thyssenkrupp-Chef bereitet auf Einschnitte vor - Kone prüft Gebot für Aufzugssparte - Aktie steigt kräftig
thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff schwört die Beschäftigten des Essener Traditionskonzerns auf erhebliche Veränderungen ein.
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"Unsere wirtschaftliche Lage ist heute schlechter, als wir es vor einem Jahr erwarten konnten", sagte Kerkhoff der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Der Konzern gebe derzeit mehr Geld aus, als er einnehme und das "kann so nicht bleiben."
Dass die seit dreieinhalb Jahren geplante Stahlfusion mit dem indischen Hersteller Tata in Europa am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gescheitert sei, wirke sich negativ aus, sagte Kerkhoff. "Die aus dem Zusammenschluss erhofften positiven Effekte wird es nun nicht geben. Darauf müssen wir reagieren." Sein Ziel sei es nun, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern einen neuen Plan für das Stahlgeschäft zu entwickeln. Von der Entscheidung der EU-Kommission zeigte sich Kerkhoff zutiefst enttäuscht. "Im Werkstoff- und Stahlgeschäft ging und geht es darum, überlebensfähig zu bleiben. Und ganz sicher nicht darum, mit Größe Kunden über den Tisch zu ziehen."
Mit einem Börsengang der Aufzugsparte soll möglichst bald Geld in die Konzernkasse kommen. Ziel ist auch eine Holding-Struktur mit einer kleineren Konzernzentrale und unabhängigeren Geschäften rund um Autoteile, U-Boote und Industrieanlagen. Dies sei nicht gleichzusetzen mit einer Zerschlagung, beteuerte Kerkhoff. "Es steht jetzt nicht alles auf der Verkaufsliste." thyssenkrupp sei aber offen, bei möglichen Kooperationen mit anderen Unternehmen die Mehrheit an Geschäftsbereichen abzugeben. Für den Stahl könne er sich nach wie vor Fusionen vorstellen, betonte Kerkhoff. Mit Blick auf ein mögliches Zusammengehen mit dem niedersächsischen Stahlkonzern Salzgitter und die Schaffung einer "Deutschen Stahl AG" sagte er: "Wir sind offen für Konsolidierungen, die Sinn ergeben."
Kone prüft anscheinend Übernahmegebot für thyssenkrupp-Aufzugssparte
Kone hat nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters weiter großes Interesse an der rund 14 Milliarden Euro teuren Aufzugssparte von thyssenkrupp und prüft, ob sich ein Übernahmeangebot realisieren lässt. Es sei derzeit unklar, ob Kone ein reines Barangebot finanzieren könne und ob ein Zusammenschluss ähnlich wie das gescheiterte Stahl-Joint-Venture von thyssenkrupp mit Tata Steel mit erheblichen wettbewerbsrechtlichen Hürden behaftet sei, sagten mehrere nicht näher bezeichnete Insider laut einem Reuters-Bericht. Derzeit prüfe der finnische Aufzugsspezialist zusammen mit der Bank of America mögliche Optionen. In bar und in Aktien wäre eine Übernahme finanziell machbar.
thyssenkrupp-Vorstandschef Guido Kerkhoff hatte in der vergangenen Woche nach monatelangem Verfall des Aktienkurses die geplante Abspaltung des Industriegeschäfts aufgegeben und einen Börsengang für die Aufzugssparte angekündigt. Das Management bevorzuge einen Börsengang, weil er eine sichere Option sei, zitiert Reuters einen der Informanten. Andere Optionen unterlägen dem Ausführungsrisiko. Das Unternehmen brauche aber garantierte Erlöse.
Ein Sprecher von thyssenkrupp erklärte, man beteilige sich nicht an Spekulationen. Er verwies auf Aussagen Kerkhoffs, wonach die Kapitalbasis mit dem Elevator-IPO nachhaltig gestärkt werden solle.
Aktie erholt sich
Die strategische Kehrtwende bei thyssenkrupp lässt die Anleger auch am Donnerstag nicht los. Nach dem Kursfeuerwerk vom vergangenen Freitag und den drei verlustreichen Handelstagen darauf zeigten sich die Aktien nun deutlich erholt, nachdem ein Bericht über das Interesse des finnischen Kone-Konzerns an der Aufzugsparte die Runde gemacht hatte. Zwischenzeitlich kamen die Anleger zwar ins Grübeln, wie schmelzende Gewinne zeigten. Gegen Mittag standen die Aktien aber wieder mit gut 6 Prozent im Plus - und damit ähnlich hoch wie zum Auftakt. Bis zum Börsenschluss kletterte der Aktienkurs um 9,37 Prozent auf 13,25 Euro pro Anteilsschein.
Dass sich Kone offenbar für die Sparte interessiere, unterstreiche einmal mehr den Wert des Geschäfts, sagte ein Händler. Analyst Wasi Rizvi von der kanadischen Bank RBC hob hervor, dass Kone zuletzt den Bedarf für eine Konsolidierung in der Branche immer wieder hervorgehoben habe und Geld dafür bereit halte.
Auch Analyst Lars Brorson von der Barclays-Bank hatte einen Deal mit Kone aus Aktionärssicht jüngst als bessere Lösung im Vergleich zu einem Börsengang bezeichnet. Er errechnete bei einer Fusion ein Synergiepotenzial im Größenbereich von 3 bis 4 Milliarden Euro, das bei einem Teil-Börsengang deutlich geringer ausfallen würde.
Am Markt wurde jedoch eine Zustimmung der Wettbewerbsbehörden zum Thema gemacht. Händlern zufolge könnte sich diese als hohe Hürde erweisen, wenngleich eine Fusion mit Kone immer noch einfacher durchzusetzen sei als eine mit dem weiteren Konkurrenten Schindler. Wie es hieß, legt Thyssenkrupp bei seinen Plänen großen Wert darauf, dass es bei der Zukunft der Sparte möglichst kleine Stolperfallen gibt.
Alan Spence vom Investmenthaus Jefferies sind die Kartellhürden ein Dorn im Auge, weshalb er glaubt, dass ein Börsengang der Aufzugsparte weiterhin der "Plan A" für Thyssenkrupp sei. "Dies würde schnelleres Geld in die Kassen spülen, um die Bilanz zu verbessern", so der Experte. Die Gesundung der Bilanz sei schon lange ein Sorgenpunkt der Investoren - ist sie doch eine wichtige Grundlage, um die geplante Restrukturierung finanziell stemmen zu können.
RBC-Experte Rizvi stellte die Frage, wie Kone eine Übernahme finanzieren könnte. Nach ersten Kalkulationen schätzt er den Wert der Thyssen-Sparte auf 14 Milliarden Euro, sodass eine reine Barofferte nicht realisierbar sei. Weil eine Kapitalerhöhung nochmals Unsicherheiten mit sich bringe, hält er ein Angebot mit Barmitteln und Aktien als eher wahrscheinlich. Für Thyssen bringe dies den Vorteil, dann über eine Beteiligung an den Synergien teilhaben zu können.
Die Nachrichtenlage bei Thyssenkrupp bleibt mit den Gerüchten weiterhin sehr belebt. Der Konzern hatte am vergangenen Freitag sowohl die geplante Stahlfusion mit Tata Steel als auch die Aufteilung des Konzerns abgesagt und angekündigt, das Geschäft mit Aufzügen an die Börse zu bringen. Der Kurs war daraufhin um mehr als 28 Prozent nach oben geschnellt, wesentliche Teile davon aber in dieser Woche schon wieder abgegeben - auch weil sich skeptische Stimmen zur neuen Strategie mehrten.
"Es gibt Risiken rund um den vorgeschlagenen Börsengang eines Minderheitenanteils am Aufzuggeschäft", sagte jüngst etwa Analyst Luke Nelson von der Bank JPMorgan. Hierzu zählte der Experte vor allem die Haltung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Zudem prüft die Ratingagentur Moody's die Bonitätsnote für Thyssenkrupp, es könnte eine Abstufung drohen. Ein schlechteres Kreditrating kann die Refinanzierungskosten erhöhen.
FRANKFURT (Dow Jones) / (dpa-AFX)
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