EU-Gipfel zum Brexit: Verlängerung wahrscheinlich - aber bis wann?
Kurz vor dem Beginn des EU-Sondergipfels zum Brexit gibt es kaum noch Zweifel, dass der Termin für den britischen EU-Austritt noch einmal um etliche Monate verschoben wird.
Bei einem Vorbereitungstreffen der EU-Botschafter sprach sich am Dienstagabend nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür aus, den Briten einen Aufschub bis zum 31. Dezember oder 1. März anzubieten. Lediglich Frankreich soll sich demnach noch skeptisch geäußert haben.
Die britische Premierministerin Theresa May will an diesem Mittwoch bei dem EU-Sondergipfel (18.00 Uhr) dafür werben, dass ihr Vorschlag auf eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni akzeptiert wird. Viele EU-Staaten stehen diesem Ansinnen allerdings ablehnend gegenüber, weil sie befürchten, dass die Briten auch bis zu diesem Termin ihre innenpolitischen Konflikte nicht beilegen können.
May war zuletzt drei Mal damit gescheitert, ihren mit der EU ausgehandelten EU-Austrittsvertrag durchs Parlament zu bringen. Grund ist, dass es in Großbritannien parteiübergreifend große Differenzen darüber gibt, wie beziehungsweise ob der per Referendum angestoßene EU-Austritt umgesetzt werden sollte.
EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel, eine kurze Brexit-Verschiebung berge das Risiko immer neuer Sondergipfel und immer neuer Fristen. Dies würde fast sicher die restliche Arbeit der EU in den kommenden Monaten überschatten.
Tusk hatte zuletzt für eine flexible Brexit-Verlängerung um bis zu zwölf Monate geworben. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte als mögliche Termine Ende 2019 oder Anfang 2020.
Als sicher gilt nach dem rund dreistündigen Gipfel-Vorbereitungstreffen, dass eine Verlängerung der Austrittsfrist von EU-Seite an klare Bedingungen geknüpft wird. So werden die Briten im Mai zum Beispiel an der Europawahl teilnehmen müssen. Dies soll sicherstellen, dass es keine rechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn Großbritannien im Sommer noch EU-Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat.
Zudem wollen die Mitgliedstaaten erreichen, dass sich die britische Regierung verpflichtet, nicht mehr aktiv in EU-Entscheidungen einzugreifen. Relevant könnte dies zum Beispiel bei der Ernennung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten oder den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis Ende 2027 sein.
In einem Entwurf für die Gipfel-Erklärung heißt es, sollte Großbritannien nach dem 22. Mai noch EU-Mitglied sein und den Brexit-Vertrag bis dahin nicht gebilligt haben, müsse das Land tags darauf an der Europawahl teilnehmen. Andernfalls würde das Land zum 1. Juni ohne Vertrag aus der EU ausscheiden. Auch das Brexit-Abkommen werde nicht erneut verhandelt.
Zudem müsse Großbritannien sich bereiterklären, bis zum endgültigen Austritt "konstruktiv" und "verantwortungsvoll" zu handeln, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Land müsse alles unterlassen, was die Erreichung der von der EU gesteckten Ziele in Gefahr bringe.
Falls beide Seiten den Brexit-Vertrag vor Ablauf der neuen Frist ratifizieren, könnte Großbritannien auch früher als geplant aus der EU ausscheiden. Der EU-Austritt würde dann am 1. Tag des Folgemonats wirksam. Für einen geregelten Austritt ist die Zustimmung des britischen Unterhauses zum Brexit-Vertrag zwingend notwendig.
May hatte am Dienstag bei Kanzlerin Merkel in Berlin und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris für ihren Wunsch nach einer Fristverlängerung geworben. Merkel will einen Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen am 12. April verhindern. Ein geordneter Brexit sei im Eigeninteresse Deutschlands, hieß es nach einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Vor der Abreise zum Gipfel will Merkel am Mittwoch noch den Abgeordneten des Bundestags Rede und Antwort stehen. Es wird erwartet, dass die Kanzlerin dabei auch zum Stand der Brexit-Gespräche Stellung nimmt.
Frankreich will einem weiteren Aufschub des Brexits nur unter strikten Bedingungen zustimmen. Die ins Spiel gebrachte Verschiebung um ein Jahr erscheine zu lang, hieß es in Élyséekreisen. Paris pocht bei einem Aufschub darauf, dass das gute Funktionieren der EU nicht gestört wird. Falls eine Verlängerung über den Termin der Europawahl im Mai hinaus gewährt werde, könne London nicht vollständig an "Zukunftsentscheidungen" für die Union mitwirken, wie beispielsweise über die Präsidentschaft der Brüsseler EU-Kommission, hieß es.
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BRÜSSEL (dpa-AFX)
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