Wirtschaftsweise erwarten nur schwaches Wachstum
Die fünf Wirtschaftsweisen haben ihre Wachstumsprognosen für dieses und nächstes Jahr gesenkt.
Für das laufende Jahr erwarten sie nun eine Zunahme des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent und für das kommende Jahr um 0,9 Prozent, wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) erklärte.
"Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich im Abschwung", erklärte der SVR in seinem Jahresgutachten. "Bislang ist jedoch nicht von einer breiten und tiefergehenden Rezession auszugehen." Es sei aber zu erwarten, dass sich die schwache wirtschaftliche Dynamik "mindestens bis in das kommende Jahr hinzieht". Das Wachstum werde 2020 mit kalenderbereinigt 0,5 Prozent schwach bleiben.
Die Ökonomen hatten im März für 2019 und 2020 noch Zuwachsraten von 0,8 Prozent und 1,7 Prozent vorhergesagt. Andere Ökonomen und auch die Bundesregierung erwarten aber inzwischen angesichts der Konjunkturschwäche ebenfalls nur noch rund 0,5 Prozent für dieses und rund 1 Prozent für nächstes Jahr.
Fünf Weise sehen erhebliche Risiken
In ihrem Gutachten mit dem Titel "Den Strukturwandel meistern" erklärten die Wirtschaftsweisen, ein wichtiger Grund für die erwartete schwache Entwicklung sei eine länderübergreifende Schwäche der Industrie, die zum Teil auf einen zyklischen Abschwung zurückzuführen sein dürfte. Für die weitere Entwicklung sei entscheidend, inwiefern der bislang noch solide Arbeitsmarkt und die Binnennachfrage von dieser Entwicklung erfasst würden.
Die Ökonomen sahen "erhebliche Risiken" für diese weitere Entwicklung. "Insbesondere eine Eskalation der Handelskonflikte würde die exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindlich treffen", warnten sie. Die Wirtschaftspolitik sei angesichts der verhaltenen konjunkturellen Aussichten und des Strukturwandels "gefordert, das Wachstumspotenzial der deutschen Volkswirtschaft zu stärken".
In dem Gutachten sagten sie eine Zunahme der privaten Konsumausgaben um 1,4 Prozent in diesem und 1,2 Prozent im nächsten Jahr und einen Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen um 2,7 Prozent und 1,7 Prozent voraus. Für die Exporte sahen sie ein Plus von 0,7 Prozent dieses und 1,5 Prozent nächstes Jahr und für die Importe ein Plus von 2,5 Prozent und 3,0 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen soll nach ihrer Prognose 2019 auf 2,272 Millionen sinken, 2020 dann aber wieder auf 2,317 Millionen steigen; die Arbeitslosenquote sahen sie bei 5,0 Prozent in diesem und 5,1 Prozent im kommenden Jahr.
EZB hätte auf neue Anleihekäufe verzichten sollen
Kritik übten die Wirtschaftsweisen am jüngsten Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB). "Es wäre besser gewesen, zumindest auf neue Staatsanleihekäufe zu verzichten, da diese Politik erhebliche Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen kann", monierten sie. So bestehe etwa aufgrund dynamisch gestiegener Vermögenspreise das Risiko abrupter Preiskorrekturen.
Insbesondere am Immobilienmarkt, der bereits deutlich erhöhte Risiken zeige, sollte nach Ansicht der fünf Weisen "mit geeigneten makroprudenziellen Maßnahmen rechtzeitig gegengesteuert werden". In Deutschland kämen etwa eine Erhöhung der sektoralen Risikogewichte für Immobilienkredite, eine weitere Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers oder eine Begrenzung der Beleihungsquoten infrage. Zudem warnten die Ökonomen, im Falle einer Rezession "besteht die Gefahr einer prozyklischen Verstärkung durch das Finanzsystem".
Die Wirtschaftsweisen sprachen sich gegen ein Konjunkturprogramm aus, das sie als "derzeit nicht angezeigt" bezeichneten - sie machten sich aber dafür stark, unter möglicher Abkehr von der schwarzen Null auch neue Schulden im Rahmen der Schuldenbremse hinzunehmen. Es solle zunächst darum gehen, "die vorhandenen automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen", hoben sie hervor. "Die Schuldenbremse schließt durch die Konjunkturbereinigung eine Neuverschuldung zu diesem Zweck nicht aus."
Zur Klimapolitik erklärten sie in einem Sondergutachten, wirksamer Klimaschutz erfordere "eine drastische Rückführung der globalen Treibhausgasemissionen und mithin eine umfassende Transformation der Systeme der Energieversorgung". Das Ziel des Pariser Klimaabkommens werde "nur mit hohem Einsatz volkswirtschaftlicher Ressourcen zu stemmen sein". Der Kosteneffizienz komme daher eine zentrale Bedeutung zu. Von Deutschland und Europa könne nur dann eine Vorbildfunktion ausgehen, "wenn sich Emissionsminderungen mit wachsendem Wohlstand und gesellschaftlicher Akzeptanz verbinden lassen".
DJG/ank/apo
BERLIN (Dow Jones)
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