Sonst könnte es eng werden: Dafür benötigt das Flugtaxi-Startup Lilium 300 Millionen Euro vom Staat
Lilium verspricht die Revolution der Mobilität. Dafür benötigen das Flugtaxi-Startup auch Geld von Deutschland und Frankreich.
Senkrecht startende E-Jets sollen den Durchbruch in der Mobilitätswende schaffen – so zumindest der Pitch des Flugtaxi-Startups Lilium. Ob die Technologie tatsächlich einen Mehrwert bieten wird und sich als Fortbewegungsmittel bewährt, wird die bayerische Firma allerdings erst noch beweisen müssen. Das hindert VCs nicht daran, weiterhin viel Geld in die Entwicklung der futuristischen Flieger zu investieren.
Lilium hat Ende Mai 106 Millionen Euro (114 Millionen US-Dollar) von bestehenden Investoren wie Earlybird und Tencent sowie durch die Herausgabe neuer Aktien erhalten. Doch damit nicht genug: Das Startup benötigt 300 Millionen Euro Staatshilfen, um die Produktion der Senkrechtstarter voranzutreiben, wie das Unternehmen in einem Brief an die Aktionäre im Juni offenbart.
Dafür benötigt Lilium die Millionen von Frankreich und Deutschland
Die Staatsbank KfW soll 100 Millionen Euro in Form einer Wandelanleihe bereitstellen. Unterlegt werden soll diese mit Bürgschaften des Bundes und durch das Bundesland Bayern. Die eingehende Unternehmensprüfung – Due Diligence – durch die Bundesregierung und Bayern benötigt dem Startup zufolge sechs bis acht Wochen. Erst dann darf der Staat für die Wandelanleihe an das Startup bürgen.
Update vom 11. September 2024: Das Land Bayern will dem Flugtaxi-Startup nun wohl finanziell unter die Arme greifen. Wie das Handelsblatt unter Verweis auf Angaben der bayerischen Staatskanzlei berichtet, hat das Kabinett beschlossen, für einen Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro die Haftung zu übernehmen. Geknüpft wurde die Zusage demnach allerdings eine Bedingung: Der Bund Bund soll Mittel in gleicher Höhe zur Verfügung stellen. Eine offizielle Stellungnahme von Lilium gab es zunächst nicht.
Von der französischen Regierung soll Lilium 200 Millionen Euro durch ein staatlich verbürgtes Darlehen erhalten. Die Investition sei in den späteren Aufbau einer Produktionsstätte in dem deutschen Nachbarland geknüpft. Mit den Franzosen befinde sich das Startup dem Aktionärsbrief zufolge in fortgeschrittenen Gesprächen. Inwiefern das Darlehen durch die Ergebnisse der Europawahl beeinflusst wird, hat das Startup in dem Schreiben nicht erwähnt.
Nach der krachenden Niederlage der Renaissance, der Partei des Präsidenten Emmanuel Macron, hat dieser die französische Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen. Diese sollen am 30. Juni und 7. Juli stattfinden. Befürchtet wird ein Sieg des rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen. Es wäre die erste rechtsextreme französische Regierung seit der Besetzung Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und dem Vichy-Regime.
Die 300 Millionen Euro aus Staatshilfen sollen der Deckung der Finanzierungslücke dienen, bis der Jet ab 2026 in Serie produziert werden soll. Allein im ersten Halbjahr 2024 hat Lilium zwischen 185 und 195 Millionen Euro ausgegeben. Im zweiten Halbjahr erwartet das Startup noch höhere Ausgaben. Ein Großteil davon geht für die Teile der Zulieferer für den ersten Jet drauf. Zudem hat die Produktion der Batterieeinheiten begonnen. Ende des Jahres plant das Startup den ersten bemannten Flug ihres E-Jets MSN-1. Der Flieger geht im bayerischen Weßling bei München in die Endmontage.
Auch knapp neun Jahre nach der Gründung 2015 generiert das Startup keinen Umsatz. Lilium berichtet in dem Aktionärsbrief jedoch von 780 festen Bestellungen und Absichtserklärungen für die Jets des Flugtaxi-Herstellers. So soll im Mai der US-Luftfahrtbetreiber UrbanLink 20 Lilium-Jets für den Betrieb in Südflorida gekauft haben – mit einer Option für den Kauf 20 weiterer Flugtaxis. Am Ende des Quartals – und vor der Kapitalbeschaffung im Mai – soll sich die ungeprüfte Liquidität des Startups auf 102 Millionen Euro belaufen haben.
Kanzler Scholz besuchte Lilium auf der ILA
Ende März hat das Startup 981 Mitarbeiter beschäftigt, was einem Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zu Ende 2023 entspricht. Das Startup aus Bayern rechnet im zweiten Quartal des Jahres mit einem ähnlichen Anstieg der Belegschaft. Demnach werde viel technisches Personal zur Unterstützung der Entwicklung des Jets eingestellt. Mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter seien in den Bereichen Technik und Produktion tätig.
Auf der ILA 2024 stattete vor ein paar Tagen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem Flugtaxi-Startup einen besonderen Besuch ab. Lilium hatte im Gegensatz zu den anderen deutschen Startup-Ausstellern ein ziemlich imposantes Modell auf der ILA präsentiert. Das Unternehmen zeigte den E-Jet, der senkrecht starten und landen soll. Scholz stieg sogar in das Cockpit des Flugtaxis. Begleitet wurde das Ganze durch den Lilium CEO Klaus Roewe. Der hat zuletzt immer wieder die Unterstützung der Politik bemängelt.
Am Montag, einen Tag nach der Messe, hat Lilium eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bao’an-Distrikt in der chinesischen Stadt Shenzhen unterzeichnet. Durch die Zusammenarbeit will Lilium seinen Einfluss auf den chinesischen Markt ausweiten – und kämpft für eine Zulassung seiner Flugtaxis in China. Im Rahmen der Vereinbarung hat Lilium seinen regionalen Hauptsitz in den Bezirk verlegt. Der Fokus soll auf der Guangdong-Hongkong-Macao Greater Bay Area liegen. In dem Gebiet leben mehr als 85 Millionen Menschen.