Virgin Galactic-Aktie: Geht der Kursrakete der Treibstoff aus?
Die Aktie des Raumfahrtunternehmens Virgin Galactic hat in den vergangenen Wochen einen starken Lauf hingelegt, musste zuletzt jedoch Federn lassen. Ist die Rally damit beendet?
Werte in diesem Artikel
• Virgin Galactic-Aktie mit Kursverdreifachung seit Dezember
• Interesse am Raumfahrtkonzern stark gestiegen
• Fundamentaldaten stützen Kursphantasien (noch) nicht
Die Raumfahrt scheint das neue Trend-Hobby unter den amerikanischen Tech-Milliardären zu sein. Während Tesla-Chef Elon Musk mit SpaceX und Amazon-Gründer Jeff Bezos mit Blue Origin das Weltall erobern wollen, hat auch der britische Unternehmer Richard Branson mit Virgin Galactic ein Raumfahrtunternehmen am Start. Von den Firmen der durchaus illustren Konkurrenz hebt sich Virgin Galactic dabei vor allem auch durch eine Sache ab: Das Unternehmen ist börsennotiert - und die Virgin-Galactic-Aktie hat in den letzten Wochen einen wahren Höhenflug hingelegt.
Nachdem das Papier kurz nach dem Börsengang im Oktober 2019 zunächst einknickte und bis auf 6,90 US-Dollar fiel, ging es ab Dezember dann steil nach oben. In der Spitze stieg die Aktie von Virgin Galactic in der vergangenen Woche bis auf 19,84 US-Dollar - und konnte ihren Wert damit seit dem Tief nahezu verdreifachen. Es folgte jedoch ein Absturz: Ende der vergangenen Woche brach das Papier an nur einem Handelstag um rund zehn Prozent ein. Auch wenn sich an den vergangenen Handelstagen wieder eine Stabilisierung abzeichnete, stellt sich allmählich die Frage, ob der bisherige Kursanstieg der Aktie wirklich nachhaltig ist - oder ob das Papier nun ins Trudeln gerät.
Aufstieg wurde von Analysten befeuert
Als relativ neues börsennotiertes Unternehmen wird Virgin Galactic noch nicht von vielen Analysten abgedeckt. Laut "CNBC" besprechen bislang nur die Experten von Morgan Stanley, Credit Suisse und Vertical Research Partners die Aktie - und empfehlen sie allesamt zum Kauf. Am jüngsten Kursanstieg dürften die Analysehäuser daher nicht ganz unschuldig sein. So schwärmte etwa die Schweizer Großbank in ihrer Analyse von der Monopolstellung des Unternehmens in einer Branche, in der öffentlich zugängliche Investmentmöglichkeiten rar seien. Nachdem Morgan-Stanley-Analyst Adam Jonas im Dezember seine Studie zu Virgin Galactic veröffentlicht hatte - und dem Unternehmen dabei das Potenzial bescheinigte, die Luftfahrtbranche umzukrempeln - zog das Papier kräftig an.
In der vergangenen Woche bestätigte Jonas laut "CNBC" seine Kaufempfehlung für den SpaceX-Konkurrenten erneut und betonte, dass auch sein Bullenszenario, das die Aktie bei 60 US-Dollar sieht, noch immer gültig sei. Den jüngsten Höhenflug der Aktie begründete der Morgan-Stanley-Analyst dabei mit dem stark zunehmenden Interesse der Investoren an dem Raumfahrtkonzern. "In letzter Zeit führen wir über Virgin Galactic mehr Gespräche als über irgendeine andere Aktie, die wir abdecken", so Jonas. Einzig an Tesla sei das Interesse der Investoren womöglich noch höher. Die Investoren würden sich immer mehr für die Rolle von Virgin Galactic innerhalb der sich schnell entwickelnden Raumfahrtbranche interessieren, so der Experte.
ETFs und Shortseller griffen bei Virgin Galactic zu
Dass das Interesse der Anleger am Raumfahrtkonzern von Richard Branson in den vergangenen Wochen zugenommen hat, zeigt auch das Handelsvolumen. Während im vergangenen Jahr laut "CNBC" pro Tag im Schnitt nur ein bis zwei Millionen Aktien den Besitzer wechselten, waren es in diesem Jahr durchschnittlich rund 12 Millionen Stück täglich. Auch Indexfonds haben offenbar kräftig zugegriffen. So wurde die Aktie laut dem US-Nachrichtensender in der jüngsten Vergangenheit in ETFs von Procure, Charles Schwab, BlackRock und Vanguard aufgenommen. Allein Vanguard habe Aktien des Raumfahrtkonzerns im Wert von 90 Millionen US-Dollar gekauft.
Doch nicht nur die Aktienkäufe durch ETFs, sondern auch Shortseller könnten für das Kursplus mitverantwortlich sein. Laut Daten des Finanzdienstleisters S3 Partners sind 25 Prozent der Virgin Galactic-Aktien leerverkauft. Die Shortseller haben sich mit ihrer Wette auf fallende Kurse in den letzten Wochen jedoch verkalkuliert - und könnten somit gezwungen worden sein, Aktien des Raumfahrtunternehmens zu kaufen, um ihre Verluste zu begrenzen und ihre Positionen zu schließen. Durch diesen Short Squeeze dürften sie die Aufwärtsbewegung noch verstärkt haben.
Virgin Galactic verspricht für die Zukunft kräftiges Wachstum
Der starke Lauf der Virgin Galactic-Aktie scheint also nicht durch Fundamentaldaten, sondern eher durch Zukunftsfantasien und Spekulation angetrieben worden zu sein. Womöglich ist das nun auch einigen Anlegern aufgefallen, die daraufhin Ende der vergangenen Woche lieber ihre Gewinne mitgenommen haben, anstatt auf ein noch stärkeres Kursplus zu hoffen.
Tatsächlich könnte sich die Aktie bereits selbst davongelaufen sein - denn laut der US-Seite "The Motley Fool" sind im Kurs bereits zahlreiche Ereignisse eingepreist, die noch nicht eingetreten sind. So hat Virgin Galactic bis jetzt beispielsweise noch keinen einzigen Weltraumtouristen in den suborbitalen Raum befördert. Allerdings soll es bereits 600 Anmeldungen von Personen geben, die bereit sind, den Preis von 250.000 US-Dollar pro Flug zu bezahlen.
Den ersten kommerziellen Flug plant das Raumfahrtunternehmen für Juni 2020, insgesamt sollen in diesem Jahr 16 Flüge stattfinden. Im kommenden Jahr sind dann laut dem US-Portal bereits 115 Flüge geplant, 2022 soll ihre Zahl auf 170 und 2023 auf 270 steigen. Um diesen Plan einhalten zu können, benötigt das Unternehmen jedoch mehr suborbitale Flugzeuge. Aktuell besitzt Virgin Galactic nämlich lediglich ein Flugzeug des Typs "SpaceShipTwo", bis 2023 sollen vier weitere hinzukommen. Ob das Unternehmen diesen ambitionierten Plan einhalten kann, ist jedoch noch offen.
Auch bei den Geschäftszahlen scheinen Anleger bislang mehr auf die Prognosen als auf die tatsächlichen Ergebnisse geachtet zu haben. Zwar steht Virgin Galactic laut "The Motley Fool" auf einer vergleichsweise soliden Basis, da das Unternehmen schuldenfrei ist und zudem finanzkräftige Unterstützer wie Richard Branson und die Virgin Group hinter sich hat, jedoch hat der Raumfahrtkonzern im dritten Quartal 2019 auch einen operativen Verlust in Höhe von 4,2 Millionen US-Dollar erlitten. Für die Zukunft verspricht Virgin Galactic jedoch ein starkes Wachstum. So soll der Umsatz im Geschäftsjahr 2020 bei 31 Millionen US-Dollar liegen - und schon im Folgejahr um rund 580 Prozent auf 210 Millionen US-Dollar anwachsen. Beim EBITDA erwartet Virgin Galactic für 2020 laut der US-Seite noch einen Verlust in Höhe von 104 Millionen US-Dollar. Schon im Geschäftsjahr 2021 soll dann jedoch ein operativer Gewinn von 12 Millionen US-Dollar in den Büchern stehen. Sollte der Raumfahrtkonzern diese Prognosen tatsächlich erreichen, dürfte das der Aktie erneut einen Schub verleihen - sofern die Zahlen nicht schon eingepreist sind.
Virgin Galactic-Aktie selbst für Experten harte Nuss
Bei welchem Niveau Virgin Galactic an der Börse fair bewertet wäre, ist laut einem Experten schwer zu sagen - nicht zuletzt, da es kein vergleichbares börsennotiertes Unternehmen gibt. "Es handelt sich tatsächlich um die einzige Aktie ihrer Art", sagte Marktstratege Matt Kennedy vom ETF-Spezialisten Renaissance Capital gegenüber "CNBC". Da andere Unternehmen der Branche, wie etwa SpaceX, in privater Hand sind, könne man die Aktie von Virgin Galactic auch nicht anhand der Peer Group einordnen. Bei einer Investition in Virgin Galactic müsse man sich daher dabei wohlfühlen, eine Aktie zu besitzen, die im Jahr 2040 gigantisch sein könnte - oder aber auch nichts mehr wert, so Kennedy.
Redaktion finanzen.net
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