Salvini kündigt Misstrauensvotum gegen Regierungschef an
In der Regierungskrise in Italien drückt Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, aufs Tempo.
Die Lega kündigte am Freitag an, im Senat ein Misstrauensvotum gegen die von Ministerpräsident Giuseppe Conte geführte Regierung einzubringen. Am Montag sollte ein Termin für eine entsprechende Abstimmung in der Parlamentskammer feststehen. Mit dem entzogenen Vertrauen wäre die Populisten-Allianz aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung auch formal am Ende. Die Zeichen stehen auf eine baldige Neuwahl.
Salvini hatte die Regierung am Donnerstag in die Krise gestürzt und dafür ein Votum der Fünf Sterne gegen ein von der Lega unterstütztes Bahnprojekt zum Anlass genommen. Der Rechtspopulist machte am Donnerstag klar, dass er für das Bündnis keine Zukunft mehr sieht und die Italiener schnellstmöglich wählen lassen will.
Der parteilose Ministerpräsident Conte warf dem Anführer der rechten Lega am Donnerstagabend in Rom vor, dieser wolle aus der Beliebtheit seiner Partei Kapital schlagen. Salvini machte keinen Hehl daraus: Er werde die Italiener auffordern, ihm "alle Befugnisse" zu geben, sagte er in Pescara mit Blick auf eine Neuwahl, bei der er für das Amt des Regierungschefs kandidieren würde.
Die nächsten Schritte: Senats-Präsidentin Elisabetta Casellati hat für Montag (16.00 Uhr) eine Sitzung der Fraktionsvorsitzenden einberufen. Dort entscheidet sich, wann die Parlamentarier aus der Sommerpause geholt werden, um über die Regierung abzustimmen. Spekuliert wird über den 20. August als möglichen Termin. Schneller würde es gehen, wenn Conte seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreicht - allerdings hat er bereits angekündigt, den Weg im Parlament gehen zu wollen.
Erst wenn der Rücktritt der Regierung formalisiert ist, kommt das Staatsoberhaupt ins Spiel. Bevor er den Weg zu einer Neuwahl ebnet, könnte er sondieren lassen, ob es auch eine andere Mehrheit im Parlament gibt. Die würde zustande kommen, wenn die Fünf Sterne und die Sozialdemokraten zusammengingen - allerdings gilt das als unwahrscheinlich. Löst der Präsident die Parlamentskammern auf, könnte 60 Tage später eine Wahl stattfinden. So viele Tage braucht man, um die Abstimmung zu organisieren.
Salvini visiert offenbar den 13. Oktober für eine Wahl an. Angesichts der vielen Schritte, die jetzt folgen müssen, erscheint das aber unrealistisch. Wahrscheinlicher ist ein Termin Ende Oktober oder im November.
Die EU-Kommission wollte sich am Freitag nicht zur politischen Lage in Italien äußern und bestätigte lediglich, die Entwicklungen zu beobachten. "Demokratische Prozesse in den Mitgliedstaaten kommentieren wir nicht", sagte eine Sprecherin.
Italien braucht dringend Stabilität - alleine wegen der desaströsen Wirtschaftslage. Das Land weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote - also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft - betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.
Im Fall einer Neuwahl hält Salvini alle Trümpfe in der Hand: Bei der Europawahl im Mai hatte seine Rechtspartei mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis eingefahren. Schon lange war spekuliert worden, wann Salvini die Koalition platzen lassen würde, um eine Neuwahl herbeizuführen.
Nach derzeitigen Umfragen bräuchte Salvini einen Koalitionspartner. Infrage kämen die rechtsnationalen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), die eine Neuwahl begrüßten. Auch die Sozialdemokraten kündigten an, bereit für eine Neuwahl zu sein. Beobachter erwarten, dass Salvini alleine - und nicht wie 2018 mit einem Mitte-Rechts-Bündnis - in den Wahlkampf ziehen würde.
Sterne-Chef Luigi Di Maio beschuldigte Salvini am Donnerstagabend, er habe die Regierung gestürzt, weil er seine Interessen vor die Interessen des Landes gestellt habe. Die Fünf Sterne waren bei der Parlamentswahl 2018 noch mit Abstand stärkste Partei, liegen in Umfragen jetzt aber weit hinter der Lega.
Salvini hat den Sternen in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen, Nein-Sager zu sein und die Regierung zu blockieren. Bei vielen Themen waren sich die ungleichen Partner seit Amtsantritt im Juni 2018 nicht einig - sie stritten zum Beispiel über einen Mindestlohn, Steuersenkungen und die Autonomie für einige Regionen. Diese Vorhaben bleiben durch Salvinis Bruch wenigstens zunächst auf der Strecke. Auch eine geplante Verkleinerung des Parlaments dürfte platzen.
Eine Regierungskrise mitten in der Ferienzeit, in der das öffentliche Leben in Italien geradezu still steht, hat es nach Angaben des Analysten Wolfgango Piccoli von der Denkfabrik Teneo noch nie gegeben. Auch wegen des Zeitpunkts stehe nun ein langwieriger Prozess bevor. "Die Tatsache, dass sich das Parlament derzeit in der Sommerpause befindet und Contes Entschlossenheit, das Amt nicht kampflos niederzulegen, wird die Zeitachse dieser neuen politischen Krise verlängern", erklärte er.
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ROM (dpa-AFX)
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