Ausblick aufs Börsenjahr 2024: DAX muss auf Rekordniveau Vorschusslorbeeren rechtfertigen
Nach einer späten Rally im Jahr 2023 werden weitere Gewinne an den europäischen Börsen im neuen Jahr zunächst kein Selbstläufer.
Leitzinssenkungen dürften 2024 ausgemachte Sache sein, doch offen bleibt, wann diese tatsächlich kommen und wie viele es geben wird. Der deutsche Leitindex DAX 40 und das Eurozonen-Leitbarometer EURO STOXX 50 müssen daher ihr hohes Niveau erst einmal rechtfertigen.
Experten sind sich jedoch überwiegend einig, dass an den Börsen auch 2024 weitere Kursgewinne drin sind. "Trotz der sehr starken Aktienentwicklung in den letzten Wochen sind wir auch für das Gesamt-Aktienjahr 2024 positiv eingestellt", blickt etwa Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank optimistisch voraus.
Grundlegende Treiber sind für Wohlgemuth wohl wieder eine expansivere Geldpolitik der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB). "Es hat sich in der Historie deutlich gezeigt: Die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft und der Kapitalmärkte seitens der Zentralbanken ist die zentrale Messlatte für die Performance an den Aktienmärkten - oftmals noch vor den Unternehmenszahlen", erklärt Wohlgemuth. Unter diesen Umständen stünden "die Ampeln für das Aktienjahr 2024 eindeutig auf Grün".
Allerdings muss der DAX das Jahresplus, das in einer Jahresendrally auf zuletzt rund ein Fünftel angewachsen ist, zunächst behaupten. 2023 war ein sehr gutes Börsenjahr, denn Zuwächse im 20-Prozent-Bereich gab es seit 2014 nur einmal. Während der deutsche Leitindex mit einem kurzzeitigen Sprung über die Marke von 17 000 Punkten Rekordniveau erreicht hat, bleiben Unsicherheiten vor allem mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung.
Wann die Zinsen wieder sinken, hängt neben der Inflation vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Für 2024 erhoffen sich Experten in Deutschland ein zumindest kleines Wirtschaftswachstum. Die Deutsche Bank rechnet mit einem Übergangsjahr, in dem die Wirtschaft ihr neues Gleichgewicht suche. Die Ökonomen des Bankhauses gehen davon aus, dass eine mögliche, zwischenzeitliche Rezession milde verläuft und schnell vorübergeht.
"Bis zur Jahresmitte dürfte das Wachstum wieder positiv sein und die Inflation dürfte schneller als von der Europäischen Zentralbank erwartet auf den Zielwert sinken", heißt es im Ausblick der Deutschen Bank. Im November hatte sich die Inflation in der Eurozone deutlich auf 2,4 Prozent abgeschwächt, der Zielwert liegt bei zwei Prozent.
Investmentchef Jan Viebig von der Bank Oddo BHF warnte aber davor, dass Marktteilnehmer "gerne von einem Extrem ins andere fallen". Zinssenkungen um 1,25 Prozentpunkte in den USA und 1,5 Prozentpunkte im Euroraum, die zuletzt am Markt bereits eingepreist wurden, hält er für etwas zu aggressiv angesichts immer noch recht hoher Kern-Inflationsraten, die schwankende Preise für Nahrungsmittel und Energie außen vor lassen. Zuletzt hatte die EZB so manch einem zu optimistischen Investor einen Denkzettel verpasst: Anders als die US-Notenbank Fed gaben die Europäer noch nicht offen zu, über Zinssenkungen zu diskutieren.
Viebig glaubt an "ausgewogene Chancen und Risiken bei Aktien" und rät Anlegern, selektiv vorzugehen und auch Anleihen wegen verbesserter Renditen beizumischen. Der Experte bevorzugt etwa Qualitätstitel aus den Sektoren Technologie, Gesundheit und Luxus. Chef-Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank präferiert hingegen Industriewerte, zyklische Konsumaktien und Finanzwerte.
Charttechnisch stehen dem DAX auf seinem Rekordniveau keine Widerstände im Weg. Der längerfristige Aufwärtstrend-Kanal und Projektionen lassen durchaus Luft bis gut 19 000 Punkte erwarten. Allerdings gibt es entsprechende Risiken. Die Kanaluntergrenze liegt aktuell bei etwa 14 200 Zählern, Tendenz steigend. Zuwächse im Größenbereich von nochmals mehr als 20 Prozent erscheinen also schwierig. Seit der Jahrtausendwende hat der DAX es nur selten geschafft, in aufeinander folgenden Jahren eine solch kräftige Dynamik zu zeigen.
Prognosen lassen für den DAX eher Steigerungen im einstelligen Prozentbereich erwarten. Die DZ Bank und die Landesbank Helaba sehen den deutschen Leitindex in einem Jahr jeweils bei 17 500 Punkten, was auf dem Stand kurz vor Weihnachten ein eher mäßiges Plus von 4,3 Prozent impliziert. An den EuroStoxx gehen die DZ-Experten mit einem Ziel von 4800 Punkten etwas zuversichtlicher heran. Dies entspräche einer Steigerung um 5,7 Prozent.
Geopolitischen Spannungen wie den Kriegen in Gaza und der Ukraine messen Börsianer für die Kursentwicklung in den kommenden Monaten keine außergewöhnlich große Bedeutung zu - zumindest auf Basis der aktuellen Entwicklungen. Laut dem National-Bank-Experten Wohlgemuth sorgen diese meist nur in ersten Reaktionen für Kurs-Ausschläge, da sie zunächst überschätzt würden. "Die Kapitalmärkte reagieren im Regelfall diesbezüglich nur auf unmittelbare Katastrophennachrichten, im weiteren Verlauf spielen solche Anspannungen nur eine untergeordnete Rolle", sagt der Experte.
Ein politisches Großereignis, welches später im Jahr an den Kapitalmärkten eine Rolle spielen dürfte, ist im November die Präsidentenwahl in den USA - mit zurzeit völlig ungewissem Ausgang. Eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus würde sicherlich nicht nur an den Kapitalmärkten, aber auch da zu einer deutlich höheren Nervosität führen, erklärt Wohlgemuth. Beim Trump-Wahlsieg im Jahr 2016 waren die Irritationen dies- wie jenseits des Atlantiks aber nur kurzlebig: Danach hatte der DAX binnen zwölf Monaten um mehr als 3000 Punkte zugelegt.
FRANKFURT/PARIS (dpa-AFX)
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