Banken sind Fintechs
Fintechs killen die Banken - was vor zwei Jahren noch als Träumerei weltfremder Professoren galt, ist heute Mainstream. An dieser These ist vieles richtig, aber sie enthält auch einen grundlegenden Fehler.
Nämlich: Banken sind gar nicht so altmodisch wie sie oft dargestellt werden.
Banken waren die ersten, die die Digitalisierung in großem Stil eingeführt haben. Wie lange das her ist, merkt man, wenn man sich den ursprünglichen Namen ihrer Technik ansieht: EDV oder "elektronische Datenverarbeitung". Das war lange, bevor es die Bezeichnungen IT oder gar ICT (information and communication technology) überhaupt gab und es war lange, bevor andere Branchen in gleichem Umfang nachzogen.
Vor Jahrzehnten schon haben Banken "optische Belegleser" eingeführt, um den Zahlungsverkehr abzuwickeln - aus dieser Technik sind die Anwendungen entstanden, die wir heute teilweise als "künstliche Intelligenz" bezeichnen. In einer Zeit, in der man Speicher in Kilobyte messen konnte, haben sie Millionen von Buchungen täglich abgewickelt und das fast vollautomatisch und mit einer Fehlerquote von fast null. Welche andere Branche schafft diese Präzision, selbst mit der Technik von heute?
Noch vor wenigen Jahren hat man sich lustig darüber gemacht, dass die Deutsche Bank mehr Software-Entwickler beschäftigt hatte als SAP - heute macht man sich lustig darüber, dass die Bank zu wenig "Fintech" ist. Was in beiden Fällen übersehen wird: Banken sind Fintechs.
Banken sind verkleidete Technologiekonzerne. Das sieht man an der Oberfläche nicht, weil man dort zuerst auf die altbackenen Filialen und die seltsamen Rituale beim Ausleben der internen Hierarchie stößt. Aber schon in der nächsten Schicht steckt in den Banken ein unglaubliches technologisches Wissen. Das ist so seit es Banken gibt. Schon die Templer, die man getrost als frühe Bank ansehen kann, waren vor Jahrhunderten in der Lage, bargeldlose Überweisungen vorzunehmen. Das Bankgeschäft ist untrennbar mit Technologie verbunden; eine Bank ist entweder technologisch an der Spitze oder nicht mehr lange Bank.
Wieso dann aber diese altbackene Kruste und die verschlafene Einstellung gegenüber den neuen Entwicklungen der Finanztechnologie? Nun, Banken haben zugleich auch immer eine andere Aufgabe: Diskretion und Präzision. Daher ist es gar kein Wunder, dass die frühen Bankgeschäfte in einem religiösen Orden stattgefunden haben. Die Templer galten in ihrer Zeit bestimmt auch nicht als progressiv, obwohl sie es technologisch zweifellos waren. Bankgeschäfte drehen sich von ihrer Natur her um viel Geld, und sind damit immer hochgradig gefährdet. Deshalb braucht eine Bank einen hohen Grad an Seriosität und der wirkt immer altbacken.
Deshalb wird uns bei Bankgeschäften auch in Zukunft diese etwas seltsame Kombination erhalten bleiben: altbackenes Hightech. Heißt das, dass sich die Banken entspannt zurücklehnen können, weil alles gut wird und die Fintech-Revolution ausbleibt? Keineswegs. Sie müssen sich weiterentwickeln und zwar schnell. Wenn sie es nicht tun, dann werden sich die die Fintechs weiterentwickeln; und zwar so, dass sie außen bieder und innen technologische Meisterwerke werden. Fintechs werden dann eben zu Banken. So oder so werden uns beide erhalten bleiben.
Mit solchen Entwicklungen beschäftige ich mich in dieser Kolumne. Bleiben Sie dran.
tl;dr: Banken sind außen bieder und haben innen modernste Technik. Vielleicht werden die heutigen Fintechs die Banken von morgen, aber dann werden sie auch so wie Banken: bieder und hochmodern zugleich.
Christian Rieck ist Professor für Finance und forscht zur Zukunft der Finanzbranche. Er schreibt hier über Digitalisierung, Fintechs, Robo-Berater, Bank 3.0 und das Geld von morgen.