Steuern: Was sich 2011 alles ändert
Seit Januar kommen zahlreiche Neuerungen auf die Steuerzahler zu. Steuerberater Stefan Thiem beantwortet im Rahmen der Telefonaktion von Euro am Sonntag Ihre steuerrechtlichen Fragen.
von S. Bauer, W. Ehrensberger, P. Gewalt und M. Hinterberger, Euro am Sonntag
Stefan Thiem ist Anwalt und Steuerberater in der Kanzlei Ebner Stolz Mönning Bachem. Der Experte für Abgeltungsteuer und Kapitaleinkünfte war beeindruckt von der Vielzahl der steuerlichen Fragen und deren Komplexität. „Gut, dass ich die entsprechende Literatur zur Hand hatte“, sagte der Steuerberater nach der Telefonaktion. Zentimeterdicke Anwendungsschreiben aus dem Bundesfinanzministerium sprechen da für sich. Ob thesaurierende Auslandsfonds, Quellensteuer oder Werbungskosten, die Pauschalsteuer, die vieles einfacher machen sollte, beschäftigt die Leser mehr als jedes andere Gebiet des Steuerrechts. Neben ihren Fragen äußerten viele Leser ihren Unmut über die Abgeltungsteuer. Es gibt offenbar noch viel zu tun für Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Anleger: Ich habe im Oktober 2008 HRE Aktien gekauft und sie im Mai 2009 mit einem Verlust von 1200 Euro verkauft. Bei meiner Steuererklärung wurden aber nur 600 Euro Verlust anerkannt, weil das Halbeinkünfteverfahren gilt. Ist das so richtig?
Stefan Thiem: Leider ja. Denn 2008, als Sie die Aktien gekauft haben, galt noch das Halbeinkünfteverfahren. Das war für Anleger insofern günstig, da sie nur die Hälfte ihrer Erträge versteuern mussten. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass das nur die Hälfte der Verluste in der Steuererklärung geltend gemacht werden kann.
Mein Steuersatz liegt unterhalb des Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, dennoch wurden meine Kapitaleinkünfte der Abgeltungssteuer versteuert. Was kann ich dagegen tun?
Sie können eine Günstigerprüfung beantragen. Auf der Anlage KAP finden Sie in Zeile 4 ein entsprechendes Feld. Ist dies angekreuzt, prüft das Finanzamt ihren Sachverhalt und wendet, die für Sie günstigere Besteuerung an. Beachten Sie, Sie müssen sämtliche Kapitalerträge von Ihnen und Ihres Ehegatten erklären. Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 werden neben der Einkommensteuer auch die Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag) in den Steuerbelastungsvergleich einbezogen.
Ich habe meinem sechsjährigen Enkel ein Depot übertragen, verfüge aber weiterhin über eine Kontovollmacht. Kann ich auf die Dividenden zugreifen? Oder kann ich von dem Geld etwas abheben?
Sie haben eine Vollübertragung gemacht, daher haben sie kein Recht auf die Dividenden im Sinne eines Nießbrauchs. Die Erträge stehen dem Enkel zu, da er allerdings erst sechs Jahre alt ist, haben seine Eltern zivilrechtlich betrachtet das Vermögenssorgerecht. Was aber nicht heißt, dass sie nach Belieben mit dem Geld verfahren können. Das Geld muss für das Kind, etwa für ein neues Kinderzimmer ausgegeben werden. Würde der Enkel das Depot oder die Dividenden an Sie wieder zurückschenken, droht Schenkungsteuer. Denn bei Schenkungen des Opas an den Enkel gibt es innerhalb von zehn Jahren einen Freibetrag von 200.000 Euro, beim Zurückschenken des Enkels an Sie liegt dieser nur bei 20.000 Euro.
Ich bin Kunde einer Vermögensverwaltung, die mir eine so genannte All-in-Fee berechnet, das heißt ich zahle eine Gebühr und sonst nichts. Kann ich diese All-in-Fee in meiner Steuererklärung geltend machen?
Zunächst einmal ist zu sagen, dass bei der Abgeltungsteuer grundsätzlich keine Werbungskosten mehr angesetzt werden können. Bei einzelnen Transaktionen können aber die darauf entfallenden Transaktionskosten nach wie vor berücksichtigt werden, sofern sie 50 % der gesamten Kosten nicht überschreiten. Die Vermögensverwaltung wird deshalb einen Teil ihrer Kosten als Transaktionsgebühren ausweisen. Bei Kenntnis wird bereits die Bank den Teil der Transaktionskosten in den Verlusttopf einstellen, falls nicht empfiehlt sich die Abgabe einer Steuererklärung und die Korrektur der von der Bank bescheinigten Beträge. Beachten Sie, Einzeltransaktionskosten können dann nicht mehr abgesetzt werden.
Deutschland und die Schweiz haben sich auf einen umfangreichen Informationsaustausch geeinigt. Was ist der bessere Weg? Abwarten oder eine Selbstanzeige?
Generell empfiehlt sich eine Selbstanzeige – hier wird es vom Gesetzgeber in nächster Zukunft Verschärfungen geben, es empfiehlt sich deshalb dringend, fachlichen Rat einzuholen. Im Januar beginnen die Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz darüber, in welchem Umfang der Informationsaustausch stattfinden soll. Eine der wichtigsten Fragen ist, wie die Altfälle behandelt werden. Doch Abwarten ist sicher ein schlechter Rat. Die Verjährungsfristen sind lang. Sie betragen grundsätzlich fünf Jahre aus strafrechtlicher und zehn Jahre aus steuerrechtlicher Sicht.
Ich habe spanische Aktien (Banco Santander, Telefonica) in meinem Depot. Seit Herbst wird hier neben der Abgeltungssteuer (25 Prozent) auch noch die spanische Quellensteuer von 19 Prozent abgezogen. Die sonst übliche Verrechnung 15 Prozent findet nicht statt. Das wird gemacht, da man theoretisch die 19 Prozent vom spanischen Finanzamt erstattet bekommt. Der dazu nötige Antrag erfordert allerdings viel bürokratischen Aufwand, spätestens an der geforderten Bankverbindung in Spanien scheitert der Kleinanleger. Was kann ich tun?
Die jenseits der Grenze einbehalte Abgabe mindert die Abgeltungsteuer gemäß § 32d Abs. 5 EStG und wird direkt beim Steuerabzug durch die inländische Bank angesetzt. Die Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt dabei jeweils bei Zufluss.
Ein Beispiel: Der Anleger erhält eine US-Dividende von 100 Euro. Darauf wird die Abgeltungsteuer von 25 Prozent also 25 Euro fällig. Darauf kann er die amerikanische Quellensteuer von 15 Euro anrechnen. Folglich zahlt er noch zehn Euro Abgeltungssteuer.
Sofern nach Verlustverrechnung und Anwendung des Freistellungsauftrags die Abgeltungsteuer geringer ist als die anrechenbare ausländische Quellensteuer, wird der Anrechnungsüberhang vom Kreditinstitut im laufenden Jahr so lange vorgehalten, bis sich eine Verrechnungsmöglichkeit mit positiven Einnahmen ergibt. Da kein Übertrag aufs Folgejahr möglich ist, wird die am Ende des Jahres nicht verbrauchte Quellensteuer gesondert bescheinigt, damit der Kunde diese gegebenenfalls mit anderweitig geschuldeter Abgeltungsteuer im Rahmen der Veranlagung verrechnen kann.
Achtung! Ist eine Verrechnung der Quellensteuer weder über die Bank noch über das Finanzamt möglich, verfällt die ausländische Steuer, da sie - anders als negative Kapitaleinnahmen - weder auf Ebene der Banken noch über die Veranlagung ins Folgejahr übertragen werden kann. Sofern das droht, sollten Sparer kurz vor Silvester eines Jahres noch gezielt Einnahmen produzieren, etwa durch vorzeitige Kündigung von Festgeld oder dem Verkauf von Anleihen mit Stückzinsen.
Die Gesellschaft, an der ich Aktien besitze ist übernommen worden und ich habe als Entschädigung Aktien der neuen Gesellschaft bekommen. Welcher Anschaffungszeitraum gilt nun? Ich hab die alte Aktie vor Einführung der Abgeltungssteuer gekauft.
Es gilt der Anschaffungszeitraum der Altaktie. Das nennt sich Steuerneutralität bei Kapitalmaßnahmen, die jüngst durch das Jahressteuergesetz 2010 auf Inlandsbeteiligungen ausgeweitet wurde. Dennoch sollten Sie, wenn Sie die Aktien verkaufen wollen, sich das noch einmal genau anschauen, um Enttäuschungen zu vermeiden. Sollte die Abgeltungssteuer nicht gelten und sie haben die Aktien länger als ein Jahr gehalten, dürften sie den Gewinn aus der Veräußerung steuerfrei einstreichen.
Wie verhält es sich bei einem Spin-Off?
Hier wird die neue Aktie als Neuanschaffung gewertet, folglich gibt es auch keine Spekulationsfrist.
Werden Reisekosten zu Hauptversammlungen im Ausland als Werbungskosten anerkannt?
Nein. Generell werden bei der Abgeltungsteuer keine Werbungskosten mehr anerkannt. Zu Gunsten des Steuerpflichtigen gibt es nur mehr den sog. Sparer-Pauschbetrag (801 EUR bei Singles und 1.602 EUR bei Ehegatten).
Stimmt es, dass Banken für die Nichtveranlagungsbescheinigung ab 2011 Kapitalerträge an das Bundeszentralamt für Steuern melden müssen?
Im Jahressteuergesetz 2010 wurde diese Frage geregelt. Ab dem 1. Januar 2012 zufließende Kapitalerträge, die aufgrund der Nichtveranlagungsbescheinigung nicht der Abgeltungsteuer unterliegen, müssen von den Banken an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet werden.
Ich besitze einen ausländischen thesaurierenden Fonds und habe den Eindruck, dass ich doppelt besteuert wurde. Einerseits bei der Einkommensteuer zu meinem persönlichen Steuersatz. Zum anderen habe ich noch Abgeltungssteuer gezahlt. Ist das rechtens?
Sollten Sie tatsächlich doppelt Steuern gezahlt haben, liegt ein Fehler beim Finanzamt vor, gegen den Sie Einspruch erheben sollten. Bei einem ausländischen thesaurierenden Fonds wird die Abgeltungssteuer nicht einbehalten, weder von der Fondsgesellschaft noch von der Bank. Daher muss der Fonds in der Einkommensteuererklärung erklärt werden. Auf ihn entfällt aber trotzdem nur die Abgeltungssteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer. In der Anlage KAP machen Sie ein Kreuz in Zeile 5 „Ich beantrage eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge“ und geben den Fonds an.
Ich bin kroatischer Staatsbürger und habe meinen Wohnsitz in Kroatien. Ich wollte ein Wertpapierdepot bei einer deutschen Bank eröffnen. Dabei bin ich auf die Information gestoßen, dass es in Deutschland die Abgeltungssteuer gibt, und dass bei jedem Gewinn beim Traden ca. 26,5 % direkt bei dem Geldinstitut abgerechnet wird. Bezieht sich diese Abgeltungsteuer auch auf die Bankkunden, die nicht in Deutschland steuerpflichtig sind (also wird diese Steuer automatisch auch bei gemachtem Gewinn der Ausländer abgebucht)?
Nur soweit Sie mit diesen Einkünften in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind wird auch die Abgeltungsteuer erhoben. Wenn Sie z.B. Siemens-Aktien verkaufen, dann wird auf den Gewinn die Abgeltungsteuer einbehalten. Wenn Sie z.B. General Electric-Aktien verkaufen oder Dividenden hieraus erhalten, so wird keine deutsche Abgeltungsteuer einbehalten. Sie sollten in Kroatien prüfen lassen, ob die deutsche Abgeltungsteuer auf Ihre kroatische Steuer angerechnet werden kann.
Die wichtigsten Steueränderungen 2011
Mit dem Jahressteuergesetz 2010 kommen ab 1. Januar 2011 zahlreiche Neuerungen auf die Steuerzahler zu.
Im Zentrum der Änderungen steht die Steueridentifikationsnummer, mit deren Hilfe der Fiskus die Steuerbürger noch genauer kontrollieren will und wahrscheinlich auch kann. Diese Nummer muss ab 2011 etwa beim Freistellungsauftrag angegeben werden. Fehlt die Steuer-ID, sind Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne auch im Rahmen des Sparer-Pauschbetrags von 801 Euro oder 1602 Euro für Paare steuerpflichtig. Man muss also eine Einkommensteuererklärung abgeben, um den Sparer-Pauschbetrag nutzen zu können. Für bereits erteilte Freistellungsaufträge gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2016. Allen,
die ihr Depot im Rahmen einer Schenkung übertragen, schaut das Finanzamt ganz genau auf die Finger. Wer seine Steueridentifikationsnummer und die des Beschenkten nicht angibt, bekommt Probleme. „Das Kreditinstitut hat den Übertragungsvorgang als steuerpflichtige Veräußerung zu behandeln“, heißt es im Gesetz. Zwei Seiten der Medaille gibt es bei privaten Spekulationsgeschäften. Wer etwa einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs wie einen Jahreswagen mit Gewinn verkauft, kann das Geld steuerfrei einstreichen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass eventuelle Verluste nicht mehr mit Kapitaleinkünften verrechnet werden können. Bummelt der Fiskus bei der Erstattung zu viel gezahlter Steuern, muss er pro Jahr sechs Prozent Zinsen zahlen. Zwar sind diese Zinsen laut Bundesfinanzhof steuerfrei (Az. VIII R 33/07), doch das Jahressteuergesetz ignoriert diese Einlassung. Die Regelung gilt auch für Steuerbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind. Achtung: Nachzahlungszinsen sind nach wie vor nicht abzugsfähig. Wer eine Anleihe vor dem 1. Januar 2009 gekauft und später verkauft hat, muss die vom Erwerber gezahlten Stückzinsen versteuern. Das gilt auch, wenn der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig ist.