Teil 2

Grexit: Droht das Ende der Eurozone?

20.02.15 14:30 Uhr

Grexit: Droht das Ende der Eurozone? | finanzen.net

Die neue griechische Regierung geht auf Konfrontationskurs mit den Gläubigern des hochverschuldeten Landes und riskiert sogar das Ausscheiden aus der Eurozone (Grexit).

"Der Euro ist instabil wie ein Kartenhaus", hatte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis erst kürzlich in einem Interview erklärt. "Wenn man die griechische Karte rauszieht, werden die anderen zusammenfallen." Er schürt damit bewusst die Angst vor einem Domino-Effekt, um die Euro-Partner zum Einlenken zu bewegen.

Wer­bung

"Nach einem griechischen Euro-Austritt drohen Ansteckungsgefahren. Dann werden die großen Finanzinvestoren allen Euroländern ein anderes Rating geben und risikoadäquate Zinsen verlangen", fürchtet auch der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Anton F. Börner. "Dann gehen Volkswirtschaften wie Italien oder Portugal kaputt. Einen Zerfall der Eurozone in einen Südeuro mit Frankreich und einen Nordeuro um Deutschland und die Niederlande steht die deutsche Volkswirtschaft nur sehr schwer durch."

Auch IMK-Direktor Gustav Horn sieht die Eurozone in ihrer bisherigen Form am Ende, sollte im Schuldenstreit keine Einigung erzielt werden. Kündigt Griechenland tatsächlich die Zusammenarbeit auf, muss der Rest des Euroraums Farbe bekennen. Bleiben die Geldgeber bei ihrer "bisherigen wirtschaftspolitischen Linie, dass nur eine Kombination aus Sparpolitik, strukturellen Reformen zu Lasten der Arbeitnehmer und eine pünktliche Bedienung der Schulden wirtschaftliche Genesung verspricht, ist der Euroraum in seiner bisherigen Gestalt am Ende", warnt Horn. Die Geldgeber müssten erkennen, dass ihre bisherige Strategie gescheitert sei. "Ohne Kurskorrektur in der Finanzpolitik wird ein Schuldenschnitt unvermeidlich", ist Gustav Horn überzeugt.

Ins selbe Horn bläst auch der US-Ökonom Barry Eichengreen, der sich dafür ausspricht, der neugewählten griechischen Regierung etwas mehr Zeit zu geben. Für ihn wären die Folgen des "Grexit" verheerend: "Sie würden auf andere Länder übergreifen. Wenn portugiesische Familien oder spanische Unternehmen sehen, wie aus Euro wieder Drachmen werden, werden sie ihr Geld vom Konto holen. Das könnte sich zu einem Ansturm auf die Banken ausweiten. Investoren würden über den nächsten Austrittskandidaten spekulieren". Damit wäre das ganze Euro-Projekt gefährdet.

Wer­bung

Eichengreen verweist zudem auf die Auswirkungen auf die geostrategische Situation in Europa. "Der Westen wird kaum wollen, dass sich Russland als Retter inszeniert und plötzlich der Kreml in Europa mitmischt. Das hätte dramatische Folgen für das Militärbündnis Nato."

Grexit könnte auch positiv ausgehen

Dagegen hält es Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann für möglich, dass der Euro positiv auf einen drohenden Ausstieg des überschuldeten Landes aus dem Euro (Grexit) reagieren würde, weil sich das Horrorszenario "Rückkehr der Euroraum-Krise" als unbegründet erweisen könnte.

Auch in deutschen Regierungskreisen werden hinter verschlossenen Türen scheinbar Töne angeschlagen, die sich deutlich von der offiziellen Linie unterscheiden: Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" will wissen, dass die Regierung in Berlin bereit sei, Griechenland notfalls aus der Eurozone ausscheiden zu lassen. Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hielten einen Austritt des Landes aus der Gemeinschaftswährung für verkraftbar. Seit dem Krisenhöhepunkt 2012 habe die Eurozone nach Meinung der deutschen Regierungsspitze solche Fortschritte gemacht, dass die Ansteckungsgefahr für andere Schuldenländer begrenzt sei. So gelten etwa Portugal und Irland als saniert. Weiteren Grund zum Optimismus liefern die inzwischen installierten Stabilisierungsmechanismen, wie der Rettungsschirm ESM oder die Bankenunion. Damit würde die Grexit-Drohung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras ins Leere laufen. Das Erpressungspotential wäre demnach gering, auch wenn man das in Athen anders sieht.

Wer­bung

Ähnlich sieht es auch die Ratingagentur Standard & Poor's: "Alles in allem sind wir der Meinung, dass ein Grexit keine direkte Ansteckungsgefahr in dem Maße birgt, die andere Staaten aus der Eurozone treiben würde", so S&P-Kreditanalyst Moritz Krämer. Er stützt sich bei dieser Einschätzung auf den eingeführten Stabilitätsmechanismus ESM sowie die inzwischen reduzierten Verflechtungen Griechenlands mit den Finanzmärkten.

Verbleib in der Eurozone erwünscht

Trotz aller Unstimmigkeiten ist eine große Mehrheit der deutschen und griechischen Bevölkerung gegen den "Grexit". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich nach der Griechenlandwahl für einen Verbleib des Landes in der Eurozone ausgesprochen. "Deutschlands Politik ist darauf ausgerichtet, Griechenland im Euro zu halten", erklärte Merkel weiter. Damit vertritt sie - zumindest öffentlich - auch die Meinung ihrer Wähler: Laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag von "BILD am SONNTAG" sprechen sich 62 Prozent der Deutschen für den Verbleib Griechenlands im Euroraum aus. Allerdings verlieren die Deutschen aufgrund des kompromisslosen Vorgehens der neuen griechischen Regierung zunehmend die Geduld. Ein Umschlagen der Griechen-freundlichen Stimmung ist nicht ausgeschlossen.

In Griechenland ist der Wunsch zum Festhalten am Euro sogar noch stärker verbreitet: In einer von griechischen Medien veröffentlichten Untersuchung des Instituts GPO sprachen sich drei Viertel der befragten Griechen dafür aus, dass ihr Land "um jeden Preis" Teil der Eurozone bleibt.

Kompromissbereitschaft erforderlich

Eine Lösung kann nur durch Kompromissbereitschaft beider Streitparteien gefunden werden. Athen müsste seine tiefgreifenden Reformen fortsetzen, während die übrigen Regierungen einsehen müssten, dass der überharte Sparkurs die griechische Bevölkerung über die Maßen belastet und keinen Aufschwung zulässt. Wird Griechenland dagegen mehr Spielraum bei den Staatsausgaben eingeräumt, so könnte dies zu einer Belebung der griechischen Wirtschaft führen, ohne die das Land gar nicht fähig wäre, seine Schulden zu begleichen.

Hier geht es zum Teil 1: Diese dramatischen Folgen hätte ein Grexit für die Anleger

Von Thomas Zoller

Bildquellen: wjarek / Shutterstock.com, kanvag / Shutterstock.com