Reformen nötig

Griechisches Sein: Zwischen Aufbruch und Agonie

07.03.14 16:00 Uhr

Athens Börse rückt in den Fokus der Investoren. Doch der Einstieg ist riskant. Kommen die Reform-Anstrengungen zum Erliegen, könnten die Mittel schnell wieder abfließen.

von Jörg Billina, Euro nam Sonntag

Der Hedgefondsaltmeister George Soros erwägt den Einstieg. Auch Mark Mobius, verantwortlich für den Templeton Emerging Markets Fund, interessiert sich für griechische Aktien. Durch einen Kauf käme er nicht in Konflikt mit den Anlagevorschriften seines Fonds: Im November vergangenen Jahres hat der Indexbetreiber MSCI Griechenland in die Kategorie Emerging Markets herabgestuft. Sollten die Reformen weitergehen, werden sich die Wachstumsaussichten signifikant verbessern, ist sich Mobius sicher.

Aufbruchstimmung in Athen - dazu tragen auch junge, mutige Unternehmer bei. Sie resignieren nicht, sondern werden selbst aktiv. Speziell im IT-Sektor schießen Start-up-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Nicht alle sind erfolgreich, doch Firmen wie VisionMobile oder Bugsense machen Mut, dass das Land die schwere Krise überwinden kann.

Auch Francesco Conte, Fondsmanager des JP Morgan European Small Cap, ist optimistisch. Er hat den Griechenland-Anteil seines Portfolios bereits deutlich angehoben. Griechische Unternehmen hätten die Kosten signifikant nach unten gefahren, analysiert er. Sollte das Bruttoinlandsprodukt wieder anziehen, erwartet Conte enorme Produktivitätsfortschritte und steigende Kurse.

Der von der Vermögensverwaltung HP & P aufgelegte Südeuropa-Fonds hat griechische Werte sogar schon mit acht Prozent gewichtet. "Das Thema Südeuropa wird von den Investmentgesellschaften gerade wieder entdeckt. Allein aus diesem Grund wird weiter Geld in den griechischen Aktienmarkt fließen", sagt Manager Andreas Hauser.

Viele Privatanleger sind dagegen noch skeptisch. Griechische Aktien kaufen? Mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 gelten diese nicht mehr als billig. Vor allem aber: Sind die makroökonomischen wie die politischen Risiken nicht zu groß? Das Land ist schließlich mit 340 Milliarden Euro beziehungsweise 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet. Nur dank eines Schuldenschnitts und zweier Hilfspakete in Höhe von insgesamt 240 Milliarden Euro konnte der Kollaps verhindert werden.

Ihre finanzielle Unterstützung haben die Geldgeber von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zudem an die Erfüllung eines rigorosen Sparprogramms geknüpft. Das legt der Bevölkerung enorme Härten auf. Die sozialen Probleme sind immens. Nach Angaben der Hellenic Confederation of Professionals, Craftsmen & Merchants musste die durchschnittliche griechische Familie zwischen 2010 und 2013 Einkommenseinbußen von 40 Prozent hinnehmen. Die Arbeitslosenrate ist mittlerweile auf 28 Prozent gestiegen, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 60 Prozent. Wer ein Jahr keinen Job findet, verliert den Anspruch auf Arbeitslosengeld und auf Gesundheitsfürsorge. Die Kindersterblichkeitsrate ist massiv gestiegen. Depressionen sind weit verbreitet, die Zahl der Selbstmorde hat deutlich zugelegt.

Europawahl als Nagelprobe
Die großen sozialen Probleme in Griechenland sind wiederum Wasser auf die Mühlen EU-skeptischer Parteien. Sie fordern ein Ende der Gürtel-enger-schnallen-Strategie. Die linke Opposition Syriza von Alex Tsipras liegt in Umfragen für die Europawahl im Mai derzeit vor Pasok und ND. Sollten die Regierungsparteien tatsächlich kräftig verlieren, dürften auch sie aus Sorge um den Machterhalt den Konflikt mit den Geldgebern suchen. "Eine Abkehr vom vereinbarten Reformprozess aber könnte Investoren zu Gewinnmitnahmen motivieren", sagt Fondsmanager Hauser.

In den vergangenen zwei Jahren haben Anleger schon gut verdient. Griechenlands Leitindex legte 80 Prozent zu. Seit Anfang Januar weist der Athex Composite ein Plus von acht Prozent auf. Gerade hat ein vergangene Woche geschlossener Deal Griechenlands mit Gazprom die Kurse stark nach oben getrieben. Die Vereinbarung sieht einen Preisnachlass von 15 Prozent für Gaslieferungen seitens des russischen Konzerns vor, der ab Juli vergangenen Jahres wirksam wird. Das entspannt die angespannte Haushaltslage. Weitere Kursfantasie entzündet sich an einem möglichen dritten Hilfsprogramm, das die Bundesregierung laut DZ Bank nach dem im Frühling dieses Jahres auslaufenden zweiten Hilfsprogramm erwägt. "Das würde das Vertrauen der Anleger in den Aufschwung weiter festigen", sagt Hauser.

Troika derzeit in Athen
Im vergangenen Jahr wurden die Kurse in erster Linie durch die Aussicht auf eine ökonomische Besserung getrieben. Diese ist, so sieht es jedenfalls der griechische Finanzminister Yannis Stournaras, mittlerweile tatsächlich eingetreten. Die nun bis zum 7. März in Athen weilende Abordnung der Geldgeber, die den Fortgang der Reformen kontrollieren will, möchte er gleich mit einer "Lawine positiver Nachrichten" überschütten. Die sollen die Troika dazu bewegen, die Auszahlung der letzten Tranche aus dem noch laufenden zweiten Hilfsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro zu empfehlen. Beim letzten Besuch der Troika hatten beide Seiten keine Einigung erzielt.

Nun aber hat Stournaras einiges vorzuweisen. Seinen Berechnungen zufolge hat Griechenland 2013 zum ersten Mal seit zehn Jahren einen Haushaltsüberschuss - ohne Zins und Tilgung - von 1,5 Milliarden Euro erzielt. Damit wären nach Ansicht Athens die Voraussetzungen für die nächste Überweisung gegeben. Zudem kann die Regierung dank steigender Tourismuszahlen und geringerer Importe ein Plus in der Leistungsbilanz vorweisen - das gab es zum letzten Mal 1948. Um den Fehlbetrag zu finanzieren, hatte Griechenland in der Vergangenheit immer wieder Kredite im Ausland aufnehmen müssen. Auch verbessert sich die Stimmung in der Wirtschaft. Der griechische Einkaufsmanagerindex kletterte zuletzt auf über 50 Punkte. Die Regierung ist nun sicher, dass die bereits sechs Jahre anhaltende Rezession zu Ende geht. 2014 wird ihrer Prognose nach das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent wachsen, 2015 sollen es sogar 2,9 Prozent sein.

Die Troika ist dagegen weniger optimistisch. Ihrer Auffassung nach hinkt die Regierung bei der Umsetzung der Reformmaßnahmen hinterher. "Insbesondere bei der Liberalisierung des Arbeitsmarkts und bei der Privatisierung von Staatsunternehmen erkennt sie Nachholbedarf", sagt Josef Janning von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Allerdings sind die von den Geldgebern geforderten Maßnahmen auch nicht immer logisch. So muss Griechenland zum Beispiel 11.000 Stellen in den Finanzbehörden abbauen. "Gleichzeitig soll aber die Effizienz beim Steuereintreiben verbessert werden. Die mit der Personalreduzierung einhergehende Unruhe verhindert jedoch die notwendige Steigerung der Leistungsfähigkeit der Behörden", moniert Janning.

Vor allem aber reichen nach Ansicht des Experten generell die Instrumente der Haushaltskontrolle allein nicht aus, um die tiefe Krise des griechischen Regierungssystems zu lösen. Der Staat müsse organisatorisch und strukturell von Grund auf neu geordnet werden. "Hierzu leistet die EU viel zu wenig Unterstützung", sagt Janning. Aber auch mit der griechischen Regierung gehen Fachleute hart ins Gericht: So mache Athen immer wieder Brüssel und Berlin für die extrem schwierige Lage verantwortlich.

Damit aber schüre sie Zweifel an der Mitgliedschaft in der EU, so Janning: "Sollte die Regierung eines Tages die Bürger vor die Frage stellen, ob sie weiterhin der EU angehören wollen oder nicht, droht Griechenland eine Zerreißprobe, die im schlimmsten Fall ukrainische Verhältnisse herbeiführen könnte."

Mit Spannung erwartet wird daher in Griechenland, ob es gerade dem deutschen Staatsoberhaupt Joachim Gauck bei seiner Visite kommende Woche in Athen gelingt, erfolgreich für Europa zu werben.

Investor-Info

Griechenland
Hilfe trotz geschönter Zahlen

Athen ist der Auffassung, eine wichtige Bedingung für die Überweisung der letzten Tranche von zehn Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfsprogramm erfüllt zu haben: Der Haushalt 2013 weist einen Überschuss auf. Doch das höchste griechische Verwaltungsgericht erklärte Ende Januar alle seit August 2012 vorgenommenen Streichungen bei den Gehältern von Polizei und Militär für unzulässig. Nun ist unklar, ob mögliche Rückzahlungen dem Haushalt 2013 zuzurechnen sind. Die Troika dürfte vor dem Hintergrund der Europawahl im Mai die dringend benötigten Mittel jedoch nicht zurückhalten.

JP Morgan European Small
Chancen in der Peripherie

Manager Francesco Conte hat griechische Aktien mit 2,6 Prozent gewichtet. Der Spielzeughersteller Jumbo profitiert derzeit von der Erholung der Binnenwirtschaft in Griechenland. Dagegen erzielt der Schmuckproduzent Folli Follie seine Gewinne vor allem in Asien. Auch Unternehmen aus Italien, Spanien und Portugal hält Conte für aussichtsreich. Über 15 Prozent der Mittel hat er in deutsche Unternehmen wie Leoni oder Freenet investiert.

Aktien Südeuropa UI
Solide Unternehmen

Die strukturellen Rahmenbedingungen in Südeuropa sind ungünstig. "Dennoch finden sich dort zahlreiche substanzstarke Unternehmen", sagt Fondsmanager Andreas Hauser von der HP & P Vermögensverwaltung. Dazu zählen die griechischen Energieunternehmen Helios und Public Power. Acht Prozent der Mittel hat Hauser in griechische Werte angelegt. Allerdings stieg der Fonds trotz der starken Kursentwicklung südeuropäischer Börsen innerhalb eines Jahres nur um elf Prozent. Beobachten.

LYXOR ETF FTSE ATHEX Large
Griechische Schwergewichte

Der Exchange Traded Fund (ETF) von Lyxor spiegelt die Wertentwicklung der 20 größten Unternehmen Griechenlands wider. Dazu zählen die Piraeus Bank und der Telekommunikationskonzern Hellenic Telecom. In den vergangenen sechs Monaten legte der ETF 28 Prozent zu. Die Chancen stehen weiter gut, doch der ETF empfiehlt sich nur zur Beimischung.

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