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Britisches Pfund belastet: Queen genehmigt Johnsons beantragte vorübergehende Parlamentsschließung vor Brexit-Termin

28.08.19 20:34 Uhr

Britisches Pfund belastet: Queen genehmigt Johnsons beantragte vorübergehende Parlamentsschließung vor Brexit-Termin | finanzen.net

Der britische Premierminister Boris Johnson will das Parlament vor dem Brexit-Termin am 31. Oktober vorübergehend schließen. Die Queen genehmigte nun die vorübergehende Parlamentsschließung.

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Knapp zwei Monate vor dem geplanten EU-Austritt hat der britische Premierminister Boris Johnson eine vorübergehende Schließung des Parlaments beantragt.

Queen Elizabeth II. genehmigt vorübergehende Parlamentsschließung

Die britische Königin Elizabeth II. hat die von der Regierung beantragte vorübergehende Parlamentsschließung genehmigt. Das teilte der Kronrat (Privy Council) am Mittwoch mit.

Demnach soll die laufende Sitzungsperiode des Parlaments frühestens am 9. und spätestens am 12. September unterbrochen werden. Ihre Tore öffnen sollen die Houses of Parliament dann erst wieder am 14. Oktober.

Premierminister Johnson hatte angekündigt, die laufende Sitzungsperiode des Parlamentes von Mitte September bis Mitte Oktober zu unterbrechen, um sein neues Regierungsprogramm vorzustellen. Anschuldigungen, er wolle damit die Abgeordneten daran hindern, einen Brexit ohne Abkommen abzuwenden, bezeichnete Johnson als "vollkommen unwahr". Pläne von No-Deal-Gegnern, einen Ausscheiden des Landes ohne Abkommen am 31. Oktober per Gesetz zu verhindern, dürften in der kurzen Zeit jedoch kaum noch umsetzbar sein.

Abgeordnete meinten, damit wachse die Aussicht auf einen Misstrauensantrag gegen den erst seit rund fünf Wochen amtierenden Johnson, wenn das Parlament nächste Woche aus der Sommerpause kommt.

Parlamentspräsident John Bercow war empört. Johnsons Pläne seien ein "Frevel gegen die Verfassung". "Wie auch immer man es verpackt, es ist ganz offensichtlich, dass die Absicht hinter einer Sitzungsunterbrechung zu diesem Zeitpunkt wäre, das Parlament von einer Brexit-Debatte (...) abzuhalten", teilte er mit.

Auch aus dem Europaparlament kam Kritik. Dessen Brexit-Beauftragter Guy Verhofstadt drückte den Abgeordneten in London Solidarität aus. "Die Unterdrückung einer Debatte über tiefgreifende Entscheidungen wird wahrscheinlich nicht zu einer stabilen künftigen Beziehung zwischen der EU und Großbritannien beitragen", schrieb er auf Twitter. Der SPD-Europapolitiker Udo Bullmann sprach ebenfalls auf Twitter von einem "skandalösen Affront". Johnsons Brexit-Berater David Frost führte am Mittwoch Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel, wie die Sprecherin bestätigte. Es geht um die britische Forderung nach Änderungen des Austrittsvertrags. Über Ergebnisse wurde nichts bekannt. Johnson und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätten vereinbart, in Kontakt zu bleiben, sagte die Sprecherin. Sie schloss auch ein Treffen der beiden nicht aus.

Johnsons Vorstoß für die Parlaments-Zwangspause ist zeitlich so angelegt, dass es beim regulären EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober noch einmal zum Brexit-Showdown kommen könnte - zu einem letzten Lösungsversuch mit der EU vor dem Austrittsdatum 31. Oktober.

Der frühere Schatzkanzler Philip Hammond twitterte: "Zutiefst undemokratisch." Es sei eine Schande, wenn das Parlament davon abgehalten werde, der Regierung in Zeiten einer nationalen Krise auf die Finger zu schauen. "Der heutige Tag wird als schwarzer Tag für die Demokratie in Großbritannien in die Geschichte eingehen", schrieb die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon auf Twitter - wenn es den Abgeordneten nicht gelinge, Johnsons Pläne zu stoppen.

Eine Parlamentsschließung vor der Präsentation eines neuen Regierungsprogramms ist üblich. Die Zustimmung der Königin dazu gilt als Formsache. Allerdings dauert diese Pause in der Regel nicht wie in diesem Fall mehr als vier Wochen.

Johnson will unbedingt an dem Brexit-Datum 31. Oktober festhalten. Er verlangt aber neue Verhandlungen über das von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte EU-Austrittsabkommen, das mehrfach im Unterhaus gescheitert ist. Die EU schließt neue Verhandlungen aus. Johnson will in dem Fall ohne Abkommen ausscheiden.

Knackpunkt ist der sogenannte Backstop, eine Klausel, die Großbritannien so lange an bestimmte EU-Regeln bindet, bis eine andere Lösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland gefunden ist. London sieht darin inakzeptable Fesseln.

Johnson wehrte sich gegen den Vorwurf, er wolle das Parlament aushebeln. Das Unterhaus werde genügend Zeit haben, vor dem geplanten EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober über das Programm der Regierung und ihren Umgang mit dem Brexit zu debattieren. "Wenn es mir gelingt, einen Deal mit der EU auszuhandeln, hat das Parlament die Gelegenheit, das zur Ratifizierung eines solchen Deals nötige Gesetz vor dem 31. Oktober zu verabschieden."

Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte sich mit anderen Gegnern eines No-Deal-Brexits erst am Dienstag darauf verständigt, zu versuchen, ein Ausscheiden ohne Deal per Gesetz zu verhindern. Die Opposition hofft dabei auf Unterstützung von Konservativen, die ebenfalls nicht auf Johnsons Linie liegen. Für ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren dürfte die Zeit aber nun knapp werden. Er sei entsetzt über die Rücksichtslosigkeit der Regierung, teilte Corbyn mit. Die geplanten Schritte seien eine Bedrohung der Demokratie.

Der Konservative Dominic Grieve, der vehement gegen einen Austritt ohne Abkommen ist, sagte der BBC, es falle ihm schwer, Vertrauen in die Regierung zu behalten. Johnsons Schritt mache ein Misstrauensvotum wahrscheinlicher. "Boris Johnson versucht, die Königin auszunutzen, um Macht in seinen eigenen Händen zu konzentrieren", schrieb die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper.

Ungeachtet des Verfassungsstreits in Großbritannien will die EU-Kommission mit der britischen Regierung an einem vertraglich geregelten Brexit arbeiten und erwartet dafür neue Ideen aus London. "Je schneller wir umsetzbare Vorschläge sehen, desto besser", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch in Brüssel. Die innenpolitischen Entwicklungen in Großbritannien werde man nicht kommentieren.

Riesenzuspruch für Petition gegen Zwangspause im britischen Parlament

Eine Online-Petition von Bürgern gegen die Zwangspause des britischen Parlaments hatte Mittwoch innerhalb weniger Stunden mehr als 240.000 virtuelle Unterschriften eingesammelt. Die Initiatoren verlangen, dass das Parlamentsgeschehen nicht unterbrochen wird, solange Großbritannien den Austritt aus der Europäischen Union nicht verschiebt oder seinen Austrittsantrag zurückzieht.

Solche Petitionen kann jeder Bürger einbringen, sie sind vor allem symbolischer Natur. Das Parlament muss lediglich zu Petitionen mit mehr als 100.000 Unterzeichnern eine Debatte zulassen. Im April kam es zu einer solchen Debatte, weil sechs Millionen Briten eine Petition für einen Widerruf der EU-Austrittserklärung Großbritanniens gefordert hatten. Direkte Konsequenzen haben weder Petitionen noch solche Debatten.

Britisches Pfund fällt

Das britische Pfund ist am Mittwoch unter Druck geraten. Das Pfund sank nach ersten Berichten auf ein Tagestief von 1,2157 US-Dollar. Zuvor hatte es noch bei 1,2280 Dollar notiert. Aktuell verliert es 0,52 Prozent zum US-Dollar. Zum Euro verliert das Britische Pfund derzeit 0,41 Prozent und notiert bei 1,1034 Euro.

Es sei zwar schon vorher über diese "schmutzige Taktik" gesprochen worden, aber es habe die Hoffnung gegeben dass solche "undemokratischen Maßnahmen" nicht angewendet würden, schreibt Craig Erlam, Analyst bei Oanda. Der Devisenmarkt sei auf dem falschen Fuß erwischt worden, nachdem sich das Pfund in den vergangenen Tagen erholt habe.

Wenn das Parlament bis zum 14. Oktober geschlossen würde, dann würde es für das Parlament schwierig, einen harten Brexit noch zu verhindern, kommentierte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Zudem könnte die Regierung durch prozedurale Tricks die Möglichkeiten des Parlaments beschränken.

Zugelegt hat der britische Aktienmarkt. Die großen britischen Unternehmen erzielen einen Großteil ihrer Umsätze im Ausland und profitierten daher von einer Abwertung des Pfund. Zugelegt haben auch die Kurse britischer Staatsanleihen.

LONDON / FRANKFURT / BALMORAL (dpa-AFX)

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