Sicherung des Betriebs

Rosneft-Aktie gibt nach: Regierung stellt Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung - Jurist Christoph Morgen wird Geschäftsführer

16.09.22 16:00 Uhr

Rosneft-Aktie gibt nach: Regierung stellt Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung - Jurist Christoph Morgen wird Geschäftsführer | finanzen.net

Zur Sicherung des Betriebs der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt setzt die Bundesregierung auf eine Treuhandlösung: Sie stellt die Mehrheitseigner - die Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH - unter Kontrolle der Bundesnetzagentur.

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Auch der Betrieb der Raffinerien im baden-württembergischen Karlsruhe und dem bayerischen Vohburg nahe Ingolstadt solle so gewährleistet werden, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitagmorgen in Berlin mit.

Hintergrund ist das Öl-Embargo gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, das am 1. Januar 2023 greift. PCK wird über die "Druschba"-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Der russische Mehrheitseigner Rosneft hat nach früheren Angaben des Wirtschaftsministeriums wenig Interesse an einer Abkehr von russischem Öl.

Mit dem Schritt übernehme die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg), teilte das Ministerium weiter mit. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen.

Rosneft Deutschland vereint nach Ministeriumsangaben insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und sei damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, RDG und RNRM, führen laut Wirtschaftsministerium jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Mehr als die Hälfte des Erdöls kommt nach deutschen Angaben aus Russland.

Die Treuhandverwaltung sei eine Reaktion auf die drohende Gefährdung der Energieversorgungssicherheit und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt des Standorts Schwedt, hieß es weiter. Für Schwedt solle es zudem ein "umfassendes Zukunftspaket" geben, das einen "Transformationsschub" für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.

Das so genannte Zukunftspaket soll am Mittag im Bundeskanzleramt von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), vorgestellt werden.

PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und gilt als wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt große Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff. Rosneft Deutschland hielt nach Unternehmensangaben dort bislang einen Anteil von 37,5 Prozent, ebenso wie Shell Deutschland. Über die Tochter RN kontrolliert Rosneft weitere Anteile, so dass der russische Staatskonzern auf insgesamt gut 54 Prozent kommt.

"Ein Ausfall des Betriebs der PCK-Raffinerie hätte zur Folge, dass die bundesweite Versorgung mit Erdölprodukten - und demnach mit lebenswichtigen Gütern - beeinträchtigt und insbesondere im Nordosten Deutschlands gefährdet wäre", schreibt das Wirtschaftsministerium im Bundesanzeiger. Die Beschaffung von Öl aus anderen Quellen wäre sehr teuer, der Transport von Erdölprodukten aus anderen Raffinerien schwierig. Neben Versorgungsengpässen drohten "Preisspitzen bei Kraftstoffen für gewerbliche und private Verbraucher sowie eine Unterversorgung mit Bitumen insbesondere für den Straßenbau". Auch die Belieferung des Berliner Flughafens mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme seien dann gefährdet.

Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist nach Unternehmensangaben Deutschlands größte Raffinerie. Gesellschafter sind demnach Phillips 66, Esso, Rosneft und Shell, der Standort hat 1100 Mitarbeiter, die aus Rohöl Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl herstellen, insgesamt rund 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Für den Südwesten Deutschlands ist MiRO nach eigener Darstellung die wichtigste Versorgungsquelle für Mineralölprodukte.

Die Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau nahe Ingolstadt stellt nach Angaben des Unternehmens Bayernoil unter anderem Flüssiggas, Benzin, Diesel und Heizöl her.

Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr gewesen sei. Zentrale Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, seien nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit gewesen - weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern RDG und RNRM selbst.

Hintergrund seien "Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung" der Unternehmen, wie das Wirtschaftsministerium im Eintrag zu dem Vorgang im Bundesanzeiger schreibt. Zudem wanderten Mitarbeiter ab. "Es ist in der gegenwärtigen Situation zu erwarten, dass zentrale Unternehmensbereiche nicht mehr besetzt werden können", schreibt das Ministerium.

Die PCK Raffinerie soll von russischem Öllieferungen gelöst werden, da diese jederzeit ausfallen könnten, so das Ministerium. Zur Umstellung auf andere Lieferanten sollen die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt ausgebaut werden. Darüber hinaus seien Öllieferungen über eine Pipeline vom Hafen des polnischen Danzig nötig, insbesondere bis die Pipeline aus Rostock ausgebaut ist. Dies wolle die polnische Regierung aber erst ermöglichen, wenn die russischen Gesellschafter nicht mehr im Boot sind.

Auch in der Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt wurde die Zusammenarbeit mit Dienstleistern laut Wirtschaftsministeriums zuletzt schwierig. Rosneft Deutschland habe zudem nicht die vereinbarten Mengen an Rohöl geliefert. "Die angespannte Versorgungslage mit Mineralölprodukten im süddeutschen Raum wird dadurch verschärft."

Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz. Demnach ist dieser Schritt möglich, wenn das Unternehmen andernfalls seine dem Gemeinwesen dienenden Aufgaben nicht erfüllen kann und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Klage erhoben werden.

Jurist Christoph Morgen wird Geschäftsführer der Rosneft-Gruppe

Der Jurist und Betriebswirt Christoph Morgen ist als Geschäftsführer der Rosneft-Gruppe eingesetzt worden, die seit Freitag unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur steht. Morgen sei ein ausgewiesener Krisenmanager mit umfassender Erfahrung in verschiedensten Branchen, unter anderem auch im Energiesektor, teilte die Bundesnetzagentur am Freitag in Bonn mit.

Morgen wurde als Geschäftsführer für die beiden in Berlin ansässigen Unternehmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH eingesetzt. Sie halten Anteile an deutschen Raffinerien und Pipelines in Deutschland und der EU und erfüllen damit laut der Behörde zentrale Funktionen für die Ölversorgung in Deutschland. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet.

Morgen werde sich einen Überblick über die Lage der beiden Unternehmen verschaffen, teilte sein Sprecher mit. "Die erste Aufgabe besteht darin, zusätzlich einen Experten mit umfangreicher Erfahrung im Raffineriegeschäft in die Geschäftsführung zu holen", hieß es weiter.

Der 46 Jahre alte Christoph Morgen ist Partner in der bundesweit tätigen Kanzlei Brinkmann & Partner. Als Qualifikationen gibt er auf der Kanzlei-Homepage die Berufe Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Betriebswirt an. Morgen hat in Kiel, Berlin und Hagen studiert. Der Jurist ist auch Insolvenzverwalter der MV Werften Gruppe.

Branchenverband nennt Treuhand-Lösung für Rosneft nachvollziehbar

Die Entscheidung der Bundesregierung für einen Zugriff des Staates auf Rosneft Deutschland ist aus Sicht der Mineralölwirtschaft nachvollziehbar. "Sie ist Voraussetzung für eine Normalisierung der Geschäftstätigkeit und schafft Vertrauen für Dienstleister und Kunden von Rosneft Deutschland", teilte der Wirtschaftsverband Fuels und Energie am Freitag in Berlin mit.

Die Bundesregierung hatte am Morgen angekündigt, die Mehrheitseigner der PCK-Raffinerie in Schwedt - zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft - unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur und damit unter staatliche Kontrolle zu bringen. So soll der Betrieb der Raffinerie gesichert werden.

Ob PCK absehbar unter Volllast betrieben werden kann, ließ der Branchenverband offen. "Ein mögliches vorzeitiges Ende der russischen Rohöllieferungen über die Druschba-Pipeline hätte Auswirkungen auf die Versorgung der Raffinerie PCK in Schwedt", erklärte Fuels und Energie.

Zwar gebe es Pläne zur alternativen Belieferung auf dem Seeweg. "Hinsichtlich der Kapazitäten ließe sich die Druschba-Pipeline so allerdings nicht vollständig ersetzen, was dazu führen dürfte, dass die Raffinerie dann nur im Teillastbetrieb wird arbeiten können", hieß es weiter. "Fehlende Produkte müssten dann durch Transporte innerhalb Deutschlands und durch zusätzliche Importe aus dem Ausland ersetzt werden."

Es gebe aber die Möglichkeit, Reserven aus der gesetzlichen Erdölbevorratung zu nutzen. "Die deutsche Mineralölwirtschaft arbeitet intensiv daran, die Versorgung weiterhin sicherzustellen."

FDP lobt Entscheidung für staatliche Kontrolle bei PCK-Raffinerie

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse hat die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt, Rosneft Deutschland und damit auch die PCK-Raffinerie in Schwedt unter staatliche Kontrolle zu bringen. "Mit der Treuhand für Rosneft Deutschland wurde die Möglichkeit russischer Sabotage an unserer Energieversorgung gestoppt", teilte Kruse am Freitag in Berlin mit.

Viel hänge nun davon ab, ob die neue Führung für PCK zügig neue Lieferbeziehungen mit Polen über die Pipeline vom Hafen Danzig organisieren könne. "Schwedt ist ein wichtiger Raffineriestandort mit vielen Arbeitsplätzen und spielt deshalb eine zentrale Rolle für die Versorgungssicherheit", betonte der FDP-Politiker.

PCK-Raffinerie bereitet sich auf mögliche Öl-Einschränkungen vor

Die Raffinerie PCK in Schwedt hält nach der Treuhandverwaltung für den Mehrheitseigner Rosneft Deutschland Einschränkungen in der Rohölversorgung für denkbar. Sie hält aber am Ziel der sicheren Versorgung fest. "Wir bereiten uns auf mögliche, kurzfristige Einschränkungen in der Druschba-Rohölversorgung vor", teilte die Raffinerie am Freitag mit. PCK wies darauf hin, dass bereits heute ein Teil der Rohölversorgung über Rostock erfolge. Das Unternehmen betonte: "Unser Fokus bleibt der sichere und zuverlässige Raffineriebetrieb und die Versorgung der Region mit Mobilität und Wärme." PCK erklärte, die Treuhandverwaltung für Rosneft Deutschland bedeute nicht, dass PCK unter Treuhandverwaltung gestellt werde.

SPD: 1.200 Arbeitsplätze bei PCK-Raffinerie in Schwedt gesichert

Die SPD im Bundestag erwartet, dass mit dem Konzept der Bundesregierung für die PCK-Raffinerie Schwedt alle 1200 Arbeitsplätze gesichert werden. Bundestagsfraktionsvize Verena Hubertz sagte am Freitag, ohne die Übernahme der deutschen Töchter des russischen Konzerns Rosneft in Treuhandverwaltung wäre der Weiterbetrieb nicht gewährleistet gewesen.

"Zum einen erhalten wir nun über 1200 und viele tausend weitere Jobs in der Region Schwedt", betonte Hubertz. "Zum anderen ist der Erhalt der Raffinerie aber auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherstellung der Kraftstoffversorgung in Ostdeutschland, vor allem in der Region Berlin/Brandenburg." Ein "Transformationspaket" stelle gleichzeitig sicher, dass der Standort "auch in Generationen nachhaltig betrieben wird".

Scholz: Raffinerie-Kontrolle wichtiger Schritt für Energiesicherheit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entscheidung für eine staatliche Kontrolle über das Mineralölunternehmen Rosneft Deutschland als ganz wichtigen Schritt für die Energiesicherheit in Deutschland bezeichnet. "Wir wollen jetzt die Chancen nutzen, die sich aus diesen Entscheidungen ergeben. Die Hängepartie ist zu Ende", sagte Scholz am Freitag in Berlin. Kein Arbeitnehmer müsse Angst um seinen Arbeitsplatz haben.

Die Entscheidung über eine staatliche Kontrolle von Rosneft Deutschland betrifft die für Ostdeutschland wichtige Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburgs. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: "Mit diesem Tag heute kann man sagen: Der Standort ist gesichert und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet."

Die Rosneft-Aktie verliert am Freitag in Moskau zeitweise 2,03 Prozent auf 359,85 Russische Rubel.

BERLIN / SCHWEDT/ODER (dpa-AFX)

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