Gerry Weber: Zunehmend anziehend

von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Gerhard Weber ist seit über 40 Jahren im Geschäft. Dem Modeunternehmer treiben inzwischen wenige Herausforderungen Sorgenfalten auf die Stirn. Eine Sache, bei der ­Weber allerdings ins Schwitzen gerät, ist sein Lieblingsverein Arminia Bielefeld, den er finanziell unterstützt. Die Arminia kämpft nämlich in der zweiten Fußballbundesliga gegen den Abstieg.

Geschäftlich ist bei Weber, Gründer und Lenker des Modeunternehmens Gerry Weber, offenbar wieder alles im Lot. "Jeder muss sich immer wieder neu erfinden, neu ausrichten. Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt", sagt Weber. Der späte Wintereinbruch und die Kältewelle im Frühjahr hatten der deutschen Bekleidungsbranche 2013 das Geschäft verhagelt - davon blieb auch Gerry Weber nicht verschont. Außerdem investierte der Damenmodespezialist viel Geld in neue Geschäfte. Das schlug sich in den Zahlen nieder. Im September hatte das Unternehmen seine Schätzungen erneut zurückgeschraubt. Während der DAX im vergangenen Jahr von einem Hoch zum nächsten eilte, verlor die Aktie der Westfalen 15 Prozent.

Positive Überraschung möglich
Ende Januar werden die vorläufigen Ergebnisse für das abgelaufene Geschäftsjahr vorgestellt. Eine böse Überraschung wie im September ist nicht zu erwarten. "Die Zahlen dürften leicht über den Prognosen liegen. Außerdem könnte das Mode­unternehmen im laufenden Jahr ­positiv überraschen", erwartet Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe. Demnach sind die ehema­ligen Wissmach-Filialen auf gutem Weg, die volle Ertragskraft zu erreichen. Vor zwei Jahren hatte Gerry Weber die insolvente Modekette Wissmach mit deutschlandweit gut 200 Filialen übernommen und einen zweistelligen Millionenbetrag in den Umbau der Geschäfte investiert.

Nach der kleinen Wachstumsdelle dürfte es also wieder aufwärtsgehen. Analysten rechnen für das laufende Geschäftsjahr mit einem Umsatzplus von zehn Prozent. Der Nettogewinn soll um gut ein Fünftel steigen. Dabei können die Aktionäre auf "eine stabile Dividendenpolitik" vertrauen, stellt Weber in Aussicht.

Dem MDAX-Konzern spielt die gute Stimmung in Deutschland in die Hände. Rund zwei Drittel der Umsätze erzielt Gerry Weber hierzulande. "Unser Heimatmarkt entwickelt sich weiterhin positiv", sagt der Firmengründer. Die jüngsten Konjunkturdaten untermauern das. Der GfK-Konsumklimaindex für Januar kletterte auf den höchsten Wert seit August 2007. Zudem wird der Konsum in diesem Jahr die entscheidende Stütze der Konjunktur, so die Konsumforscher.

Gerhard Weber setzt aber nicht nur auf die gute Stimmung in Deutschland, sondern treibt auch die Expansion voran. Das Unternehmen weihte in den vergangenen zwei Geschäftsjahren rund 330 neue Retailgeschäfte ein - Stores, die in Eigenregie geführt werden. "In diesem Jahr eröffnen wir 65 bis 75 neue eigene Retailflächen, vermehrt außerhalb von Deutschland", sagt ­Weber. Die Gesamtzahl der in Eigen­regie geführten Geschäfte steigt damit auf über 600.

Bei der Expansion nimmt der Modeunternehmer unter anderem die Märkte Tschechien und Slowenien, aber auch entwickelte Märkte wie Skandinavien, die Niederlande oder Belgien ins Visier. Das Retailgeschäft ist der Wachstumstreiber und hat zuletzt rund 44 Prozent zum Gesamtumsatz beigetragen. Mittelfristig soll es die Hälfte beisteuern. Im vierten Geschäftsquartal stiegen die Retailerlöse um 22 Prozent. Die Aktie reagierte darauf mit deutlichen Kursgewinnen.

Geschäft mit Zukunft
Auch den Wholesale-Bereich, also das Geschäft mit Franchisepartnern und Einzelhandelsketten, baut der Firmenchef international aus. Schwerpunkte sind der Mittlere Osten, Russland sowie Nordamerika. "In den USA agiert Gerry Weber noch sehr vorsichtig. Hier ist durchaus eine positive Überraschung möglich", sagt Analyst Jörg Philipp Frey von M.M. Warburg.

Als drittes Standbein setzt Weber auf den Onlinehandel. Neben Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie den Niederlanden betreiben die Westfalen seit September 2013 auch in Polen einen Internetshop, weitere sind in Planung. Der Modeunternehmer baut damit auf ein Geschäft mit Zukunft: Die Marktforscher von eMarketer erwarten, dass der Internethandel im Jahr 2016 in Europa ein Volumen von 460 Milliarden Dollar erreicht. Im Vergleich zu 2012 entspräche das einem Zuwachs von rund 55 Prozent.

An den guten Aussichten hat Gerhard Weber offenkundig keinen Zweifel: Der Firmenchef hatte 2013 für über zwei Millionen Euro Aktien des eigenen Unternehmens gekauft. Geschäftlich läuft es für den 72-Jährigen rund - jetzt muss nur noch die abstiegsgefährdete Bielefelder Arminia wieder punkten.

Investor-Info

Gerry Weber
Zeichen auf Wachstum
Die für das Wintergeschäft wichtigen Monate September und Oktober sind für Gerry Weber gut verlaufen. Langfristig befindet sich das Unternehmen auf Wachstumskurs. Mit dem Kursrückgang im vergangenen Jahr sind auch die Bewertungskennzahlen gesunken. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 für das laufende Geschäftsjahr bei einem geschätzten Gewinnwachstum von über 20 Prozent ist die Aktie recht moderat bewertet.