen nichts, was uns dabei ausbremst", betonte Biden. Er glaube nicht, dass rechtliche Schritte gegen Trump notwendig würden, sagte der 77-Jährige am Dienstag (Ortszeit) in Wilmington (Delaware). Biden nannte es "beschämend", dass Trump seine Wahlniederlage nicht einräume. "Wie kann ich das taktvoll sagen? Ich denke, es wird dem Vermächtnis des Präsidenten nicht helfen."

Trumps Anwälte reichten unterdessen weitere Klagen ein, mit denen sie das Wahlergebnis in einzelnen Bundesstaaten kippen wollen. "Wir gewinnen", wiederholte der Präsident am Mittwoch bei Twitter, obwohl er deutlich hinter Biden zurückliegt. Trump sprach von einem Berg von Korruption und Unehrlichkeit in Philadelphia (Pennsylvania), ohne Beweise vorzulegen.

Biden stellte in Aussicht, dass er schon vor dem Erntedankfest am 26. November erste Kandidaten für sein Kabinett benennen könnte. Andererseits verweigert Trumps Regierung dem gewählten Präsidenten bislang die gesetzlich vorgesehene Unterstützung für eine geordnete Amtsübergabe ("transition"). Bidens Team fehlen damit Millionen US-Dollar, vertrauliche Informationen der Geheimdienste sowie der Zugang zu allen Ministerien und Behörden, um dort den Übergang vorzubereiten. Biden sagte, er werde Trump am 20. Januar ablösen, mit oder ohne Unterstützung der Regierung. Eine geordnete Übergabe gilt als wichtig, um sicherzustellen, dass der neue Präsident ab dem ersten Tag voll handlungsfähig ist.

Ein Kommissarin der Wahlkommission des Bundes, Ellen Weintraub, forderte die zuständige Behördenleiterin auf, die Mittel für Bidens Team sofort freizugeben. Jede Stunde Verzögerung mache es für die künftige Regierung schwieriger, mit ihrem offiziellen Dienstantritt im Januar komplexe Probleme wie die Corona-Pandemie anzugehen, schrieb die Demokratin in einem Brief. Dass sich Trump weigere, seine Niederlage einzugestehen, spiele bei der gesetzlich vorgeschriebenen Einleitung der Amtsübergabe keine Rolle, betonte sie.

Ganz anders klang das in Trumps Lager. Außenminister Mike Pompeo sagte: "Es wird einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung geben." Trump lobte den Außenminister umgehend auf Twitter. Der am Dienstag in seiner Funktion als Mehrheitsführer der Republikaner im Senat bestätigte Politveteran Mitch McConnell will in der Haltung Trumps keinen Grund zur Beunruhigung erkennen: "Das ist nicht ungewöhnlich. Es sollte nicht alarmierend sein." Wenn die Bundesstaaten ihre Ergebnisse amtlich bestätigt hätten, würden die 538 Wahlleute einen Gewinner bestimmen. "Und diese Person wird am 20. Januar vereidigt werden", sagte McConnell. Nur fünf republikanische Senatoren haben Biden bisher zum Sieg gratuliert.

Trump verschickte eine Serie von Tweets in Großbuchstaben, in denen er ohne Belege erneut von Missbrauch bei der Stimmenauszählung sprach. Sein Wahlkampfteam warb weiter um Spenden für den Rechtsstreit. US-Medien berichteten, dass Trump die Mittel womöglich für politische Aktivitäten nach seiner Zeit im Weißen Haus einsetzen wolle. Am Dienstagabend (Ortszeit) legte Trump nach: "Die Menschen werden diese gefälschte Wahl nicht akzeptieren". Twitter versah die Nachricht umgehend mit einem Warnhinweis.

Nachweisen konnten Trump und seine Republikaner die angeblichen Fälle massiver Wahlfälschung bisher trotz mehrerer eingereichter Klagen nicht. In den betroffenen Bundesstaaten haben unter anderen auch Republikaner die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hatten bei der US-Wahl keine Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Im Philadelphia betonte der zuständige Behördenleiter Al Schmidt, selbst ein Republikaner, dass es entgegen allen Behauptungen keine großangelegte Wahlfälschung gegeben habe. "Ich habe in sozialen Medien die fantastischsten Dinge gesehen - die alle nichts mit der Realität zu tun haben", sagte er im Fernsehsender CNN. So habe seine Behörde eine im Netz kursierende Liste von toten Personen überprüft, die angeblich abgestimmt hätten. In nicht einem Fall habe sich das bestätigt. Philadelphia, wo Trump und seine Anhänger von besonders massiven Wahlfälschungen sprechen, will die Wahlergebnisse zum 23. November amtlich bestätigen.

Biden war am Samstag vergangener Woche aufgrund von Erhebungen und Prognosen der US-Medien zum Sieger erklärt worden.

Georgia zählt Stimmen der US-Präsidentenwahl neu aus

Der US-Bundesstaat Georgia wird alle bei der Präsidentenwahl abgegebenen Stimmen neu per Hand auszählen. Das gab der zuständige Staatssekretär Brad Raffensperger am Mittwoch bekannt. Das sei die richtige Entscheidung angesichts des knappen Abstands zwischen Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden, sagte er.

Georgia ist nicht entscheidend für den Wahlsieg Bidens. Der Bundesstaat Pennsylvania hob ihn bereits über die Schwelle der nötigen 270 Wahlleute. Georgia mit 16 Wahlleuten könnte Bidens Erfolg höchstens noch zementieren - oder eine Rolle spielen, wenn es den Trump-Anwälten gelingen sollte, die Ergebnisse in anderen Bundesstaaten zu kippen. Die Chancen darauf werden von US-Rechtsexperten allerdings als sehr gering eingeschätzt.

Biden führt in Georgia mit einem Abstand von 14 111 Stimmen, sagte Raffensperger. Das ist vielfach mehr als die Differenz bei früheren Neuauszählungen. In Georgia wurden rund fünf Millionen Stimmen abgegeben. Biden wäre der erste Demokrat seit Bill Clinton 1992, der in Georgia bei einer Präsidentenwahl gewinnt.

Trumps Wahlkampfteam reicht auch in Michigan Klage ein

Das Wahlkampfteam von Donald Trump hat eine weitere Klage gegen das Ergebnis der US-Präsidentenwahl eingereicht.

Vor einem Bundesgericht in Michigan machte es am Mittwoch unter anderem geltend, dass in dem Bundesstaat "illegale und unzulässige Stimmzettel" erfasst worden seien. Das Ergebnis in Michigan - ein Sieg für den demokratischen Herausforderer Joe Biden - dürfe nicht beglaubigt werden, vielmehr müsse in einigen Bezirken eine Neuwahl geprüft werden. Ein Sprecher des Landesinnenministeriums warf dem Team des Republikaners Verbreitung von Falschinformationen vor. Die Abstimmung sei "fair, sicher und transparent" verlaufen.

In Michigan liegt Trump nach inoffiziellen Ergebnissen mehr als 148.000 Stimmen - etwa 2,6 Prozentpunkte - hinter Biden. Die Präsidentenwahl vergangene Woche an sich hat der Demokrat Experten, Medien und Datenanbietern zufolge gewonnen. Trump hat jedoch entgegen den US-Geflogenheiten bislang keine Niederlage eingeräumt. Er macht für den Ausgang umfassenden Betrug verantwortlich. Belege hat er dafür nicht präsentiert, Wahlbeobachter wie die der OSZE sehen keinen Hinweis darauf. Wie in Michigan hat Trumps Team trotzdem zahlreiche Klagen eingereicht, die Rechtsexperten zufolge den Ausgang nicht ändern dürften. Angesichts des hitzig geführten Streits will Facebook einer E-Mail an Werbekunden zufolge sein Verbot von Wahlwerbung in den USA um einen Monat verlängern.

Noch immer sind nicht alle US-Bundesstaaten ausgezählt. Der Datenanbieter Edison Research sagte am Mittwoch einen Sieg für Trump in Alaska (drei Wahlleute) voraus. Der Ausgang in dem Bundesstaat mit 732.000 Einwohnern - grob so viele wie Frankfurt am Main - war allgemein erwartet worden und ändert das Gesamtbild nicht. Edison zufolge stehen die Ergebnisse noch in Arizona (11 WL), North Carolina (15 WL) und Georgia (16 WL) aus. Da Biden bereits mehr als 270 Wahlleute gewonnen hat, könnte Trump ihn selbst bei einem Sieg in allen drei Staaten nicht einholen. In Georgia steht wegen des knappen Ausgangs zudem eine Neuauszählung an. Der Innenminister des Bundesstaates, Brad Raffensperger, kündigte eine Überprüfung der Stimmzettel per Hand an. "Wir wollen damit anfangen, bevor die Woche um ist", sagte er.

WASHINGTON / NEW YORK (dpa-AFX / Reuters)

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